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Doxing befürchtet: Pornhub wehrt sich gegen Offenlegung von Werbekunden

Der DSA verpflichtet große Plattformen zur Transparenz ihrer Werbekunden. Das betrifft bei Pornoseiten auch einzelne Sexarbeiter.
/ Friedhelm Greis
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Pornhub will die Daten seiner Werbekunden nicht veröffentlichen. (Bild: Nikos Pekiaridis/NurPhoto/Reuters)
Pornhub will die Daten seiner Werbekunden nicht veröffentlichen. Bild: Nikos Pekiaridis/NurPhoto/Reuters

Zwischen der internationalen Pornoindustrie und der EU-Kommission gibt es einen weiteren Rechtsstreit um die Vorgaben des Digitale-Dienste-Gesetzes (DSA). Der europäische Ableger des Mutterkonzerns der Pornoseiten Pornhub, Redtube und Youporn klagt inzwischen in zweiter Instanz gegen die Offenlegung seiner Werbekunden. Nachdem die Klage von Aylo (früher Mindgeek) in erster Instanz vom Gericht der EU abgelehnt wurde, beschäftigt sich nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem Fall.

Die EU-Kommission hatte im Dezember 2023 mehrere Pornoportale wie Pornhub, Stripchat und XVideos zu "sehr großen Online-Plattformen" (VLOPs) erklärt. Damit unterliegen diese den höheren Auflagen des DSA. Dazu zählt unter anderem eine Altersverifikation für nicht-jugendfreie Inhalte, aber auch laut Artikel 39(öffnet im neuen Fenster) "zusätzliche Transparenz der Onlinewerbung" . Ebenfalls müssten die Portale eine Schnittstelle für eine Werbedatenbank einrichten. Diese enthält auch "die natürliche oder juristische Person, in deren Namen die Werbung angezeigt wird" .

Eilantrag gegen Offenlegung

Die Plattformen klagten Anfang des Jahres zum einen gegen die Einstufung als VLOP , zum anderen wollte Pornhub in einem Eilantrag verhindern, seine Werbekundendatenbank öffentlich zu machen.

In dem Berufungsverfahren vor dem EuGH ( Rechtssache C-511/24(öffnet im neuen Fenster) ) bat Aylo darum, "insbesondere von der Offenlegung der natürlichen Namen der Personen befreit zu werden, die auf Pornhub werben, darunter auch Sexarbeiter und -Darsteller" . Dadurch würden deren Namen öffentlich zugänglich und im Verzeichnis durchsuchbar, sagte ein Sprecher dem Portal Euractiv(öffnet im neuen Fenster) und bezeichnete die Sicherheit der Community "als oberste Priorität" .

Schwere Geschäftsschädigung befürchtet

In erster Instanz verlor Aylo Freesites mit Sitz in der Republik Zypern vor dem Gericht der EU (Az. T138/24). Dem Urteil vom 2. Juli 2024 zufolge (öffnet im neuen Fenster) behauptet Aylo, die öffentliche Zugänglichmachung des Repositoriums "würde seinen Geschäftsinteressen schweren Schaden zufügen, da dies zu einer unberechtigten Offenlegung seiner strategischen Geheimnisse gegenüber Wettbewerbern führen und Werbekunden dazu veranlassen würde, sich anderen Plattformen zuzuwenden" .

Darüber hinaus bestehe ein erhebliches Risiko, dass das Anzeigenregister als Doxing-Liste verwendet werde, da es die Identitäten von Personen wie Sexarbeitern, die für ihre Onlyfans-Kanäle würben, oder von Personen, die Affiliate-Marketing betrieben, öffentlich zugänglich mache.

Das Ziel von Artikel 39, die Überwachung und Erforschung neu auftretender Risiken durch die Verbreitung von Werbung im Internet zu erleichtern, könnte laut Aylo auch dadurch erreicht werde, dass die Informationen der Kommission, dem zuständigen Koordinator für digitale Dienste und ausgewählten Forschern zur Verfügung gestellt würden. Ein öffentliches Repositorium für Werbung sei nicht erforderlich.

Aylo befürchtet demnach "irreparablen Schaden" durch die Veröffentlichung. Einmal im Netz, könnten die Daten nicht mehr vertraulich gemacht werden. Das Unternehmen befürchtet, "dass Werbekunden, Inhalteanbieter und Nutzer, die zur Konkurrenz gewechselt sind, wahrscheinlich nicht mehr zu Pornhub zurückkehren werden" . Allerdings wäre ein Wechsel nur zu solchen Plattformen sinnvoll, die nicht als VLOP eingestuft wurden. Inzwischen nahm die Kommission mit XNXX ein viertes Portal in diese Kategorie auf .

Gericht hält keine Identifizierung für möglich

Das EU-Gericht wies den Dringlichkeitsantrag ab. Da Pornhub vor allem finanzielle Einbußen befürchte, seien diese nicht irreparabel, da diese kompensiert werden könnte. Was die Sicherheit der werbenden Personen betreffe, sollten die zu veröffentlichenden Angaben nicht ausreichen, um sie hinreichend genau zu identifizieren, da diese Angaben offenbar nicht ihre Privatadressen umfassen. "Im Übrigen ermöglicht die bloße Tatsache, dass eine natürliche Person im Anzeigenregister aufgeführt ist, nicht notwendigerweise die Identifizierung der Art der Tätigkeiten und der persönlichen Beteiligung der natürlichen Person an diesen Tätigkeiten" , heißt es weiter.

Der Anwalt Alessandro Polidoro, der die Initiative Digital Intimacy Coalition(öffnet im neuen Fenster) koordiniert, wies laut Euractiv darauf hin, dass natürliche Personen das Recht hätten, in Rechtsdokumenten durch Künstlernamen, Pseudonyme oder andere Arten von künstlerischen Pseudonymen erkennbar zu sein. "Nach dieser Logik könnte das Gericht entscheiden, dass Künstlernamen auch von natürlichen Personen in dem Werberepositorium verwendet werden können" , sagte Polidoro. In dem erstinstanzlichen Urteil wird diese Möglichkeit jedoch noch nicht erwähnt.

Darüber hinaus wies der Anwalt darauf hin, dass "der Großteil der Werbeeinnahmen von Pornhub nicht von einzelnen ausübenden Künstlern oder natürlichen Personen stammt" . Es sehe daher so aus, als wolle Aylo die Sicherheit von Sexarbeitern als Vorwand nutzen, um die Anwendung des DSA zu verzögern.


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