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Digitale-Dienste-Gesetz beschlossen: Bundestag bessert bei DSA-Umsetzung leicht nach

Die Ampel kann sich nicht durchringen, das NetzDG komplett abzuschaffen. Das soll nun durch ein Gesetz gegen digitale Gewalt möglich werden.
Aktualisiert am , veröffentlicht am / Friedhelm Greis
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Die Ampel gibt grünes Licht für das Digitale-Dienste-Gesetz. (Bild: Liesa Johannssen/Reuters)
Die Ampel gibt grünes Licht für das Digitale-Dienste-Gesetz. Bild: Liesa Johannssen/Reuters

Anbieter sozialer Netzwerke ohne Firmensitz oder Niederlassung in der EU müssen auch künftig einen Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland benennen. Das sieht das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) vor, das der Bundestag am 21. März 2024 mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP beschlossen hat(öffnet im neuen Fenster) . Deutschland setzt mit dem Gesetz die Vorgaben des EU-weiten Digital Services Act (DSA) in nationales Recht um. Als nationaler Koordinator für digitale Dienste (KDD) soll künftig die Bundesnetzagentur fungieren.

Da es sich beim DSA um eine EU-Verordnung handelt, gelten die entsprechenden Regelungen unmittelbar in den 27 Mitgliedstaaten. Daher schafft das DDG bestehende Gesetze zu Internetregulierung wie das Telemediengesetz (TMG) ganz und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) in wesentlichen Teilen ab.

NetzDG bleibt als Rumpf bestehen

Bestehen bleibt hingegen der bisherige Paragraf 5 des NetzDG(öffnet im neuen Fenster) , der Anbieter sozialer Netzwerke zur Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten verpflichtet. Das betrifft künftig jedoch nur solche Netzwerke, bei denen "kein anderer Mitgliedstaat Sitzland ist oder als Sitzland gilt" . Damit geht Deutschland über die Regelungen des DSA hinaus, was in einer Expertenanhörung im Bundestag als möglicherweise unzulässig bezeichnet wurde.

In anderen Punkten griffen die Abgeordneten hingegen Hinweise der Experten auf. So wird die Leitung der Koordinierungsstelle laut Ausschussempfehlung (öffnet im neuen Fenster) in ihrer Unabhängigkeit gestärkt. Nun heißt es in dem Gesetz: "Die Leiterin oder der Leiter der Koordinierungsstelle für digitale Dienste muss zur Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben und zur Ausübung ihrer oder seiner Befugnisse über die erforderliche Qualifikation, Erfahrung und Sachkunde insbesondere im Bereich der Geschäftsmodelle digitaler Dienste und über Kenntnisse des Rechtsrahmens digitaler Dienste verfügen."

Einfaches Beschwerdeverfahren für Nutzer

Die Position soll nach öffentlicher Ausschreibung besetzt werden. Der Präsident der Bundesnetzagentur soll bei der Ausübung seines Vorschlagsrechts unabhängig handeln. Mögliche Interessenkonflikte sollen dadurch eingeschränkt werden, dass die Leitung der Koordinierungsstelle weder ein Unternehmen der Digitalwirtschaft innehaben noch leiten oder Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates eines Unternehmens der Digitalwirtschaft sein darf. Ebenfalls darf sie keiner Regierung oder dem Bundestag beziehungsweise einem Landtag angehören.

Aufgegriffen wurde zudem die Anregung, die Eingabe von Nutzerbeschwerden bei der Koordinierungsstelle möglichst einfach zu gestalten. Das einzurichtende Beschwerdemanagementsystem soll "leicht zugänglich und benutzerfreundlich" sein und "die Einreichung hinreichend präziser und angemessen begründeter Beschwerden" ermöglichen.

Dabei geht es jedoch nicht um illegale Inhalte, die Nutzer direkt bei den Plattformen melden müssen. Doch wenn diese nicht schnell genug entfernt werden oder wenn Inhalte entfernt werden, die nach Meinung der Nutzer zulässig sind, soll die KDD aktiv werden.

Etwas verbessert wurde zudem die Stellung des unabhängigen Beirats der Koordinierungsstelle.

Transparente Arbeit des Beirates

Künftig sind die schriftlichen Dokumente des Beirats wie Berichte, Empfehlungen, Gutachten und Positionspapiere "frei zugänglich auf der Internetseite der Koordinierungsstelle für digitale Dienste zu veröffentlichen" . Dem Gesetz zufolge gehören dem Beirat 16 Mitglieder an. Dazu gehören vier Vertreter der Wissenschaft, acht Vertreter der Zivilgesellschaft, wozu auch die Verbraucherschützer gehören sowie Vertreter von Wirtschaftsverbänden. Unternehmen können nicht dem Beirat angehören.

Präzisiert wurde vom federführenden Digitalausschuss zudem die Passage, wonach die Koordinierungsstelle in den Räumlichkeiten der Anbieter von Vermittlungsdiensten Nachprüfungen vornehmen dürfen. Dies ist in Artikel 51 des DSA vorgesehen. Nun heißt es dazu ergänzend: "Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt." Eine solche Formulierung ist erforderlich, wenn Grundrechte durch ein Gesetz eingeschränkt werden.

Vorschlag zu Gesetz gegen digitale Gewalt

Mit den Stimmen der Koalition sowie der Linke-Gruppe wurde zudem eine zusätzliche Entschließung angenommen. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, die Regelung zum inländischen Zustellungsbevollmächtigten in ein Gesetz gegen digitale Gewalt zu übernehmen. Ebenfalls solle die Regierung prüfen, inwieweit die Regelungen für einen Zustellungsbevollmächtigten auch für Unternehmen mit einem Sitz in einem europäischen Mitgliedstaat übernommen werden könnten.

Darüber hinaus solle die Regierung prüfen, wie die Impressumspflicht im DDG so gefasst werden könne, "dass sich vulnerable Gruppen gegen digitale Gewalt schützen können" . Dabei gehe es insbesondere darum, "welche europarechtlichen Möglichkeiten es gibt, eine Kontaktierbarkeit auf anderem Weg als durch die Angabe der Wohnadresse sicherzustellen" .

Die EU-weiten Vorgaben des DSA traten bereits am 17. Februar 2024 in Kraft. Da zu diesem Zeitpunkte das Digitale-Dienste-Gesetz noch nicht in Kraft getreten war, konnte die Koordinierungsstelle offiziell noch nicht ihre Arbeit aufnehmen . Die verzögerte Verabschiedung wirkt sich nach Einschätzung der Linken auf die Arbeit der Koordinierungsstelle in diesem Jahr aus. Dadurch stünden der Bundesnetzagentur derzeit statt 75 nur 15 Planstellen zur Verfügung. Denn bei den Haushaltsverhandlungen sei die erforderliche Rechtsgrundlage noch nicht vorhanden gewesen. Die Bundesnetzagentur werde ihre Aufgaben somit erst im Jahr 2025 in vollem Umfang wahrnehmen können. Ebenfalls monierte die Linke, dass die für den Forschungsbereich vorgesehenen 300.000 Euro nicht ausreichend seien.

Nachtrag vom 21. März 2024, 15:25 Uhr

Der IT-Branchenverband Eco kritisierte in einer Stellungnahme das Festhalten der Ampel an der Möglichkeit, den Zugang zu illegalen Inhalten durch Netzsperren einzuschränken. "Netzsperren sind weder ein gangbares noch ein effizientes Mittel bei der Bekämpfung illegaler Inhalte im Internet. Im Gegensatz zum Entfernen rechtswidriger Inhalte auf Hosting-Ebene führen Netzsperren lediglich zu einer Zugangserschwerung - und diese kann, wie der Name schon andeutet, jederzeit umgangen werden" , sagte Eco-Vorstandschef Oliver Süme.

Der Verband verwies statt dessen auf das sogenannte Notice and Take Down-Verfahren. Dieses habe sich mittlerweile als Standardverfahren bewährt und stelle eine solide Rechtsgrundlage für die Rechtsdurchsetzung im Internet darstelle.


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