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Deutsche Raumfahrt: Rakete der Rocketfactory Augsburg explodiert auf Teststand

Unter großem Zeitdruck durch den Hauptanteilseigner OHB endet ein Triebwerkstest mit der Zerstörung der ersten Raketenstufe der RFA-One- Rakete .
/ Frank Wunderlich-Pfeiffer
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Der erste Flug der RFA-One-Rakete sollte in wenigen Wochen stattfinden. (Bild: RFA)
Der erste Flug der RFA-One-Rakete sollte in wenigen Wochen stattfinden. Bild: RFA

Die erste Raketenstufe der RFA One - die erste Rakete der Rocketfactory Augsburg (RFA) - wurde bei einem Test vollständig zerstört, wie Aufnahmen der BBC zeigen(öffnet im neuen Fenster) und wie auch eine Pressemeldung von RFA besagt.(öffnet im neuen Fenster) "Eine Frage von Wochen" sollte es bis zum ersten Start der RFA One sein. Diese Aussage stammte nicht von der Firma selbst, sondern von der Aktionärsversammlung des Satellitenherstellers OHB(öffnet im neuen Fenster) , der 65 Prozent der Anteile an der Rocketfactory Augsburg hält. Die Zerstörung der Raketenstufe und des Teststandes wird die Pläne stark verzögern.

Vor dem Test wurde das Gelände des Saxa Vord Spaceport auf der Shetland-Insel Unst ordnungsgemäß evakuiert und es kamen keine Menschen zu Schaden. Videoaufnahmen zeigen eine große, stark rußende Stichflamme seitlich der neun Haupttriebwerke, die vermutlich auf ein Leck in einer Kerosinleitung oder einer Turbopumpe zurückzuführen ist. Erst im Anschluss ist die Verbrennung von Aluminium und flüssigem Sauerstoff mit glühendem Funkenflug zu beobachten. Es war der erste Test der Stufe mit allen neun Triebwerken. Nur wenige Tage zuvor wurde die Raketenstufe erstmals mit fünf Triebwerken für 15 Sekunden getestet.

Das Unternehmen gab in der Pressemitteilung an, dass es einen iterativen Testansatz verfolge, mit Betonung von realen Tests, die zu höheren Risiken führen.

Allerdings war die Ankündigung eines Startversuchs innerhalb weniger Wochen nach einem nur 15-sekündigen Test mit nur fünf von neun Triebwerken kaum realistisch. So blieb kaum Zeit für die Datenauswertung und sorgfältige Installation der Hardware mit allen notwendigen Tests durch die Ingenieure. Diese hatten noch keine Erfahrung mit vollständigen Test- und Flugkampagnen irgendeiner Rakete des Unternehmens und insbesondere nicht mit der komplexen Technik einer dreistufigen Rakete mit insgesamt elf Haupttriebwerken.

Der Zeitdruck traf auf komplexe Triebwerkstechnik

Ein vorsichtiges Vorgehen mit ausreichend Zeit für Tests und Kontrollen bei der Installation wäre also geboten gewesen. Aber die Tatsache, dass die Ankündigung eines Starts binnen weniger Wochen nicht vom Raketenbauer selbst stammte, sondern vom Hauptanteilseigner OHB, deutet auf einen großen Zeitdruck des Managements von außen hin. Zeitdruck geht unabhängig von iterativen Testansätzen immer mit einer hohen Gefahr von Flüchtigkeitsfehlern einher, die insbesondere bei der komplexen Triebwerkstechnik von RFA zu schweren Fehlfunktionen führen können.

Die Triebwerkstechnik wurde auch nicht von RFA selbst entwickelt, sondern 2020 vom ukrainischen Staatskonzern Yuzhnoye, also noch vor Kriegsbeginn, importiert. Sie nutzt einen Vorverbrenner, der kleine Mengen Kerosin mit Sauerstoff mischt und eine Hochleistungsturbine mit dem resultierenden heißen Sauerstoffgas betreibt. Das Abgas wird anschließend unter hohem Druck in die Brennkammer geleitet und mitverbrannt, statt durch einen Auspuff ausgeleitet zu werden.

Das heiße sauerstoffreiche Gas ist jedoch stark korrosiv und schwer zu beherrschen. Die sehr effiziente Technik kam deshalb bis vor wenigen Jahren außerhalb von Russland und der Ukraine kaum zum Einsatz, da anderswo der hohe Entwicklungsaufwand gescheut wurde.

RFA hatte unglaubwürdige Zeitpläne

Die Firmengründer der Rocketfactory Augsburg fielen bereits 2021 mit unrealistischen Angaben zu Technik, Zeitplanung und Kosten der Rakete auf. Erst in einer Gegendarstellung zur Berichterstattung von Golem.de gab das Unternehmen zu, dass die Triebwerkstechnik keine Eigenentwicklung sei. Am Zeitplan des damals für 2022 geplanten ersten Fluges hielt das Unternehmen trotz Entwicklungsbeginn im Jahr 2020 und fehlender Vorerfahrung im Bau vollständiger Raketen dennoch fest.

Später wurde klar, dass die Firmengründer lediglich pro forma von der Mutterfirma OHB eingesetzt wurden, was auch deren mangelnde Sachkenntnis im Interview erklärte. Golem.de prognostizierte 2021 auf Grundlage der Erfahrung mit Unternehmen wie SpaceX, Rocketlab und Astra - die ihre deutlich kleineren Raketen besonders schnell entwickelten - einen ersten erfolgreichen Flug zwischen 2025 und 2027.

Die Firmengründer planten damals für das Jahr 2025 hingegen schon 30 Raketenstarts für nur drei Millionen Euro pro Start ein und sprachen dabei von "Ultrahigh Performance" und "Ultralow Cost" .


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