Ein pasted.co-Account mit dem Passwort ''anne''
In einem Interview, das die Zeitung VG mit "Insidern bei der Polizei" geführt hat, beklagten sich diese darüber, dass Tom Hagen und die erwachsenen Kinder des Paares sich nicht mehr kooperativ zeigten und der Polizei vorgeworfen hätten, einseitig gegen Tom Hagen zu ermitteln. Besonders die Kinder glaubten fest daran, dass ihre Mutter noch lebe.
Hagen sei zudem nicht so technisch unbedarft, wie er sich gern darstelle, sagten die Insider weiter. Der Ingenieur hatte sich vor dem Verschwinden seiner Frau offenbar für Kryptowährungen interessiert und Kontakt zu einem jungen Mann aufgenommen, der ihm von seinem Sohn als Experte empfohlen worden sei.
Sieben oder acht Mal habe er sich mit ihm getroffen, sagte Hagen bei der Polizei aus. Ein neuer Geschäftsbereich entwickelte sich daraus jedoch nicht. Der junge Experte ist identisch mit dem Mann, der kurzfristig als möglicher Mittäter festgenommen worden war. Die Polizei hatte als Haftgrund zunächst Mitwirkung an einem Mord angegeben, diesen Punkt dann jedoch in schwere Freiheitsberaubung geändert.
Der Mann hatte bis zum Sommer 2019 eine eigene IT-Firma, weiter ist über ihn bekannt, dass er Mitglied in einem Schützenverein ist, in dem mit Schusswaffen wie Pistolen trainiert wird. Mit Hagen habe er sich auch über die Kryptowährung Monero unterhalten, sagte er aus.
Hagen habe sich sehr dafür interessiert, er habe dem Geschäftsmann jedoch erklärt, dass Monero eine "Schurkenwährung" sei, die im Ausland sogar schon im Zusammenhang mit Entführungen benutzt worden sei. Angeblich war der Mann während des Verhörs sehr ängstlich; auf die Frage, ob er sich vor Tom Hagen fürchte, habe er geantwortet, dass er Angst vor jenen habe, die hinter dem Verbrechen stünden, dass er aber nicht wisse, ob das Hagen sei.
Konto bei Kryptowährungsbörsen mit gestohlener Identität
Die Polizei ermittelte weiter und veröffentlichte vor einigen Wochen, am 24. Mai 2021, neue Erkenntnisse. Die wichtigste ist wohl, dass bereits vier Monate vor dem Verschwinden von Anne-Elisabeth Hagen, am 28. Juni 2018, eine bislang nicht identifizierte Person einen Account auf pasted.co eröffnet hat.
Das gewählte Passwort legt für die Polizei den Schluss nahe, dass hier etwas von langer Hand geplant wurde: Es lautet "anne". Der oder die Unbekannte legte zudem ein passwortgeschütztes Dokument mit zwei Kryptowährungsadressen an - eine für Bitcoin, die andere für Monero. Die beiden Adressen wurden vier Monate später in der Lösegeldforderung verwendet.
Rund eine Woche später, am 7. Juli 2018, legte eine unbekannte Person mit der gestohlenen Identität eines jungen Mannes aus Südnorwegen ein Konto bei mail.com an. Um die IP-Adresse zu verschleiern, wurde NordVPN genutzt. Ermittlungen der Polizei zufolge war der Pass des Mannes aus Südnorwegen zuvor gestohlen und im Darknet zum Verkauf angeboten worden. Das mail.com-Konto und der Pass wurden noch am selben Tag dazu benutzt, Nutzerkonten bei den Kryptowährungsbörsen KuCoin und Binance anzulegen; zwei Tage später auch bei Huobi.
Am 10. Juli 2018 ging bei Huobi ein nicht genannter Betrag in der Open-Source-Peer-to-Peer-Kryptowährung Dash ein. Dazu wurde die Funktion PrivateSend, die früher DarkSend hieß, verwendet - anonym und nicht zurückverfolgbar. Die eingehende Summe wurde sofort in Bitcoin getauscht.
Zwei über Tor anonymisierte Nachrichten
Das alles passierte mehr als drei Monate vor dem 31. Oktober 2018, dem Tag des Verschwindens von Anne-Elisabeth Hagen. Tatsächlich gab es nach dem Erstkontakt im November, der sofort wieder abbrach, noch zwei Entführernachrichten: So erhielt Tom Hagens Anwalt am 16. Januar 2019 eine E-Mail, die allerdings nicht zum Absender zurück verfolgt werden konnte, weil die Absender das Tor-Netzwerk benutzen, um anonym zu bleiben.
Die bis heute letzte Nachricht kam am 8. Juli 2019, wieder per Mail über Tor: Verlangt wurde die sofortige Zahlung des Lösegelds, außerdem wurde Tom Hagen davor gewarnt, nicht zu tun, was verlangt wurde. Um einen Beweis zu erhalten, dass seine Frau noch lebt, überwies Hagen tags darauf Monero im Wert von zehn Millionen Kronen, umgerechnet rund 1,35 Millionen Euro. Der oder die Entführer seiner Frau reagierten nicht.
Im April des Folgejahres wurde Tom Hagen festgenommen, als Mittäter wenig später besagter IT- und Kryptowährungsexperte. Nach seiner Freilassung wenige Tage später sendete Tom Hagen noch einmal einen kleinen Kryptowährungsbetrag, der den Vorgaben aus dem Erpresserbrief entsprechend als Code für "Ich bestätige, dass ich zahlen werde" stand. Abermals keine Reaktion.
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Tom Hagen wird festgenommen - und darf wieder gehen | ''Die Spuren führen in die ganze Welt'' |
Der Artikel ist spektakulär geschrieben - allerdings interessieren mich die Millionäre in...
Schade, dass Peter Falk schon tot ist. Das wäre ein toller Fall für Columbo gewesen...
Datenschutz war schon immer ein Dorn im Auge der Strafverfolgung - am besten gleich ganz...
Naja, zumindest dass die Frau ihre Entführung selbst geplant haben könnte ist nicht...