Deutschlandstart vor 30 Jahren: Was ist von Akte X geblieben?

Der US-Produzent und Drehbuchautor Chris Carter war als Kind ein großer Fan der TV-Serie Kolchak - The Night Stalker, in der ein Reporter auf mysteriöse Verbrechen stößt. "Ich liebte die Serie und wusste schon damals, dass ich einmal etwas erschaffen würde, das ein ähnliches Gefühl heraufbeschwören sollte" , sagte Carter der US-Zeitschrift Entertainment Weekly(öffnet im neuen Fenster) . Und das tat er dann auch. Nach einer wechselhaften Karriere als Journalist und Drehbuchautor kam Carters große Chance. Für das noch junge Network Fox entwickelte er eine eigene Serie: Akte X.
Im Mittelpunkt stehen die FBI-Agenten Fox Mulder (David Duchovny) und Dana Scully (Gillian Anderson). Er ist der Gläubige, sie die Skeptikerin. Gemeinsam sind sie ein perfektes Team, das die sogenannten X-Akten abarbeitet - paranormale Fälle, die innerhalb des normalen FBI-Apparats nicht untersucht werden. Sie rangieren von Ufo-Sichtungen bis hin zu leberfressenden Mutanten.
Die in Vancouver gedrehte Serie startete in den USA im Herbst 1993. In Deutschland musste man ein Jahr länger warten. Von der Kritik sofort gelobt, überzeugte die Serie durch ein kinotaugliches Feeling, das jede Folge wie einen kleinen Film aussehen ließ. Der Erfolg stellte sich nicht gleich ein, aber Fox hatte den Mut, die Serie lange genug laufen zu lassen, um der Mundpropaganda Zeit zu geben, das Publikum anzulocken.
Der Erfolg wuchs von Staffel zu Staffel
Als man in die zweite Staffel ging, war der Erfolg phänomenal. Carter bediente das Interesse des Publikums, indem er immer stärker die Mythologie der Serie hervorhob.
Schon zu Zeiten der ersten Staffel wurde durch den geheimnisvollen Informanten Deep Throat klar, dass eine gewaltige Verschwörung am Werk war, die Mulder davon abhalten wollte, der Wahrheit auf die Spur zu kommen.
In der zweiten Staffel wurde das noch forciert. Neue Figuren kamen zu der Serie hinzu, darunter der neue Informant Mr. X oder der Doppelagent Alex Krycek. Die Folgen, die sich mit der Verschwörung beschäftigten, waren Höhepunkte. Aber auch die Einzelgeschichten, die sich mit den unterschiedlichsten Monstren beschäftigten, wiesen eine hohe Qualität auf, wobei es Akte X schaffte, in alle Richtungen zu expandieren, so dass sogar einige makabre Komödien entstanden.
Als die dritte Staffel debütierte, war Akte X eines der heißesten Serienprogramme, die es gab.
Die Autoren wurden zu Stars
Die Serie feuerte aus allen Rohren, das Team an talentierten Machern wuchs beständig an. Während Regisseure wie Kim Manners oder Rob Bowman die Serie optisch bestimmten, lenkten Autoren wie Glen Morgan und James Wong, Darin Morgan, Vince Gilligan, Frank Spotnitz und nicht zuletzt Carter selbst die inhaltlichen Geschicke. Manche von ihnen wurden später geradezu Superstars, so Vince Gilligan, Schöpfer von Breaking Bad und Better Call Saul.
Die Mythologie wurde konstant ausgebaut, auch wenn es schon in der vierten und fünften Staffel Ungereimtheiten gab, die sich nur schwer in Einklang mit der großen Geschichte bringen ließen.
Das Problem des Films
Das Ende der fünften Staffel bereitete den ersten Kinofilm Akte X - Der Film vor, der direkt an die Folge Das Ende anschloss. Was in den USA funktionierte, geriet im Rest der Welt zum Chaos, da der Film vielerorts im Kino lief, noch bevor die fünfte Staffel ausgestrahlt worden war, so auch in Deutschland. Die Zuschauer verstanden also mehrheitlich Bahnhof.
Mit Beginn der sechsten Staffel zog die Produktion um.(öffnet im neuen Fenster) Man verließ das kalte Kanada, um im sonnigen Kalifornien zu arbeiten. Grund war, dass Hauptdarsteller Duchovny keine Lust mehr auf Kanada hatte und näher an seinem Wohnort in Los Angeles sein wollte.
In diesem Jahr begann die Mythologie auch zu zerfasern. Was zuvor ein Glanzpunkt der Serie war, wurde zur Bürde, denn spätestens bei der siebten Staffel war der Punkt erreicht, an dem selbst Fans Probleme hatten, der ausufernden Mythologie noch zu folgen.
Mulder verschwindet
Noch einschneidender war jedoch, dass Duchovny sich entschloss(öffnet im neuen Fenster) , aus der Serie auszusteigen. Er wollte fortan nur noch für Gastauftritte zur Verfügung stehen. Das bedeutete, dass man einen neuen Ermittler brauchte.
Und so ersann man Agent Doggett, der von Robert Patrick, dem T-1000 in Terminator 2, gespielt wurde. Außerdem wurde Agent Monica Reyes eingeführt, die von Annabeth Gish dargestellt wurde.
Man versuchte, in der achten und neunten Staffel inhaltlich neue Wege zu beschreiten und brachte ein Supersoldatenprogramm auf, das sich von der bisher bekannten Verschwörung(öffnet im neuen Fenster) abheben sollte.
Die Luft war jedoch raus, und die Quoten bröckelten beständig. Während der neunten Staffel beschloss Fox, die Serie abzusetzen. Sie endete nach gut 200 Episoden mit Die Wahrheit, in der Mulder nochmal zurückkehrte. Was Carter hier bot, war ein recht definitives Ende.
Doch noch nicht das Ende
Aber damit war noch lange nicht Schluss. 2008 kehrte die Serie mit Akte X: Jenseits der Wahrheit(öffnet im neuen Fenster) ins Kino zurück. Die Geschichte, das war von vornherein klar, sollte weit abseits der üblichen Mythologie-Pfade spielen und keine Querverweise zur Verschwörung oder dem Supersoldatenprogramm haben. Vielmehr sollte es ein für sich stehender Film werden, der auch von einem Publikum ohne Vorkenntnisse genossen werden konnte.
Alles beginnt damit, dass eine Frau verschwindet. Agent Dakota Whitney hat es mit einem Medium, einem pädophilen Priester zu tun, der Weissagungen machen kann, doch so recht glauben will ihm keiner. Darum versucht sie, Mulder, der seit einiger Zeit im Untergrund ist und sich vor dem FBI versteckt, ausfindig zu machen. Das gelingt, und Spooky Mulder erklärt sich bereit, zu helfen.
Carter und sein Ko-Autor Spotnitz wollten eine Entwicklung der Figuren etablieren, wobei ihnen nichts Besseres einfiel, als Mulder anfangs mit Vollbart agieren zu lassen, und aus Scully und ihm ein Paar zu machen. Mulder und Scully teilen nun also auch das Bett, reden sich aber immer noch gerne mit Nachnamen an. Wenigstens siezen sie einander nicht mehr.
In der deutschen Synchronfassung gab es zudem den Schock(öffnet im neuen Fenster) , dass Mulder nicht mehr von Benjamin Völz gesprochen wurde. Dieser forderte eine Gage, die 20th Century nicht bezahlen wollte - also wurde umbesetzt, sehr zum Ärger der Fans.
Die Rückkehr als Serie
Der Film hätte die große Wiederauferstehung eines Phänomens werden können. Er hätte eine Produktion sein können, die das Franchise neu belebt, doch dazu kam es nicht. Akte X: Jenseits der Wahrheit war kein Erfolg beschieden.
Vom Tisch war damit auch ein dritter Teil, der gezeigt hätte, wie die Invasion der Außerirdischen im Jahr 2012 ausgesehen hätte. Darauf hatte die Serie praktisch hingearbeitet, aber alles war zu Ende, bevor das terminierte Jahr erreicht wurde.
Die erneute Rückkehr
Am Ende war die Akte X damit aber noch nicht. Es zogen ein paar Jahre ins Land, dann gab das Studio grünes Licht für eine Fortführung - diesmal als Miniserie mit nur sechs Folgen.
Mulder und Scully sind wieder im FBI-Einsatz, Carter wiederum ersonn eine Geschichte, die postuliert, dass die Verschwörung eine ganz andere ist, als die, die man mehr als neun Jahre lang zu sehen glaubte. Das geriet etwas holprig, aber Carter lässt die vergangenen Jahre Revue passieren: den Patriot Act, das Aushöhlen von Freiheiten im Namen der Sicherheit, die immer weiter voranschreitende Totalüberwachung. Er ergänzt dies durch den perfiden Plan, das Volk zu verfetten und träge werden zu lassen.
Die Miniserie war ein Erfolg, so dass es 2018 eine weitere Staffel - diesmal mit zehn Folgen - gab. Seitdem ist aber Schluss mit der Akte X, jetzt bereitet Ryan Coogler ein Reboot vor .
Die Geschichte von Akte X war wechselhaft und litt darunter, dass Carter und Co. wohl nie einen Masterplan hatten, sondern die Mythologie immer recht kurzsichtig vorantrieben. Doch auch wenn die letzten Staffeln nicht mehr die Qualität der ersten fünf Jahre aufweisen, sicherte sich die Serie zurecht einen Platz in den Annalen der Fernsehgeschichte.
Sie brachte filmisches Flair ein, bot lineares Erzählen in Form der Mythologie, präsentierte aber auch grandiose Einzelgeschichten. Akte X bereitete den Boden, auf dem später Serien wie Lost schritten.



