Datenübertragung: Bundeswehr testet Schall-Internet unter Wasser

Wir kommunizieren praktisch in Echtzeit auf der Erde, auch über die Ozeane hinweg. Etwas länger dauert es zum Mars. Wir empfangen - mit ausreichend Geduld - sogar Daten aus dem interstellaren Raum . Trotzdem schaffen wir es nicht, in dem Lebensraum Daten zu übertragen, der immerhin zwei Drittel der Erdoberfläche ausmacht: im Wasser. In verschiedenen Projekten wird jedoch daran gearbeitet. Die Bundeswehr hat kürzlich eine vielversprechende Technik in der Ostsee getestet.
Bedarf für eine robuste Kommunikation unter Wasser gibt es genug: U-Boote müssten nicht mehr auftauchen, um mit ihrer Basis Kontakt aufzunehmen. Autonome Tauchroboter und Einrichtungen auf dem Meeresgrund könnten problemlos Forschungsdaten und Statusmeldungen an die Oberfläche übertragen. Eines Tages werden vielleicht auch Menschen in Habitaten auf dem Meeresgrund leben, die mit Landbewohnern kommunizieren wollen.
Im August hat die Bundeswehr im Rahmen des Projekts European Defence Agency - Smart Adaptive Long- And Short-Range Acoustic Network (EDA-SALSA) das sogenannte Liquid Internet, also die Datenübertragung unter Wasser, erprobt: In der Kieler Förde bauten Militärangehörige aus Deutschland, Finnland, den Niederlanden, Norwegen und Schweden ein System auf, über das 20 Plattformen kabellos miteinander kommunizieren konnten. Dazu gehörten Schiffe und Boote ebenso wie autonome Tauchfahrzeuge und Stationen auf dem Meeresboden. Funkbojen stellten die Verbindung zur Kommunikation über Wasser her.
Die Modems verstehen einander
"Der Test war sehr erfolgversprechend" , resümiert Ivor Nissen, der die Experimentinfrastruktur organisiert hat, in einem Mail-Interview mit Golem.de. "Aus allen Nationen vorhandene Modems haben die gleiche Sprache gesprochen, es besteht damit erstmalig in Europa Interoperabilität bei adaptiven Modems."


Die Kommunikation erfolgte über das Netzwerkprotokoll Gossiping Under-Water Mobile Ad hoc Network (Guwmanet), das von der Wehrtechnischen Dienststelle (WTD) 71 der Bundeswehr in Kiel konzipiert und gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (Fraunhofer FKIE) umgesetzt wurde. Es basiert auf Schall, weil Schallwellen unter Wasser weit genug tragen - Meeresbewohner wie Wale kommunizieren über Kilometer mit Geräuschen.
"Die Natur erlaubt drei Fensterchen für eine kabellose Unterwasserkommunikation" , sagt Nissen: optisch, Funk oder eben Schall. Eine optische Kommunikation, also Licht, fällt in unseren Breiten weg: Wer je in der Nord- oder der Ostsee getaucht sei, wisse um die begrenzte Sichtweite. Möglich sei nur "eine Nächstkommunikation von wenigen Metern" . Eingesetzt werden könnten Leuchtdioden (LED), die deutlich weniger Energie verbrauchen als Laser.
Längstwellen schaffen es weiter ins Wasser
Funkwellen, über die wir an Land an vielen Orten Daten verschicken und empfangen, werden vom Wasser weitgehend absorbiert. Sie dringen beim Mobilfunk und GPS nur wenige Zentimeter tief ein, dann ist Schluss. Lediglich Längstwellen(öffnet im neuen Fenster) schaffen es weiter hinein. Diese Wellen werden denn auch für die Nachrichtenübertragung an getauchte U-Boote genutzt.
Auch die Bundeswehr setzt Längstwellen zur Kommunikation ein: Seit 1982 sendet die Marinefunksendestelle Rhauderfehn(öffnet im neuen Fenster) in Niedersachsen auf einer Frequenz von 23,4 Kilohertz Nachrichten an U-Boote.
Die Bandbreite ist jedoch sehr gering. Dafür ist der Aufwand umso größer: Die Sendeanlage besteht aus sechs Masten, die jeweils über 350 Meter hoch sind - und damit nach dem Berliner Fernsehturm auf dem Alexanderplatz die zweithöchsten Bauwerke in Deutschland sind.
"Einzig der Schall trägt weiter" , sagt Nissen. Trotzdem ist diese Lösung nicht unproblematisch.
Datenübertragung unter Wasser ist störanfällig
Wasser überträgt zwar Schallwellen gut. Aber es ist auch ständig in Bewegung, wodurch die Schallstrahlenwege verändert werden können. Zudem gebe es bei der Datenübertragung im Wasser "unterschiedlichste Geschwindigkeiten auf unterschiedlichsten Mehrwegepfaden" , sagt Nissen - anders als beim Mobiltelefon, wo Daten immer in Lichtgeschwindigkeit übertragen werden. "Die Dopplerspreizung ist daher die größte Schwierigkeit und die Anpassung an die vorliegende Umwelt, die sich in Millisekunden kleinskalig ändert."
Das Kommunikationssystem muss deshalb mit den sich verändernden Bedingungen umgehen. "Ziel sind adaptive Verfahren, die sich an das Schallwetter anpassen" , erklärt Nissen. So müssen die Kommunikationsgeräte die geeignete Frequenz, Lautstärke und Empfangsverstärkung selbst so wählen, dass die Nachricht korrekt beim Empfänger eintrifft.
Allerdings sei es ohnehin wünschenswerter zu empfangen als zu senden, sagt Nissen: Senden koste Energie, was bei autonomen Fahrzeugen die Einsatzdauer verkürze, und es störe: das Netzwerk selbst, aber auch "den Hauptsinn unter Wasser" , das Hören nämlich, unter anderem Sonar-Anwendungen.
Senden ist verräterisch
Schließlich: "Jede Transmission verrät den Sender" , sagt Nissen. Im militärischen Kontext ein wichtiges Argument zum Schweigen. "Will man verratsarm operieren - und daher arbeitet man unter der Wasseroberfläche -, muss man sehr leise sein, sodass das Risiko einer Entdeckung der Kommunikation gering ist. Daher ist oberstes Gebot, die Schallenergie zu minimieren."
Damit unterscheidet sich die Technik grundlegend von den störenden Einträgen für Meeresbewohner, die etwa durch Schiffslärm oder beim Bau von Offshore-Windparks verursacht werden. "Wir versuchen kürzeste Signale zu senden, die keinen kontinuierlichen Energieeintrag liefern. Die Sendeleistung ist sehr gering, um den Nachhall zu minimieren" , erläutert Nissen.
Fische funken
In Anbetracht dieser Tatsache könnte das System sogar auch bei der Erforschung der Meere eingesetzt werden: Fische oder Wale könnten mit Sensoren ausgestattet werden, die Daten sammeln und per Schall zur Auswertung weitergeben. Andere Sensoren könnten permanent die Wasserqualität, die Zustände der Riffe oder die seismischen Aktivitäten unter dem Meeresboden erfassen.
"Diese Technologie ist dual-use, kann zivil genutzt werden, wie es auch beim Internet verlaufen ist" , betont Nissen. Sicher hat die Bundeswehr auch militärische Anwendungen im Sinn. Was das sein könnte, hat sie noch nicht mitgeteilt. Eine Kommunikation mit oder zwischen U-Booten dürfte dazugehören. Denkbar ist auch, dass Sensornetze unter Wasser zur Überwachung aufgebaut werden.
Das EDS-ELSA-Vorhaben ist nicht das einzige Projekt dieser Art.
Andere Ansätze für Datenkommunikation unter Wasser
Ein Team der Universität von Buffalo im US-Bundesstaat New York etwa arbeitet seit einigen Jahren an einem TCP/IP-kompatiblen Protokoll , das eine Kommunikation zwischen verschiedenen Unterwasser-Systemen ermöglichen soll. Darüber wollte das Team um Projektleiter Tommaso Melodia verschiedene, zuvor inkompatible Systeme vernetzen.
Wie das von der Bundeswehr getestete System nutzt auch Melodias Gruppe Schall zur Übertragung von Daten. Mitte des vergangenen Jahrzehnts förderte die Europäische Union ebenfalls die Entwicklung eines schallbasierten Systems: Ziel des Projekts Sunrise(öffnet im neuen Fenster) war unter anderem, autonome Unterwasserroboter zu vernetzen.
Aqua-Fi nutzt Laser
Einen anderen Weg hat Basem Shihada von der König-Abdullah-Universität für Wissenschaft und Technologie (Kaust) in Thuwal in Saudi-Arabien gewählt: Sein Team setzt auf optische Datenübertragung unter Wasser - möglicherweise ist das Wasser im Roten Meer klarer als in der Ostsee. Aqua-Fi arbeitet mit grünen und blauen Lasern und ermöglicht nach Angaben der Forscher sogar ein Videotelefonat. Die Reichweite ist jedoch geringer als bei einem schallbasierten System.
Schall, Funk, Licht: "Man muss flexibel unter Wasser alle drei Fenster der Natur ausnutzen, je nach Einsatzbereich" , sagt Nissen. Die von der Bundeswehr entwickelte Technik sei "jetzt in Grundzügen" einsatzbereit. Schwierigkeit bereite aber noch die Adaptivität. "Nachdem die Bundeswehr das Sprechen und Verstehen sowie das Netzwerken im Generellen verstanden hat, geht es jetzt um das Optimieren in Echtzeit (in sito) und das Kooperieren und Koordinieren von Einheiten."



