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Lorawan, IoT, 5G und jedes Haus mit Glasfaser

Golem: Kommunikationsinfrastrukturen fehlen in Deutschland vielerorts. In Etteln hat heute jedes Haus Glasfaseranschluss, außerdem wurde ein Long Range Wide Area Network eingerichtet, überall im Ort gibt es 5G und es wird Narrow Band IoT genutzt – eine Funktechnologie für das Internet der Dinge. Wie baut eine kleine Gemeinde so eine Infrastruktur auf?

Ahle: Zu einem nicht unerheblichen Teil in Eigenleistung.

Golem: Ehrlich?

Ahle: Ja, Borchen nahm Ende des vergangenen Jahrzehnts als einzige Gemeinde im Landkreis Paderborn nicht am Weiße-Flecken-Programm der Bundesregierung(öffnet im neuen Fenster) teil. Dabei übernahm der Bund zwar 90 Prozent der Kosten des Glasfaserausbaus im Außenbereich. Die verbleibenden zehn Prozent waren dem damaligen Bürgermeister aber zu viel.

Deshalb haben wir in Etteln die Ärmel hochgekrempelt und in 3.500 ehrenamtlichen Arbeitsstunden 30 Kilometer Glasfaserleitungen im Außenbereich verlegt. Wir haben 55 Häuser und Höfe angeschlossen. Im Ortskern hat das die Deutsche Glasfaser gemacht, weil es sich dort für das Unternehmen lohnte.

Golem: Wie haben Sie das finanziert?

Ahle: Hätten wir das mit Infrastrukturbetreibern gemacht, hätte uns der Ausbau 2,7 Millionen Euro gekostet. Das hatte ein Fachbüro geschätzt. Wir haben am Schluss 100.000 Euro investiert. Davon übernahm die Gemeinde die Hälfte, 40.000 Euro zahlten die Eigentümer der Immobilien, die wir anschlossen.

Die restlichen 10.000 Euro für Versicherungen, die Betriebsmittel der Maschinen, die wir kostenlos gestellt bekamen, Bratwurst und Bier kamen durch Spenden zusammen. Außerdem waren wir mit dem Projekt nach einem halben Jahr fertig. Andere Gemeinden haben teils bis zu sechs Jahre gebraucht.

Golem: Wie weckt eine Gemeinde ein derartiges Engagement und eine solche Beteiligung ihrer Bürger am Dorfleben?

Ahle: Das hat hier Tradition. Wir haben in Etteln schon Brücken selbst gebaut und Wege gepflastert. Die Bereitschaft, sich einzubringen, gehört zum Selbstverständnis der Menschen hier. Was uns allerdings gelang, ist diese Bereitschaft und die Fähigkeit, die es für kompetente ehrenamtliche Arbeit braucht, von der analogen in die digitale Welt zu überführen.

Golem: Wie meinen Sie das?

Ahle: In unserer Region gibt es eine hohe Dichte von IT-Firmen. Entsprechend arbeiten hier viele Menschen, die sich mit digitalen Technologien auskennen. Auch in Etteln haben wir ein IT-Unternehmen. Das kommt daher, dass Siemens Nixdorf seinen Hauptsitz bis Ende der 1990er Jahre in Paderborn hatte – nur 15 Kilometer von Etteln entfernt. Diese IT-Kompetenz hat sich in Etteln mit der Kultur des ehrenamtlichen Engagements verbunden.

Golem: Wie ging es nach dem Aufbau der Infrastruktur auf dem Weg zum smartesten Dorf der Welt weiter?

Ahle: Wir haben eine Digitalisierungsstrategie erstellt und Förderprogramme gesucht, um sie umsetzen zu können. Allerdings war der Eigenanteil bei vielen Programmen so groß, dass unser damaliger Kämmerer sagte: Digitalisierung könnten wir uns nicht leisten. Wenn die Gemeinde mehr als ein Drittel der Kosten dafür aus einem Haushalt nehmen muss, der schon strukturell nicht ausgeglichen ist, ginge das nicht.

Golem: Und dann?

Ahle: Haben wir uns Fördermöglichkeiten für kleinere Projekte gesucht, darunter auch die für unser Kernprojekt Digitaler Ortszwilling Etteln(öffnet im neuen Fenster) . Gefördert wird es vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Heimat. Es fördert gemeinnützige eingetragene Vereine im Rahmen des Programms sogar zu hundert Prozent. Deshalb haben wir ein Konsortium gegründet, zu dem auch der Verein Etteln-aktiv gehört.

Golem: Wie sieht der digitale Zwilling des Dorfes aus, den Sie im Rahmen des Projekts aufgebaut haben?

Ahle: Wir haben auf Grundlage von Fiware, der Open-Source-Technologie für die Digitalisierung von Städten und Gemeinden, eine Plattform in Etteln eingerichtet. An die haben wir über die Funknetze, die wir haben, eine Vielzahl von Sensoren angebunden.

Diese messen vom Grundwasserspiegel und Flusspegel der Altenau über die Regenmenge, Bodenfeuchte sowie Schneehöhe bis zum Füllstand der Altkleidercontainer, der Zahl der Autos und Fahrräder, der Luftqualität sowie den meteorologischen Werten unzählige Daten. Diese beschreiben, was um uns herum passiert. Alle Informationen bilden wir in Echtzeit in einem dreidimensionalen Zwilling des Dorfes ab.

Um den zu modellieren, hat ein Dienstleister das Dorf mit einer Drohne überflogen. Die erstellte mit einem Lidar-Sensor eine Punktwolke des Ortes. Anschließend wurde das Gerüst texturiert. So bekamen wir ein lebensechtes dreidimensionales, digitales Abbild von Etteln.


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