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Dating-Apps und Fake-Profile: Hauptsache flirten

Auf Datingportalen gibt es viele Fake-Profile, die für Nutzer oft nicht als solche zu erkennen sind. Die Betreiber sagen: Man kann doch auch mit denen flirten. Die Gerichte sehen das anders.
/ Harald Büring
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Sich im Chat kennenlernen und dann in echt treffen - mit Fake-Profil-Nutzern geht das nicht. (Bild: Pixabay)
Sich im Chat kennenlernen und dann in echt treffen - mit Fake-Profil-Nutzern geht das nicht. Bild: Pixabay

Viele Singles wollen über Datingportale oder -Apps flirten oder den Menschen fürs Leben kennenlernen. Fake-Profile sind da ein besonderes Ärgernis - laut einer Bitkom-Studie(öffnet im neuen Fenster) sind bereits 56 Prozent aller Nutzer von Datingportalen auf solche gefälschte Profile hereingefallen.

Dabei werden Fake-Profile nicht nur von Nutzern, sondern auch von unseriösen Anbietern verwendet - hier chatten angeheuerte Mitarbeiter mit ahnungslosen Nutzern. Diese werden darauf normalerweise nicht ausdrücklich hingewiesen, ein Hinweis findet sich lediglich versteckt im Kleingedruckten.

So ist es etwa bei dem Datingportal iCatched, das auf seiner Startseite insbesondere mit Aussagen warb wie "Jetzt online neue Bekanntschaften schließen" , "Hohe Flirtchancen - Im Match-Game entscheidest du mit einer simplen Swipe, wen Du kennenlernen möchtest" oder "Täglich neue Singles - bei uns registrieren sich täglich über 5000 neue Mitglieder, die auf der Suche nach ihrem Glück sind."

Dass darunter nicht nur echte Nutzer sind, stand in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter Punkt 1.3: "Die Datenbank beinhaltet reale Profile, aber auch seitens der Anbieterin erstellte und betriebene Profile (nachfolgend 'iNutzer'). Die iNutzer sind ausschließlich zur Auslebung von virtuellen Fantasien gedacht und es sind keine realen Treffen möglich."

Die kostenpflichtige Kommunikation mit iNutzern biete vielfältige Möglichkeiten, sich zu unterhalten. "iNutzer werden von Operatoren betrieben (bei Kommunikation wie Chats, Nachrichten, E-Mails, usw.) und dienen der reinen Unterhaltung sowie auch zur Qualitätssicherung und Servicetests. Reale Treffen oder Ähnliches sind nur mit realen Nutzern möglich."

Die Verbraucherzentrale Bundesverband ging gegen den Betreiber aus Berlin wegen irreführender Werbung vor und verklagte ihn auf Unterlassung.

Der Anbieter sagt, auch Fake-Nutzer seien "neue Bekanntschaften"

Der Anbieter verteidigte sich vor Gericht damit, dass es sich lediglich bei 1,36 Prozent der Profile um Fake-Profile handle. Im Übrigen könnten Nutzer doch neue Bekanntschaften schließen. Auch Chats mit den Inhabern der Fake-Profile seien "neue Bekanntschaften" . Dass es sich bei den potenziellen neuen Bekanntschaften ausschließlich um reale Nutzer handle, werde nicht ausdrücklich behauptet.

Das Landgericht Berlin überzeugte diese Argumentation nicht, es gab der Klage der Verbraucherschützer statt. Die Richter stellten klar, dass die Nutzer hier im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz1 UWG in die Irre geführt würden. Durchschnittliche Nutzer gingen bei einer Datingplattform normalerweise davon aus, dass alle Profile von echten Nutzern stammten und nicht von Mitarbeitern, bei denen ein persönliches Kennenlernen von vornherein ausgeschlossen ist.

Der Betreiber hätte die Nutzer bereits auf der Startseite darauf hinweisen müssen, dass er auch Fake-Profile verwende. Das habe er jedoch nicht getan (Urteil vom 27.01.2022, Aktenzeichen 16 O 62/21). Dieses Urteil ist nach Aussage eines Sprechers mittlerweile rechtskräftig.

Die Plattform gibt es übrigens immer noch, inzwischen allerdings unter einem anderen Betreiber mit Sitz außerhalb der EU. Lediglich der Text der Startseite hat sich geändert, nicht jedoch die verwendete AGB-Klausel(öffnet im neuen Fenster) .

Flirten ist flirten - oder nicht?

In einem weiteren Fall ging es ähnlich aus. Hier ging es um die Datingplattform Amourny, auf deren Startseite der vielversprechende Hinweis stand: "Amourny bietet Menschen mit gleichen Interessen die Möglichkeit, sich näher kennenzulernen." Wer die Plattform nutzen wollte, musste sich anmelden und dazu Dialogfelder ausfüllen.

Neben der Anleitung zur Anmeldung stand eine Überschrift, dass man "100 % Flirtchance" garantiere, und darunter: "Wir wollen, dass alle hier Spaß am Flirten haben. Allerdings gibt es immer mal wieder einen Mangel an Frauen bzw. Männern, was dazu führt, dass keine geeigneten Flirtpartner anwesend sind. Um diesen Mangel auszugleichen, setzen wir immer mal wieder Controller ein, welche unter anonymen Scheinaccounts Dialoge führen."

Der Anbieter vergleicht diese Controller mit Tanzpartnern, die bei Tanzschulen oder Kreuzfahrtreisen vom Veranstalter gestellt werden. Man setze die Controller dafür ein, um auf "nette, amüsante Art und Weise zu unterhalten" . Die Controller seien meist Studentinnen und Studenten, die sich mit dem Job etwas dazuverdienen könnten. "Unsere Controller sind mit den Profilen, welche sie benutzen, nicht sonderlich gekennzeichnet und werden sich auch nicht als solche zu erkennen geben. Der Flirtspaß soll hier bei uns an oberster Stelle stehen."

Im Kleingedruckten stand unter "Beschreibung des Service" unter anderem, dass die Controller unter mehreren Identitäten am Chat teilnähmen. "Diese sind nicht ausdrücklich als Controller/Controllerinnen gekennzeichnet oder wahrnehmbar, sondern über Scheinaccounts/-Profile im Chat tätig. Es ist also möglich, dass ein externer angemeldeter Teilnehmer Dialoge mit einem für das Unternehmen tätigen Controller bzw. einer für das Unternehmen tätigen Controllerin führt, ohne dass dieser/diese sich als solcher/solche zu erkennen gibt."

Ihr Einsatz diene vor allem dazu dazu, eine Austauschmöglichkeit "auch bei einem ggf. temporären Mangel an sonstigen (externen) Teilnehmern zu gewährleisten und die Einhaltung der Teilnehmerpflichten zu überwachen. In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass die den einzelnen Profilen zugeordneten Personenabbildungen nicht zwingend mit der tatsächlich hinter dem Profil stehenden natürlichen Person übereinstimmen."

Die Verbraucherzentrale Bundesverband ging auch hier gegen den Betreiber auf dem Wege der Unterlassungsklage vor. Sie warf ihm vor, irreführende Werbung zu betreiben und eine unzulässige Klausel zu verwenden. Der Betreiber berief sich darauf, dass man doch auch mit den fürs Unternehmen tätigen Controllern flirten könne. Um mehr gehe es bei dieser Plattform doch gar nicht.

Gericht sieht die Klausel als unwirksam an

Das Landgericht Flensburg schloss sich dem allerdings nicht an. Es sah die Verwendung dieser Klausel als Grundlage für die verdeckten Fake-Profile des Betreibers als unzulässig an. Das Gleiche gelte auch für die Werbung des Betreibers auf der Startseite: "Amourny bietet Menschen mit gleichen Interessen die Möglichkeit, sich näher kennenzulernen." Nach Ansicht der Richter ist die erwähnte Klausel unwirksam.

Das ergebe sich zunächst daraus, dass die Nutzer dadurch gemäß § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt würden. Denn der Zweck dieser Plattform liege darin, dass Nutzer beim Chatten auch andere Menschen kennenlernen können. Das sei aber bei Fake-Profilen des Betreibers nicht möglich.

Ferner sei die Klausel intransparent im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, weil die Fake-Profile mangels Kennzeichnung nicht erkennbar seien. Der Nutzer könne sich kein Bild machen, weil er nicht einmal erfahre, wie häufig der Betreiber Fake-Profile einsetze.

Nutzer bekommen eventuell ihr Geld zurück

Darüber hinaus handele es sich um irreführende Werbung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG. Sie verspreche, dass Gespräche mit anderen Nutzerinnen oder Nutzern vermittelt werden, aus denen sich eine Bekanntschaft oder Partnerschaft entwickeln könne. Tatsächlich würde der Nutzer aber nicht an solche Gesprächsteilnehmer vermittelt.

Denn bei den Gesprächsteilnehmern handle es sich ausnahmslos um professionelle Chatpartner, zu denen kein persönlicher Kontakt aufgebaut werden könne (Urteil v. 28.10.2022, Aktenzeichen 8 O 29/22). Diese Entscheidung ist ebenfalls mittlerweile rechtskräftig.

Aus diesen beiden Gerichtsentscheidungen ergibt sich, dass Nutzer beim Einsatz von Fake-Profilen durch den Betreiber möglicherweise ihre kostenpflichtigen Verträge wegen arglistiger Täuschung anfechten können (gemäß § 123 Abs. 1 BGB) und ihre Zahlungen wegen ungerechtfertigter Bereicherung (gemäß § 812 Abs. 1 BGB) zurückverlangen können.

Das gilt aber nur, wenn der Betreiber nicht ausreichend auf die Fake-Profile hingewiesen hat. Die derzeitige Rechtsprechung spricht dafür, dass ein Hinweis in den AGB nicht ausreicht. Das Problem ist allerdings, dass diese Entscheidungen unmittelbar nur gegenüber den jeweiligen Parteien gelten und es hierzu bislang hierzu keine höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gibt.

Gleichwohl sind die Entscheidungen der beiden Landgerichte richtungsweisend, so dass eine Klage hohe Erfolgsaussichten hätte - wobei aber zu beachten ist, dass Kläger ein Kostenrisiko eingehen. Um das vermeiden und die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, ist eine Beratung bei der Verbraucherzentrale ratsam.

Wichtig ist dabei, ob auf der Startseite der Eindruck vermittelt wird, dass die Nutzer Menschen persönlich kennenlernen können, und an welcher Stelle auf Fake-Profile hingewiesen wird. Auch die äußere Aufmachung der Texte spielt eine Rolle.

Auf der sicheren Seite sind Nutzer, wenn sie vor der Anmeldung bei einem Datingportal im Kleingedruckten nachsehen, ob der Betreiber sich den Einsatz von eigenen Mitarbeitern vorbehält, die zum Beispiel als Controller oder Moderatoren chatten und dafür einen anonymen Fake-Account anlegen.

Abzocke durch Fake-Profile von Nutzern

Darüber hinaus müssen Nutzer von Datingportalen damit rechnen, dass auch andere Nutzer Fake-Profile anlegen - vor allem, wenn Profile kostenlos angelegt werden können. Manche davon werden für Romance-Scamming genutzt: Die Täter suchen dabei gezielt nach Opfern, gaukeln geschickt Verliebtheit vor und verwenden aus dem Internet geklaute Bilder.

Haben sie das Vertrauen ihres Opfers gewonnen, behaupten sie, zum Beispiel wegen einer Krankheit oder Notlage dringend Geld zu benötigen. Sie versprechen, es zurückzubezahlen und scheuen sich nicht davor, ihre Bekanntschaft emotional unter Druck zu setzen. Wenn Opfer auf diese Masche hereinfallen und Geld überweisen, sehen sie es nicht wieder. Hierin liegt juristisch gesehen ein Betrug gemäß § 263 Abs. 1 StGB.

Bei Romance-Scamming Strafanzeige gegen Unbekannt stellen

Wer Opfer von Romance-Scamming geworden ist, hat normalerweise einen Anspruch auf Rückzahlung des gezahlten Geldes wegen unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB. Allerdings ist es häufig schwierig, den Anspruch zivilrechtlich durchzusetzen. Eine Klage ist nur möglich, wenn das Opfer die Identität des Täters kennt.

Eine Strafanzeige gegen Unbekannt bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft ist eine Möglichkeit, sie vielleicht herauszufinden. Das ist mittlerweile auch online möglich. Der Strafanzeige sollten Nachweise, beispielsweise ein Screenshot des Chatverlaufs, beigefügt werden.

Dass geprellte Nutzer damit Erfolg haben können, zeigt ein Fall, in dem das Landgericht München I drei Täter zu mehrjährigen Freiheitsstrafen sowie Entschädigungsleistungen in Höhe von insgesamt 270.000 Euro verurteilt hat(öffnet im neuen Fenster) .

So etwas ist insbesondere dann möglich, wenn das Opfer im Rahmen des Strafverfahrens einen Anspruch auf Schadenersatz auf Grundlage von § 403 StPO (sogenanntes Adhäsionsverfahren) geltend macht. Es kann hierzu beispielsweise einen schriftlichen Antrag beim Strafgericht beantragen oder mündlich im Rahmen der mündlichen Hauptverhandlung (§ 404 Abs. 1 StPO).

Nutzer von Datingportalen sollten keinesfalls Geld an Personen überweisen, mit denen sie gechattet haben und die sich etwa auf eine angebliche Notsituation berufen. Das gilt vor allem, wenn sie diese nicht persönlich kennen.

Auch danach ist Vorsicht angebracht, denn es handelt sich um Kriminelle, die sich finanziell bereichern wollen. Wer mit solchen Menschen chattet, sollte den Kontakt sofort abbrechen und das Profil umgehend dem Betreiber des Datingportals melden.


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