Digitalisierung von Firmen: Von wegen Megaprojekt
Wenn Firmen "sich digitalisieren" wollen, klingt das nach einem einzigen Megaprojekt. In der Praxis besteht Digitalisierung aus vielen Teilprojekten.

Es gibt zwei Sätze, die viele Menschen wohl nicht mehr hören können: "Die Corona-Pandemie ist noch nicht vorbei" und "Deutschland muss bei der Digitalisierung aufholen". Die Lücken in der Digitalisierung sind während der zwei Pandemiejahre in einigen Bereichen sehr deutlich geworden, geredet wird über den Nachholbedarf aber schon viel länger.
- Digitalisierung von Firmen: Von wegen Megaprojekt
- Eine ganze Firma auf einmal zu digitalisieren, geht nicht
Dabei wird in den Unternehmen oft darüber gestöhnt und der Eindruck vermittelt, dass "die Digitalisierung" ihrer Firma ein Megaprojekt sei, bei dem kein Stein auf dem anderen bleibt und das sich deswegen ewig hinzieht. Auf der anderen Seite steht das Vorurteil, dass viele Firmen "digitalisieren", indem sie ihr Fax abschaffen und E-Mail einführen oder ihre Zettelwirtschaft durch Excel ersetzen. Wir haben bei zwei IT-Dienstleistern nachgefragt, die Unternehmen bei der Umstellung begleiten, wie Digitalisierung bei ihren Kunden aussieht.
Thorsten Krüger ist ein erfahrener Digitalisierungsexperte im IT-Systemhaus Bechtle und weiß, wie vielgestaltig Digitalisierung sein kann. Wenn analoge Daten digital werden, etwa von der Schallplatte zur CD zum Audiostreaming, heißt das "Digitalisierung". Aber auch, wenn eine ganze Branche wie die Musikindustrie neue Geschäftsmodelle entwickelt, um mit diesen digitalen Daten Geld zu verdienen.
In der Fertigungsindustrie bedeutet Digitalisierung wieder etwas anderes: Hier geht es vor allem darum, alle Produktionsprozesse digital zu erfassen, um automatisiert fertigen zu können. Die Bezeichnung dafür ist "Industrie 4.0" und wird ebenfalls oft synonym mit "Digitalisierung" verwendet.
Auch die Einführung neuer Kommunikations- und Collaborations-Tools während der Pandemie läuft unter diesem Begriff. Aktuell gehe es in vielen Kundenprojekten um Firewalls und Verschlüsselung, um die in Eile und Not implementierten Tools sicher zu machen, sagt Krüger.
Große Unternehmen sind bei der Digitalisierung weiter als kleine, stellt Krüger fest. Das gilt auch für moderne Branchen wie die Telekommunikation und andere, in denen IT weit verbreitet ist. Die Automobilindustrie sei bereits weit und die Fertigungsindustrie wolle alles optimieren, was mit Industrie 4.0 machbar sei. Währenddessen fangen Handelsunternehmen erst damit an, ihre Ware auch online anzubieten.
Krüger spricht aus langjähriger Erfahrung, betreut aber mittlerweile keine Projekte vor Ort mehr. Das machen seine Mitarbeiter, wie Sascha Vilz. Einer von Vilz' Kunden ist ein Personaldienstleister mit etwa 5.000 Beschäftigten, der von Bechtle den Einstellungsprozess neuer Mitarbeiter automatisieren lässt. Bislang erfolgt der manuell. "Zunächst habe ich geklärt, ob die einzelnen Schritte automatisierbar sind", sagt Vilz. Das Ergebnis: 80 Prozent der Schritte lassen sich mit leichten Anpassungen automatisieren.
Bisher schickt der Abteilungsleiter eine Checkliste an die Personalabteilung, in der steht, was alles erledigt werden muss, bis der neue Kollege anfängt. Die Personalabteilung druckt die Liste aus und füllt sie händisch aus. Mit der Hauspost geht sie an alle Beteiligten.
Automatisierte Prozesse beim Recruiting und Onboarding
Automatisiert läuft dieser Prozess so ab, dass das Formular im Intranet zur Verfügung gestellt, digital ausgefüllt wird und alle Beteiligten darauf Zugriff haben. "Digitalisierung wird nun daraus, indem das Onboarding mit anderen Prozessen und Abläufen verknüpft wird", sagt Vilz. Vor jeder Einstellung findet ein Bewerbungsprozess statt. Endet der mit einer Einstellung, kann automatisch das Onboarding gestartet werden.
Vilz' Kollege Moritz Dierberger nutzt in seinem Digitalisierungsprojekt künstliche Intelligenz, um die Qualität in der Fertigung eines Maschinenbauers mit etwa 6.000 Beschäftigten zu erhöhen. An den Fertigungsmaschinen überwachen Sensoren die Produktionsparameter. In der anschließenden Qualitätskontrolle werden die gefertigten Teile in einem bildgebenden Verfahren mit schadensfreien Mustern verglichen. Die Fotos der produzierten Teile werden künstlich generiert.
Das geht viel schneller als mit real aufgenommenen Fotos, die zudem wegen diffuser Lichtverhältnisse, etwa weil jemand an der Maschine nebenan schweißt, unscharf sein können. "Die Sensordaten und die Bilddateien werden an einen Rechner geschickt, an dem Applikationen laufen, die beide Quellen zusammenführen und auswerten", sagt Dierberger. Schadhafte Teile können aussortiert und die Fehlerquellen in der Fertigungssteuerung korrigiert werden.
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Eine ganze Firma auf einmal zu digitalisieren, geht nicht |
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Ich schließe das daraus, dass mir ein Chatbot noch nie (also noch nicht ein ein einziges...
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