Dokumentation Networld: Ein prägnanter Blick auf unser Leben in Netzwerken

Zu Beginn dieser Dokumentation wird es direkt historisch: Niall Ferguson(öffnet im neuen Fenster) , als Professor für Geschichte in Harvard tätig, führt in die Anfänge von Netzwerken ein. Zwar war Kommunikation niemals schneller und umfassender als heutzutage, das Wirken von Netzwerken war aber praktisch schon immer da.
Networld - Vernetzte Welt bietet einen prägnanten Blick auf diese Netzwerke. Die Dokumentation aus dem Jahr 2020 ist nun auch hierzulande auf DVD verfügbar(öffnet im neuen Fenster) und betrachtet in drei Folgen, wie das Netzwerk das Leben verändert, wie Netzwerke lukrativ werden können und wie es zum Krieg der Netzwerke kam.
Der Anfang
In der ersten Folge sieht sich der Historiker Ferguson an, wie Netzwerke früher funktionierten - in erster Linie in persönlicher Form, wenn Menschen sich auf dem Marktplatz trafen. Er zeigt aber auch, wie Wissen transportiert wurde und wie mit dem Beginn des Buchdrucks die Möglichkeit geschaffen wurde, eine Form von Netzwerk zu erschaffen: wenn nämlich überall im Land Menschen, die einander nicht kennen, das gleiche Buch lesen, die gleichen Informationen verarbeiten und zu ähnlichen Sichtweisen kommen.
Faszinierend ist hierbei auch der Vergleich, wie das Buch durch den Buchdruck günstiger wurde und entsprechend sehr viel mehr Käufer fand - so wie es knapp 500 Jahre später auch mit dem Computer der Fall war.
Darüber hinaus befasst sich die erste Folge mit der Frage, wie autonom ein Individuum eigentlich ist und inwiefern sein Netzwerk auf ihn einwirkt. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, wie das Verhalten einzelner das Verhalten anderer beeinflusst. Als Beispiel wird eine Studie genannt, die auf Fettleibigkeit in den USA abzielte und zeigte, wie sie zum Ende der 1990er Jahre einen Höhepunkt erreichte. Das Ergebnis war: Wer einen fettleibigen Menschen kannte, hatte eine 40 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, selbst zuzunehmen. Selbst wenn man ihn nur über zwei oder drei Ecken kannte, war noch immer eine höhere Wahrscheinlichkeit gegeben.

Das ist ein Beispiel für die Netzwerktheorie, nach der niemand losgelöst von den anderen ist. Das kann im Negativen wie im Positiven wirken.
Ein anderes Beispiel sind Echokammern. Sie gab es auch schon vor dem Internet, aber dieses hat sie forciert. Verschwörungstheoretiker, um nur ein Beispiel zu nennen, hatten erst durch die sozialen Netzwerke die Möglichkeit, sich in größerer Menge zu treffen und so zu einer kritischen Masse zu werden.
Wie Netzwerke Geld machen
In der zweiten Folge von Networld geht es um die Lukrativität von Netzwerken; genauer gesagt darum, dass eine kleine Gruppe von Menschen enorm davon profitiert, dass andere ihre Privatsphäre aufgeben, und immensen Reichtum anhäuft. Es geht aber auch um die utopischen Ideen, die hinter einem globalen Netzwerk stehen: das Überwinden von traditionellen Hierarchien, von Religion, von herkömmlichen Medien.
Letztlich ist nichts davon eingetreten. In erster Linie wurde Geld verdient und dazu trägt bei sozialen Netzwerken das Bedienen von Filterblasen bei.
Ferguson behandelt zentralisierte Hierarchien und dezentralisierte Netzwerke und vor allem, wie Letztere Erstere in den Grundfesten erschütterten. Eine Rolle spielt dabei auch das Gesetz der unbeabsichtigten Folgen(öffnet im neuen Fenster) , das der Soziologe Robert K. Merton im 20. Jahrhundert definierte.
Es sagt im Kern, dass etwas einen positiven Effekt haben kann, aber auch einen, der genau das Gegenteil des Beabsichtigten darstellt. Oder einen negativen Effekt, bei dem zwar das Beabsichtigte eintritt, dies aber mit einer Reihe von negativen Folgen einhergeht. Bezogen auf soziale Netzwerke wäre positiv, dass sie die Welt freier machen sollen; negativ wäre der Verlust von Privatsphäre und das Stärken extremer Strömungen.
Informationskrieg im Internet
Die dritte Episode befasst sich vor allem damit, wie Geschichten instrumentalisiert und verändert werden - beispielsweise die eines kleinen Mädchens, das von Flüchtlingen belästigt wurde. Im weiteren Verlauf wurde die Geschichte ausgebaut: aus einer Belästigung wurde eine Vergewaltigung und die Ethnie der Täter änderte sich.
Es ist eine Geschichte aus Idaho, die aber universell gültig ist, wenn es um das Aufbauschen und Verändern des Narrativs einer Nachricht geht. Ähnliche Vorfälle gab es auch in Deutschland(öffnet im neuen Fenster) . Ziel ist das Bedienen der eigenen Klientel und das Spalten der Gesellschaft - aus den unterschiedlichsten Gründen.
Networld - Vernetzte Welt behandelt ein komplexes Thema, das man sicher noch weitaus breiter hätte diskutieren können. Niall Fergusons Film bietet aber einen guten Startpunkt. Er ist eine gelungene, kompakte Dokumentation, die in prägnanter Form auf die Hintergründe und die Wirkungsweise moderner Netzwerke eingeht. Sie geht vom Kleinen bis zum Großen, von den Nutzern einer Plattform bis zu Staaten, die die neue Technik zur Überwachung nutzen.



