Doppelmayr-Seilbahn: Boliviens U-Bahn der Lüfte
3.000 Passagiere pro Stunde: In Bolivien fährt seit kurzem die längste urbane Seilbahn der Welt. Deren Gondeln könnten auch ein Modell für andere Städte sein. Gebaut hat sie ein österreichisches Unternehmen.

Kurz vor den olympischen Sommerspielen 2012 machte London diese Schlagzeile: Über die Themse sollte das fahren, was sonst in den Alpen zu sehen war - eine Seilbahn. Um das tägliche Verkehrschaos aus U-Bahnen, Bussen, Taxis und privaten Autos einzudämmen, baute der österreichische Gondelbauer Doppelmayr die erste urbane Seilbahn Europas. Eine Touristenattraktion, die Londons Norden mit dem Südufer der Themse verband, und sich zudem als valides Transportmittel erwies.
Zwei Jahre später ist London in den Hintergrund gerückt, der Superlativ ist jetzt im Altiplano von Bolivien zu finden. Gondeln zwischen der alten Regierungsstadt La Paz und der Arbeiterstadt El Alto bilden seit Mai die längste und höchste urbane Seilbahn der Welt. Zwischen 3.600 und 4.000 Metern über dem Meeresspiegel, bei dünner Luft und über unzähligen Häusern aus Backstein erstreckt sich das System über dreieinhalb Kilometer. 3.000 Passagiere können pro Stunde transportiert werden. Für den Stadtverkehr ist das eine Revolution.
Seit der Eröffnung boomt die Seilbahn. In den ersten acht Wochen registrierte die neugegründete staatliche Betreibergesellschaft Mi Teleférico zwei Millionen Fahrten. Alpine Seilbahnen transportieren in einer ganzen Wintersaison nicht so viele Personen. "Aber so langsam pendeln sich die Passagierzahlen auf einem normalen Niveau ein, weil die meisten Menschen, die die Seilbahn nur mal ausprobieren wollten, das mittlerweile getan haben", sagt Torsten Bäuerlen vom Seilbahnunternehmen Doppelmayr. "Viele der Passagiere sind Touristen, aber eigentlich ist die Seilbahn als Transportsystem für Pendler gedacht." Wie stark der Verkehr entlastet wird, muss noch abgewartet werden.
La Paz hat rund 800.000 Einwohner, das schnell wachsende El Alto, das über die Jahrzehnte durch Boliviens Landflucht angeschwollen ist, dürfte mittlerweile eine Million zählen. Der Pendlerverkehr hat die Straßen so sehr verstopft, dass eine Fahrt über wenige Kilometer zwischen den beiden angrenzenden Städten oft eine Stunde dauert. Von Stadtzentrum zu Stadtzentrum braucht die Seilbahn bei 18 Kilometern pro Stunde elf Minuten. Für innerstädtischen Verkehr eine recht hohe Geschwindigkeit, zumal es keine Unterbrechungen bei der Fahrt gibt.
Für den Gondelbauer Doppelmayr, der ursprünglich nur Skilifte baute, war die Umstellung überschaubar. Denn abgesehen davon, dass die städtischen Seilbahnen geschlossene Kabinen haben, sind die Unterschiede zwischen Skilift und Stadtgondel nicht sonderlich groß. Während alpine Seilbahnen etwa bei den Stationen kaum langsamer werden, müssen die urbanen Gondeln stärker abbremsen, damit Rollstuhlfahrer, schwangere Frauen oder ältere Menschen ein- und aussteigen können. Aus Sicherheitsgründen hat jede Kabine zwischen La Paz und El Alto einen Alarmknopf, über den sich die Fahrgäste mit dem Betreiber in Verbindung setzen können. Und weil das urbane System in Bolivien von 5:30 Uhr morgens bis nach zehn Uhr abends in Betrieb ist, sind anders als in den Gondeln der Skigebiete in den urbanen Kabinen kleine Lampen eingebaut.
In La Paz und El Alto, wo sich durch hohe Steigungen ein U-Bahnsystem kaum lohnen würde, ist die Seilbahn nun die Alternative zu den überfüllten Bussen und Taxis geworden. Aber auch anderswo auf der Welt könnten Seilbahnen in Zukunft eine Rolle im städtischen Verkehr spielen. In der venezolanischen Hauptstadt Caracas wird ein entsprechendes System derzeit ausgebaut, in Nigerias größter Stadt Lagos wird geplant.
Auch bei Boliviens Regierung kommt das System gut an. Staatspräsident Evo Morales, der das Bauprojekt maßgeblich vorantrieb, ließ sich mehrmals in einer Gondel ablichten. In La Paz und El Alto hängen überall riesige Poster mit seinem Konterfei und dem neuen Transportmedium. Und es soll damit nicht vorbei sein: zwei weitere Seilbahnlinien stehen kurz vor der Eröffnung. Die Regierung plant schon fünf zusätzliche Linien. Dann wären die Züge in der Luft von La Paz und El Alto mit elf Kilometern nicht nur das längste städtische Seilbahnnetzwerk der Welt, sondern auf absehbare Zeit auch das dichteste.
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
- ohne Werbung
- mit ausgeschaltetem Javascript
- mit RSS-Volltext-Feed
Die Leistung pro Richtung ist aber viel interessanter als die Gesamtleistung, weil sie...
Hast du den Artikel gelesen? Alle Gondeln sind Videoüberwacht und die Ausgänge mit...
gibt ja auch zu den ganzen Weltraumthemen kaum bis gar keinen IT-Bezug.
Blöd nur, dass man nicht dauernd abwärts fahren kann :D