DERA-Studie: Lithiummangel bremst Elektroauto-Ziele aus

Der Mangel an weltweit verfügbaren Lithium droht den geplanten Hochlauf der Elektromobilität zu gefährden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Deutschen Rohstoffagentur (DERA), die am 23. Juni 2022 auf einem Industrieworkshop Lithium vorgestellt wurde (PDF)(öffnet im neuen Fenster) . Je nach Szenario geht Studienautor Michael Schmidt von einem Defizit von bis zu 341.000 Tonnen Lithium im Jahr 2030 aus, was der vierfachen Jahresproduktion von 2020 entspräche. Nur im günstigsten Fall könnte genügend Material bereitgestellt werden, um den wachsenden Bedarf zu decken.
Die Studie geht dabei von drei verschiedenen Szenarien bezüglich der Nachfrage aus. Diese bewegt sich demnach von 316.307 Tonnen über 426.721 Tonnen bis zu 558.780 Tonnen. Dem gegenüber stehen zwei Projektionen hinsichtlich des verfügbaren Angebots, das im schlechtesten Fall bei 217.889 Tonnen und im besten Fall bei 357.680 Tonnen liegt. "Wir gehen davon aus, dass der Markt auf jeden Fall in ein substantielles Defizit im Jahr 2030 laufen wird. Und mit diesem Defizit erscheinen alle Träume von Elektroautos weltweit und vor allem in Europa sehr unrealistisch zu erreichen" , sagte Schmidt.
Jahrelanger Vorlauf erforderlich
Er räumte bei der Präsentation der Studie allerdings ein, dass es sich beim Lithiumbedarf um eine "extrem dynamische Entwicklung" handele, die von vielen Faktoren beeinflusst werde. Dennoch geht er davon aus, dass bis zum Jahr 2030 die Batterieproduktion fast 90 Prozent des weltweiten Lithiumbedarfs ausmachen werde. Vom gesamten Bedarf wiederum hat demzufolge der Autobereich mit mehr als 60 Prozent den größten Anteil.
Das Problem bei der Lithiumproduktion besteht laut Schmidt vor allem darin, dass die erforderlichen Kapazitäten für die Rohstoffgewinnung und Weiterverarbeitung hohe Investitionen und jahrelange Vorbereitungen erfordern. Dabei sei Lithium an sich kein geologisch seltenes Material. So geht Schmidt von einer Vorbereitungszeit von vier bis zehn Jahren für den Aufbau von Förderkapazitäten wie in Australien aus. Die Weiterverarbeitung erfordere ebenfalls einen Vorlauf von ein bis zwei Jahren. Das sei wichtig, da nach dem optimistischen Angebotsszenario 63 Prozent des Lithiums aus dem Erzabbau gewonnen werden müsse.

Abbau über Salzlauge umweltfreundlicher
Für Schmidt gehört der Lithiummarkt daher eher zum Sektor Spezialchemie und nicht zum Bergbau. Hohe Kapazitäten beim Abbau führen ihm zufolge daher nicht automatisch zu einem ausreichenden chemischen Angebot. Die angekündigten Kapazitäten und Zeitpläne von Lithium-Projekten seine bloße Zahlen und manchmal reines Wunschdenken.
Für die Studie ist dabei der Unterschied zwischen Lithiumproduktion über Mineralien und über Salzlauge wichtig. Schmidt bezeichnete dabei die Gewinnung über Salzlauge wie in Südamerika als umweltfreundlicher als die Weiterverarbeitung der Erze, die deutlich mehr Kohlendioxid freisetze und mehr Wasser erfordere. Dennoch werde vor allem die Lithiumproduktion in den südamerikanischen Anden als besonders umweltschädlich dargestellt .
Bolivien fällt als Produzent noch komplett aus
Als problematisch schätzt Schmidt jedoch in den Ländern Chile und Bolivien die politische Situation ein, die zu Verzögerungen bei der Lithiumgewinnung führen könnten. So verfügt Bolivien zwar mit 21 Millionen Tonnen über die weltweit größten Vorräte an dem Metall, wird jedoch in der DERA-Studie als möglicher Produzent ausgeklammert.
Auf Nachfrage räumte Schmidt ein, dass die dortige Regierung zwar durchaus eine Produktion plane , sich jedoch weiterhin in Verhandlungen mit ausländischen Investoren befinde.
Am aktuellen Bieterverfahren (öffnet im neuen Fenster) sind vier Firmen aus China und jeweils eine aus den USA und Russland beteiligt. Sollte Bolivien wie ursprünglich geplant jährlich 40.000 Tonnen Lithium produzieren(öffnet im neuen Fenster) , dürfte das einen wichtigen Beitrag zur Deckung der weltweiten Nachfrage darstellen.
Natrium-Ionen-Akkus noch irrelevant
Auch spielt für Schmidt die mögliche Produktion von Batteriezellen auf Natrium-Ionen-Basis noch keine Rolle. "Lithium-Ionen-Batterien werden auch im Jahr 2030 noch den Massenmarkt dominieren. Denn die Industrie investiert gerade so viel in die Produktion dieser Batterien" , sagte Schmidt und fügte hinzu: "Wir werden verschiedene Batterietechniken sehen, aber Lithium wird dominieren."
Bloomberg-Analyst Colin McKerracher kommt hingegen zu der Einschätzung, dass Natrium-Ionen-Akkus in Anbetracht ihrer Leistungsdaten, der Lithiumknappheit und der bisherigen Erfahrung mit CATL als größtem Akkuhersteller der Welt schon in den Jahren nach 2025 eine wichtige Rolle spielen könnten ( Video ab 37:00(öffnet im neuen Fenster) ).
Geringer Recyclinganteil bis 2030
Wenig Hoffnung setzt die Studie zudem auf das Batterierecycling bis zum Jahr 2030. Selbst bei einer Recyclingquote von 75 Prozent mache das wiedergewonnene Material nur etwa zehn Prozent des europäischen Bedarfs aus. Entsprechend niedriger sei der Anteil bei noch geringeren Recyclingquoten. Der Studie zufolge ist Europa daher in den kommenden Jahren noch stark von Lithium oder dessen Vorprodukten abhängig. Der Kontinent kann bis 2030 demnach den Bedarf nur zu zwischen 27 und 34 Prozent decken.
Die Einschätzungen der DERA-Studie kommen insgesamt nicht überraschend. Schon jetzt führt die Lithiumknappheit zu einem hohen Preisanstieg des Materials . Da die Nachfrage nach Lithium aus den derzeit geplanten Akkufabriken das mögliche Angebot der im Bau befindlichen Lithiumbergwerke übertrifft, musste bereits Anfang 2022 von einer dauerhaften Knappheit ausgegangen werden.
Daher hat Golem.de zuletzt in einer Analyse zum geplanten Verbrenner-Aus ab 2025 konstatiert: "Für die kommenden Jahre wird die Knappheit von Lithium das Wachstum der Akkuproduktion beschränken und so das bestimmende Thema der Elektromobilität sein." Die DERA-Studie dürfte diese Einschätzung bestätigen. Die vollständige schriftliche Fassung der Studie soll in etwa zwei Monaten vorliegen.



