Reicht ein Like für eine Hausdurchsuchung?

Wir haben Strafrechtsanwalt Rienhoff nach der Rechtsmäßigkeit dieser Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung gefragt.

"In dem konkreten Fall halte ich sie für absolut unverhältnismäßig. Beim reinen Liken einer Beleidigung oder Verunglimpfung einer anderen Person sollte sich die Polizei auf den Ausgangspost beschränken. Eine Meldung bei Twitter wäre meines Erachtens sogar ausreichend gewesen ", sagt Rienhoff uns.

"Wenn ich beispielsweise einen Tweet der Tagesschau zu einem Mord like, empfehle ich den Text, der mir vielleicht gefällt, aber nicht den Mord. Beim Like einer Beleidigung, kann das schon anders aussehen. Hier ist die Frage, ob ich mir diese zu eigen mache", sagt Rienhoff. Beleidigungsdelikte umfassen laut Strafgesetzbuch Beleidigungen, Nachreden, Verleumdung und wie in diesem Fall die Verunglimpfung Verstorbener.

Der Beleidigungsparagraf spricht - wie Rienhoff argumentiert - jedoch von der Verbreitung solcher Inhalte: "Hier kann durch ein Like die Reichweite des Tweets erhöht werden. Es ist rechtlich umstritten, ob durch das Liken bereits eine Verbreitung im Sinne der Strafnorm erfüllt ist."

Anwalt Rienhoff weist zudem darauf hin, dass Beleidigungen Antragsdelikte sind: "Das heißt, jemand - in dem Fall ein Angehöriger oder Vorgesetzter - muss aktiv diese Verfolgung eines Posts und auch der Likes gefordert haben. Sollte das fehlen, kann kein Strafverfahren durchgeführt werden."

Das zuständige Polizeipräsidium Pforzheim stand für kurzfristige Rückfragen nicht zur Verfügung. Dass eine Beschlagnahmung im Kontext der bundesweiten Kampagne stattfand, konnte der Sprecher telefonisch bestätigten. Er fragte er bei dem Landeskriminalamt von Rheinland-Pfalz diesbezüglich nach.

Korpsgeist bei der Polizei

Im Laufe des heutigen Tages tauchten mehr Hinweise auf Durchsuchungen zu dem besagten Ausgangstweet auf. So soll der vermeintliche Tweet sich direkt auf Todesfälle wie dem von Oury Jalloh bezogen haben. Jalloh wurde im Jahr 2003 in einem Polizeirevier Dessaus in Sachsen-Anhalt tot aufgefunden. Sein Tod wird der Polizei zugeschrieben; ein Ermittlungsverfahren ist jedoch eingestellt worden.

Rienhoff kann nachvollziehen, dass die Polizei die Verunglimpfung und Beleidigungen in diesem Fall verfolgt. So sagt er, dass "die Behörde einen enorm hohen Korpsgeist hat und sich schnell als Kollektiv angegriffen fühlt und dann hart zurückschlägt." Jedoch findet der Experte für Polizeirecht es "völlig unangebracht, hier im Falle von Likes so einen Aufwand zu betreiben".

Rienhoff führt aus: "Erschreckend ist vielmehr, wie viele z.B. rassistische Beleidigungen nicht verfolgt werden, aber bei einem Polizisten oder einem Hamburger Innenminister werden wegen einer Bagatelle schwerste Eingriffe vorgenommen. Hinzu kommt, dass die Polizei immer von Überlastung spricht und sich dann auf das Liken einer Beleidigung zu konzentrieren, ist schon fragwürdig."

Der Fall von Felix wirft neben der Rechtmäßigkeit die Frage auf, welche Prioritäten die Polizei setzt. Er blieb während des Telefonats mit uns gelassen. Er vertraut auf die Solidarität von Gleichgesinnten. "Mein Umfeld - die Linken - sind sehr unterstützend", sagt er Golem.de.

Ende Mai 2022 ergaben Recherchen von dem Team um Jan Böhmermann, dass die Polizei mangelhaft gegen Hassrede ermittelt. Eine Polizeibehörde des Landes Baden-Württemberg habe bei fünf von sieben angezeigten Fällen die Ermittlungen eingestellt, heißt es auf der Webseite zu der Recherche. Bei dem dargelegten Fall scheinen Beleidigungen effizienter verfolgt zu werden, wie die bundesweite Aktion der Polizei belegt.

Nachtrag vom 20. Juni 2022, 15:59 Uhr

Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Pforzheim bestätigte Golem.de telefonisch, dass "eine Beschlagnahmung in ihrem Bereich" Teil der bundesweiten Maßnahmen sei. Wir haben die entsprechende Stelle im Text angepasst.

Nachtrag vom 21. Juni 2022, 9:46 Uhr

Wir haben einen Link und einen erklärenden Satz zu einem Tweet entfernt, weil dieser vom Beschuldigten gelöscht wurde.

Nachtrag vom 28. Juni 2022, 9:23 Uhr

Wir haben den Ausgangstweet, in dem der Sachverhalt bekanntgegeben wurde, entfernt, weil dieser vom Beschuldigen gelöscht wurde.

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 Durchsuchungen wegen Hassrede: Ein Like auf Twitter und das Handy ist weg
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Clown 26. Jun 2022

So ganz so einfach ist das eben nicht. Hier ein Ausschnitt aus dem hamburgischen...

Darkmalvet 24. Jun 2022

Es geht nicht darum wie häufig so etwas passiert sondern welche Implikationen es für...

Darkmalvet 24. Jun 2022

Ist doch irrelevant wer sich technisch wie weit auskennt, entscheidend ist, dass der...

xPandamon 23. Jun 2022

Klar man sollte nicht alles posten. Aber hier wird sich nicht auf Härtefälle...



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