Digital Markets Act: Zwölf Suchmaschinen stehen zur Wahl

Am 7. März 2024 können europäische Internetnutzer beim Aufrufen ihres Smartphone-Browsers unter zwölf Anbietern ihren Standard-Webbrowser beziehungsweise ihre Standard-Suchmaschine wählen. Dieser Auswahldialog wird einmalig angezeigt. Danach lässt sich der Standard-Browser wie bisher in den Einstellungen wechseln.
Der Digital Markets Act (DMA) verpflichtet Google für alle Android-Geräte und Apple für alle iPhones dazu, einen Auswahlbildschirm beim Öffnen von Chrome beziehungsweise Safari einzublenden. Das soll für mehr Wettbewerb und Chancen unter den Suchmaschinen-Anbietern führen. Bei Verstoß gegen die Vorgaben drohen Geldbußen in Höhe von bis zu 10 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.
Safari und Chrome haben bis heute die Suchmaschine Google voreingestellt. Diese bislang unangefochtene Zugangsposition führte zu einem Marktanteil von 95 Prozent(öffnet im neuen Fenster) in Europa. Für die anderen Anbieter hat das teils absurd anmutende Konsequenzen.
So sagt der Ecosia-Gründer und -Geschäftsführer Christian Kroll: "Wir sind die größte europäische Suchmaschine - allerdings haben wir aktuell nur einen Marktanteil von 0,28 Prozent in Deutschland." Er setzt darauf, mit der Wahl am 7. März noch ein paar mehr Prozente zu holen.
Die ehemalige Google-Managerin Marissa Meyer sagte einmal, man habe nicht die beste Suchmaschine, habe aber die Zugangspunkte am besten besetzt. Die zementierte Zugangsposition verhindert den Aufbau von konkurrenzfähigen eigenen Such-Indizes. Denn der Index von Google oder Bing basiert auch auf der Schwarmintelligenz der Nutzer. Google nutzt nach eigenen Angaben (öffnet im neuen Fenster) "aggregierte und anonymisierte Interaktionsdaten, um zu beurteilen, ob Suchergebnisse für bestimmte Anfragen relevant sind" .
So musste etwa Neeva(öffnet im neuen Fenster) 2023 trotz finanzieller Unterstützung aufgeben, weil der Zugang zu den Nutzern nicht gegeben war. Die durch die Default-Einstellung zementierte Marktposition des Gatekeepers Google soll nun im Smartphone-Bereich aufgebrochen werden.
Welche Suchmaschine darf es sein?
Der Entscheidung, welche Anbieter in welcher Reihenfolge auf dem Auswahl-Screen angezeigt werden sollen, ging ein langer Prozess voraus. In einer ersten Version soll wieder Google an erster Stelle mit voreingestelltem Button präsentiert worden sein.
Das musste nachgebessert werden. Die endgültige Auswahl(öffnet im neuen Fenster) ist für Android bereits seit Monaten bekannt, Apple veröffentlichte seine Liste(öffnet im neuen Fenster) erst im Februar 2024.
Das Dilemma der Wahl
Beide Tech-Konzerne führen unterschiedliche Listen je nach EU-Mitgliedstaat. Dabei orientieren sie sich vermutlich an den Marktanteilen. Die aktuellen Marktanteile lassen sich etwa bei Statcounter verfolgen(öffnet im neuen Fenster) .
Die genauen Auswahlkriterien bei Android sind nicht bekannt. Apple gibt unter anderem an(öffnet im neuen Fenster) , dass die Browser-App mindestens 5.000 Mal in allen EU-App-Stores heruntergeladen werden musste.
Apple führt in alphabetischer Reihenfolge folgende Anbieter an: Aloha, Brave, Chrome, Duckduckgo, Ecosia, Edge, Firefox, Onion Browser, Opera, Safari, Yandex und You.
Android führt als Top 5 Bing, Duckduckgo, Google, Yahoo und Yandex an. Es folgen Brave, Ecosia, Info.com, Karma, Metager, Mojeek, Nona, Oceanhero, Panda Search, Presearch, Privacywall, Quendu.com, Qwant und Yep.
Die Suchen der Anbieter basieren auf dem Google- und dem Bing-Index. Ein europäischer Suchindex ist mit dem EU-Projekt Open Web Search(öffnet im neuen Fenster) derzeit erst im Aufbau. Dabei verfolgen die Anbieter unterschiedliche Konzepte. So arbeitet Ecosia entweder mit Microsoft Bing oder, nach Einwilligung der Nutzer, mit Google zusammen, um Suchergebnisse und Werbeanzeigen bereitzustellen. Duckduckgo setzt hingegen nur auf Bing.
Hinsichtlich der Such-Indizes ist also die Auswahl nicht wirklich groß. Gleichwohl haben Anbieter wie Ecosia, Duckduckgo oder Onion weitere Features implementiert, die das Sucherlebnis anders gestalten. Bei Ecosia steht sogar ein anderes, gemeinwohlorientiertes Geschäftsmodell hinter der Suche. Die Frage des Geschäftsmodells könnte daher ein wichtiges Kriterium für Nutzer sein, die Standard-Suchmaschine zu ändern.
Bei zu großer Auswahl wählen viele das Bekannte
Doch das alles geht aus dem Auswahlmenü nicht hervor. Daher zeigt sich Ecosia-Chef Christian Kroll mit der Gestaltung des Auswahlbildschirms nicht zufrieden: "Da stehen jetzt Namen, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Genau das könnte dazu führen, dass die User sich für das entscheiden, was sie eh schon kennen - und nicht wirklich eine Alternative wählen."
In der Verhaltensforschung ist das als Dilemma der Wahl bekannt: Ist die Auswahl zu groß, entscheidet sich der Mensch eher für das, was er bereits kennt. Und das könnte wieder Google sein.
34 Unternehmen und Organisationen wandten sich jetzt in einem Brief an die EU-Kommission(öffnet im neuen Fenster) , um darauf hinzuweisen, dass die geplanten Veränderungen seitens Apple nicht genügen, um die neuen EU-Vorschriften einzuhalten. Die Veränderungen betreffen nämlich nicht nur Browser und Suchmaschine, sondern auch das Bezahlsystem und den App-Store. Die EU-Kommission will nach dem 7. März die Umsetzung überprüfen.



