Digitale-Dienste-Gesetz: EU-Kommission will Ordnung ins Online-Chaos bringen

Gut 20 Jahre nach der wegweisenden E-Commerce-Richtlinie will die EU-Kommission die Internetwirtschaft neu regeln. Das am Dienstag in Brüssel vorgestellte Digitale-Dienste-Gesetz(öffnet im neuen Fenster) will dabei das sogenannte Providerprivileg nicht aufweichen. Allerdings sehen die 74 Artikel des Entwurfs (PDF)(öffnet im neuen Fenster) umfangreiche Auflagen vor, was beispielsweise den Umgang mit unzulässigen oder rechtswidrigen Inhalten betrifft.
Eine generelle Pflicht zur Überwachung der bereitgestellten Inhalte, beispielsweise durch Uploadfilter, wird aber ausdrücklich verneint. Für "sehr große Online-Plattformen" mit mehr als 45 Millionen Nutzern in der EU gelten zusätzliche Auflagen. Als Verordnung hätte das Gesetz unmittelbare Wirkung in allen Mitgliedstaaten.
Das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG, engl: Digital Services Act/DSA) ist einer von zwei Rechtsakten, mit denen die Kommission den digitalen Binnenmarkt neu regeln und voranbringen will. Den zweiten Rechtsakt, das Digitale-Märkte-Gesetz (PDF)(öffnet im neuen Fenster) , stellten Digitalkommissar Thierry Breton und Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ebenfalls vor. Ziel der Gesetze ist es laut Vestager, "Ordnung in das Chaos zu bringen," das in der Online-Welt derzeit noch herrsche. Sie wolle die Online-Welt "sicher und zuverlässig machen" , damit man den Inhalten trauen könne.
Umgang mit illegalen Inhalten
Ziel des Gesetzes ist es unter anderem, die Löschung von illegalen Inhalten und den Umgang mit Nutzerbeschwerden EU-weit einheitlich zu regeln. Eine "unkontrollierte Regulierungswut" , wie sie von der Kommission im deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) gesehen wurde , soll damit möglichst der Vergangenheit angehören. Das bisherige Prinzip des Notice-and-Takedown aus der E-Commerce-Richtlinie wird in Artikel 7 des DDG durch ein Prinzip des Notice-and-Action ersetzt.
Allerdings macht das Gesetz - anders als NetzDG - keine konkreten Vorgaben, welche illegalen Inhalte innerhalb welchen Zeitraums entfernt werden müssen. Dabei sind "illegale Inhalte" sehr weitreichend definiert als "alle Informationen, die für sich oder in Verbindung mit einer Aktivität, einschließlich des Verkaufs von Produkten oder der Erbringung von Dienstleistungen" , nicht vereinbar mit dem EU-Recht oder dem Recht eines Mitgliedstaats sind, unabhängig vom genauen Thema oder der Art des Gesetzes.
Digitale-Dienste-Koordinatoren
Die Plattformen sollen ordnungsgemäß eingereichte Beschwerden "zeitnah, sorgfältig und objektiv" bearbeiten. Im Falle einer Löschung von Inhalten sollen dem betroffenen Nutzer die Entscheidungsgründe genannt werden, wozu auch die Angabe des Rechtsverstoßes zählt. Dabei muss dem Nutzer auch auf Rechtsbehelfe hingewiesen werden. Der Plattformen sollen alle Entscheidungen sowie deren Begründungen in einer öffentlich zugänglichen Datenbank publizieren, die jedoch keine personenbezogenen Daten enthält.
Ebenso wie das NetzDG sieht auch das DDG ein internes Beschwerdeverfahren und ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren vor. Dafür soll es in jedem Mitgliedsland sogenannte Digitale-Dienste-Koordinatoren geben. Auch die Plattformen selbst sollen solche Koordinatoren bestimmen.
Besondere Auflagen gelten für "sehr große Plattformen" , mit denen "systemische Risiken" reduziert werden sollen.
Jährliche Risikoeinschätzung gefordert
Diese Anbieter mit mehr als 45 Millionen Nutzern in der EU sollen unter anderem einmal jährlich eine Risikoabschätzung erarbeiten. Diese soll einschätzen, welche Gefahren durch den Dienst für die Verbreitung illegaler Inhalte, die Missachtung von Grundrechten wie Meinungsfreiheit und deren Manipulation drohen. Dazu sollen die Dienste auch die Auswirkungen ihrer Systeme für die Moderation und Empfehlung von Inhalten sowie die Auswahl und Darstellung von Anzeigen berücksichtigen.
Die großen Plattformen müssen laut Artikel 27 "vernünftige, angemessene und wirksame Maßnahmen" ergreifen, um die erkannten Risiken zu minimieren. Das betrifft beispielsweise die Inhaltemoderation oder die Empfehlungssysteme. Die EU-Kommission soll demnach in Zusammenarbeit mit dem Koordinator "allgemeine Richtlinien" erlassen, um die Risiken zu minimieren. Datenschützer wie der Europaabgeordnete Patrick Breyer befürchten, dass dazu auch der Aufbau von Filtersystemen gehören könnte, um illegale Inhalte vorab zu löschen.
Neue EU-Behörde geplant
Der Verordnungsentwurf enthält außerdem Vorgaben für die Aufstellung allgemeiner Verhaltungsregeln sowie die Funktionen des behördlichen Digitale-Dienste-Koordinators. Laut Artikel 42 sollen Bußgelder bei Verstößen nicht mehr als sechs Prozent des jährlichen Firmenumsatzes betragen. Bei Unternehmen wie Facebook geht das jedoch in die Milliarden.
Wie bereits erwartet, will die EU-Kommission auch eine neue europäische Aufsichtsbehörde schaffen. Diese soll die Kommission und die nationalen Aufsichtsbehörden beraten. Zu den Aufgaben könnte auch die Koordinierung internationaler Untersuchungen von IT-Anbietern gehören.
Das Digitale-Dienste-Gesetz muss nun noch vom Europaparlament und den EU-Mitgliedstaaten verabschiedet werden. Nach dessen Inkrafttreten ist bislang eine Frist von drei Monaten zur Umsetzung der Vorgaben vorgesehen.



