Zum Hauptinhalt Zur Navigation

Digitalstrategie: Lauterbach erwartet medizinische Revolution durch Chatbots

Statt Dr. Google wird künftig Dr. ChatGPT konsultiert: Dazu setzt die Regierung auf "rein digitale Angebote" in Medizin und Verwaltung.
/ Friedhelm Greis
13 Kommentare News folgen (öffnet im neuen Fenster)
Digitalminister Wissing und Gesundheitsminister Lauterbach präsentieren ihre Digitalstrategien. (Bild: Friedhelm Greis/Golem.de)
Digitalminister Wissing und Gesundheitsminister Lauterbach präsentieren ihre Digitalstrategien. Bild: Friedhelm Greis/Golem.de

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erwartet gravierende Veränderungen und Fortschritte in der Medizin durch Programme der künstlichen Intelligenz (KI). Die Nutzung von Systemen auf Basis von Large Language Models (LLM) wie ChatGPT werde die Medizin "komplett verändern" , sagte der SPD-Politiker am 23. April 2023 in Berlin. So könnten Menschen mit den Daten aus der elektronischen Patientenakte (ePA) sich mithilfe solcher Programme eine Prognose oder Diagnose stellen lassen. Auch in ärztlichen Praxen könnten solche Systeme zum Einsatz kommen.

Nach Ansicht Lauterbachs können diese Systeme künftig auch wissenschaftliche Fachartikel auswerten. Dabei sollen die Programme nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse zusammenfassen, sondern "auch selbst Wissenschaft machen" . Denn oft entstünden neue Erkenntnisse aus der Zusammenfassung der wissenschaftlichen Arbeit. "Das kann natürlich ein solches Large Language Model viel besser, als das ein einzelner Mensch machen kann" , sagte der Minister.

Digital als "neues Normal"

Lauterbach stellte auf der Veranstaltung in Berlin(öffnet im neuen Fenster) zusammen mit Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) die Entwicklungen der Digitalstrategie der Bundesregierung vor. Demnach will die Regierung künftig verstärkt auf rein digitale Angebote setzen.

"Digital muss das neue Normal in Deutschland werden" , sagte Wissing. Er wolle "noch stärker auf durchgehende Digitalisierung setzen und analoge Prozesse nach und nach ablösen" . Als Beispiel nannte Wissing das neue Deutschlandticket , die elektronische Kfz-Zulassung und die Energiepreispauschale für Studenten. Die möglichen Einsparungen an Geld und Personalkosten sollten an die Bürger weitergegeben werden.

"Patienten sind tot, bevor die Daten da sind"

Lauterbach selbst hatte bereits Anfang März 2023 seine Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen vorgestellt . Deren Kernpunkte sind ein Digitalgesetz, das den Behandlungsalltag mit digitalen Lösungen verbessern soll, sowie ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz, mit dem Gesundheitsdaten für die Forschung erschlossen werden sollen.

Vor allem die schnelle und einfache Nutzung der Daten ist für Lauterbach ein wichtiges Anliegen, beispielsweise, um Zweitmeinungen anderer Ärzte einzuholen. "Oft sind die Menschen schon operiert oder im Ernstfall verstorben, bevor wir die Daten komplett haben" , sagte der Gesundheitsminister.

Falsche Medikamentierung verhindern

Zudem sei die Verfügbarkeit der Daten wichtig, um beispielsweise eine falsche Medikamentierung zu vermeiden. Es passiere "unfassbar häufig" , dass sich die Wirkungen von Medikamenten gegenseitig aufhöben, sagte Lauterbach. Auch unerwünschte Nebenwirkungen könnten dadurch eher verhindert werden.

Um die Menschen zur Nutzung der ePA und zur Freigabe ihrer Daten zu Forschungszwecken zu bewegen, will die Lauterbach eine "große Transparenzoffensive fahren" . Dabei solle unter Vermeidung von Digitaljargon auf die Vorteile der Datennutzung für die einzelnen Patienten hingewiesen werden.

Firmen drohen mit Abwanderung wegen fehlender Daten

Allerdings hat der Gesundheitsminister auch die Vorteile der Patientendaten für die medizinische Forschung im Blick. Es drohe eine Abwanderung von Pharmakonzernen in andere Weltregionen, wenn hierzulande die Forschungsdaten nicht zur Verfügung stünden. "Im Moment verlassen uns viele Unternehmen, die eigentlich immer da gewesen sind, und die den Standort schätzen" , sagte Lauterbach.

Zur Begründung sagten die Firmen: "War haben alles, wir haben viel, aber wir haben nicht die Daten. Uns fehlen die Daten." Bestimmte Arten von Studien und Therapien könnten in Deutschland nicht mehr so gut vorgenommen werden wie früher, "weil wir einen Datennachteil haben, wir sind nicht digital" , sagte der Minister.

Hausärzte konsultieren die KI

Nach der Vorstellung Lauterbachs soll die elektronische Patientenakte auch die ärztliche Nachversorgung nach einer Operation verbessern, vor allem bei seltenen Krankheiten. Durch den Zugriff auf die erläuterten Befunde könnten Hausärzte mithilfe von KI-Systemen herausfinden, worauf bei der Behandlung geachtet werden müsse. Die gleichen Modelle stünden auch den Patienten zur Verfügung. Diese könnten beispielsweise herausfinden, wie sie ihren Lebensstil ändern müssten.

Bei unerwarteten Komplikationen könnten wiederum die Hausärzte auf telemedizinische Weise mit Spezialisten Kontakt aufnehmen oder direkt mit der Klinik beraten. Das sei eine "dramatische Veränderung" . Somit arbeiteten plötzlich alle im Team. Das sei die Überwindung der verkrusteten Strukturen der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, sagte Lauterbach.

Der Gesundheitsminister will beide Gesetzesvorschläge zeitgleich ins Kabinett einbringen. Einen genauen Zeitplan dafür nannte er jedoch nicht. Die Ressortabstimmung solle in den kommenden Wochen starten. Unter anderem sollen bis Ende 2024 für alle gesetzlich Versicherten digitale Akten eingerichtet werden - es sei denn, man lehnt das aktiv ab. Gespeichert werden können darin etwa Befunde, Röntgenbilder und Medikamentenlisten. Als freiwilliges Angebot wurden die E-Akten schon 2021 eingeführt (g+), aber nur ein Bruchteil der 74 Millionen Versicherten nutzt sie. Erklärtes Ziel bis 2025 ist, dass 80 Prozent der gesetzlich Versicherten E-Akten haben.


Relevante Themen