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Dota: Athleten müssen im E-Sport mehr als nur gut spielen

Zur Zeit der Dota -Mod schnappte man sich einfach vier Freunde und zockte als Team los - manchmal mit Erfolg, manchmal ohne. Doch was ist heute bei Preisgeldern in Millionenhöhe und enormem Druck bei der Zusammenstellung eines professionellen E-Sport -Teams wichtig?
/ Kai Reh
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Simon "Handsken" Haag bei der ESL One 2016 in der Frankfurter Commerzbank-Arena (Bild: Helena Kristiansson/ESL)
Simon "Handsken" Haag bei der ESL One 2016 in der Frankfurter Commerzbank-Arena Bild: Helena Kristiansson/ESL

Kleine Turniere in Internetcafés mit ein paar Kumpels: Diese Zeit ist bei Dota vorbei. Wir haben auf der ESL One in Frankfurt mit dem Dota-2-Profi Simon "Handsken" Haag vom Team Complexity gesprochen, welche Kriterien heutzutage ein Spieler erfüllen muss, um in einem der Top-Teams spielen zu können. Er sagt: Bei Preisgeldern in Millionenhöhe und Events in Fußballstadien reichen gute Leistungen allein nicht mehr aus.

Golem.de: Was ist bei der Zusammenstellung eines Top-Teams im modernen E-Sport wichtig?

Simon "Handsken" Haag: Die Spieler eines Teams müssen mental einfach im selben Boot sitzen, Spielstile haben, die sich ähneln oder unterstützen. Auf Probleme und überraschende Situationen im Spiel müssen sie ähnlich reagieren, auf einer Wellenlänge sein.

Aber auch außerhalb der Matches müssen sie ähnlich ticken: Manche Spieler bevorzugen es, sich nach einem Spiel direkt zusammenzusetzen, es gemeinsam noch einmal durchzugehen und an eventuellen Fehlern zu arbeiten. Andere wiederum brauchen erst einmal etwas Zeit, um einen kühlen Kopf zu bekommen.

Die verschiedenen Persönlichkeiten im Team müssen einen Draht zueinander haben. Es geht nicht um die Leistung als einzelne Persönlichkeit, sondern darum, wie gut man im Team zusammenarbeitet und funktioniert.

Golem.de: Es gilt also, eine möglichst gute Team-Chemie zu schaffen.

Handsken: Ich denke, das ist besser, als einfach einen beliebigen begabten Spieler ins Team zu holen, der überhaupt nicht zum restlichen Team passt. Ich würde sogar sagen, es ist besser, einen Spieler im Team zu haben, mit dem man auf einer Wellenlänge ist, als jemanden, der objektiv besser spielt.

Mehr als nur Spieler sein

Golem.de: Vor dem Hintergrund der Millionen US-Dollar, um die es in der Branche geht, spielt Popularität eines Team-Mitglieds aber auch eine Rolle.

Handsken: Das ist ein Bereich im E-Sport, der nicht ignoriert werden kann. Wenn man sich das Ganze aus Sicht einer dahinterstehenden Organisation anschaut, dann will man bekannte Spieler mit einem guten Ruf in der Szene und bei anderen Spielern. Idealerweise streamen sie auch.

E-Sportler müssen über Sozialkompetenz verfügen, sich gut vor der Kamera machen und mit vielen Verpflichtungen klarkommen, von denen die meisten einfach nichts mitbekommen. Für Organisationen ist die Entscheidung, den richtigen Spieler für das Team zu wählen, nicht einfach, da es so viele Faktoren gibt, die beachtet werden müssen.

Golem.de: Einfach nur Spieler zu sein, reicht damit nicht mehr aus.

Handsken: Es läuft einfach so viel hinter den Kulissen ab, um das man sich kümmern und woran man sich beteiligen muss.

'Wir leben zusammen, wir reisen zusammen, wir sind einfach immer zusammen'

Golem.de: Ist echte Freundschaft wie zu Zeiten der Dota-Mod überhaupt noch wichtig?

Handsken: Ich denke, man muss wirklich miteinander klarkommen, denn ansonsten wird man als Team nicht funktionieren, daran führt kein Weg vorbei. Ich persönlich verbringe mindestens 80 Prozent meiner Zeit mit meinem Team. Wir leben zusammen, wir reisen zusammen, wir sind einfach immer zusammen. Sie sind so etwas wie meine Familie geworden. Würden wir uns dann nicht ausstehen können, würden wir nicht als Team funktionieren, selbst wenn wir alle fünf die besten Spieler der Welt wären.

Golem.de: Steht das Vertrauen im echten Leben mit dem Vertrauen in die spielerischen Fähigkeiten eines Teammitglieds in Verbindung?

Handsken: Ich glaube schon. Wenn man mit seinem Teamkollegen in manchen Themen, sagen wir einmal Politik, nicht übereinstimmt, oder auch nur darin, wo man essen gehen will, dann beginnt man irgendwann, an dieser Person zu zweifeln. Ich weiß nicht so recht, wie ich es ausdrücken soll, aber wenn man so viel zusammen macht, überträgt sich dies irgendwann dann auch auf Dota. Wenn man Zweifel an einer Person im echten Leben hat, dann zweifelt man irgendwann auch im Spiel an ihr.

Golem.de: Selbst wenn man weiß, dieser Spieler versteht eine Menge vom Spiel und ist gut in dem, was er tut, ruft es Zweifel im Spiel hervor, wenn man sich mit seiner politischen Meinung nicht identifizieren kann?

Handsken: So würde ich es nicht ausdrücken. Ich würde eher sagen, wenn man einer Person im echten Leben nicht vertrauen kann, dann verliert man auch in Dota das Vertrauen in sie. Man sagt sich nicht einfach: "Der Spieler ist gut!", und beginnt, ihm zu vertrauen. Ich denke, das geht Hand in Hand. Das ist dieser mentale Aspekt.

Immer auf den Punkt genau

Golem.de: Vertrauen ist sicherlich viel in der Kommunikation während des Spiels nötig, immerhin passiert oftmals mehr innerhalb eines Team-Fights, als benannt werden kann. Wie meistert man solche Situationen?

Handsken: Es ist wichtig, nicht einfach nur zu reden, es muss effektive Kommunikation sein. Man kann nicht einfach irgendwelche irrelevanten Dinge beim Namen nennen, jede Aussage muss auf den Punkt treffend und für die Team-Mitglieder wichtig sein. Mach es deinem Team einfach, dich zu verstehen. Sag an, wenn du stunnen und einen Kampf beginnen willst. Das geht am besten mit möglichst direkter Kommunikation, die es deinem Team abnimmt, erst über das Gesagte nachdenken zu müssen, bevor es reagieren kann.

Golem.de: Können sie da konkrete Beispiele benennen?

Handsken: Statt zu fragen: "Wer soll zuerst stunnen?", muss man einfach sagen: "Du stunnst zuerst!" Kurz, bündig und direkt, immer den Nagel auf den Kopf treffen. Man muss dem Team so viel Denkarbeit wie nötig abnehmen, damit es sich auf das Spielgeschehen konzentrieren kann.


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