­Cybersyn: Chiles Traum von der computergesteuerten Planwirtschaft

Ein einzelner Computer steuert die Wirtschaft eines ganzen Landes: Vor 45 Jahren startete in Chile das ehrgeizige Projekt Cybersyn - und scheiterte wenig später.

Artikel von veröffentlicht am
Der Op-Room von Projekt Cybersyn erinnerte an die Brücke von Raumschiff Enterprise.
Der Op-Room von Projekt Cybersyn erinnerte an die Brücke von Raumschiff Enterprise. (Bild: Screenshot: Frank Wunderlich-Pfeiffer)

1971. Menschen fahren mit Autos auf dem Mond. Star Trek zeigt eine utopische Welt ohne Knappheit und Armut im Fernsehen. Die Ölkrise stürzt die Weltwirtschaft ins Chaos und in Chile regiert seit einem Jahr eine demokratisch gewählte, kommunistische Regierung. Große Teile der Witschaft werden verstaatlicht und sollen den Traum der gerechten Gesellschaft verwirklichen. Im Zentrum: Projekt Cybersyn.

Inhalt:
  1. ­Cybersyn: Chiles Traum von der computergesteuerten Planwirtschaft
  2. Ein einzelner Computer und 500 Fernschreiber
  3. Probleme auf Distanz halten
  4. Cybersyns größte Stunde - mit Stift und Papier

Mit diesem Projekt soll die chilenische Planwirtschaft nach den neuesten wissenschaftlichen Methoden gesteuert werden. Informationen der gesamten Wirtschaft sollen durch ein kybernetisches Netzwerk gesammelt werden. Mit der Auswertung soll ein Computer als zentrale Recheneinheit betraut werden, um einem Komitee die Steuerung der Wirtschaft zu erlauben. 45 Jahre später ist das System fast vergessen - und das liegt nicht nur an dem Militärputsch, der ihm ein jähes Ende bereitete.

Initiator von Cybersyn war ein gewisser Fernando Flores. Dem studierten Ingenieur hatte Präsident Allende die Leitung der verstaatlichten Wirtschaft als Direktor anvertraut - eine Aufgabe, die zur damaligen Zeit noch jeden überfordert hatte. Flores war zu dieser Zeit 27 Jahre alt. Und er hatte noch ein Buch im Kopf, das er fünf Jahre vorher gelesen hatte, als er im letzten Studienjahr bei der chilenischen Eisenbahngesellschaft arbeitete: "Cybernetics and Management" von dem Briten Stafford Beer. Kybernetik, so Flores' Idee, sollte ihm bei seiner kaum zu bewältigenden Aufgabe helfen.

Kybernetik ohne Cyborgs

Kybernetik, die Lehre der Steuerung von Maschinen, ist ein Kind des zweiten Weltkrieges. Sie entwickelte sich aus der militärischen Optimierungsrechnung heraus und wurde 1948 von Norbert Wiener eingeführt. Wer mit diesem Zweig der Mathematik jemals in Berührung gekommen ist, wird sich vor allem an Tabellen und Rechenorgien in Übungsaufgaben erinnern. Genau die Art von stumpfsinnigen Rechenorgien, die heute kein Mensch selbst durchführt und stattdessen einem Computer überlässt.

Und so erleichterten die ersten Computer auch den logischen Schritt, die Optimierungsrechnung, die im Krieg in der Logistik unverzichtbar gewesen war, auch in Friedenszeiten in Unternehmen einzusetzen. Konfrontiert mit der Enormität seiner Herausforderung schrieb Flores einen Brief an den Buchautor Stafford Beer und fragte, ob er nicht ein paar Ratschläge habe. Ein Treffen in London und einige gebogene Budgetregeln später arbeitete Stafford Beer für Flores und mit ihm für Präsident Allende am Management eines großen Teils der chilenischen Wirtschaft. Es entstand das Projekt Cybersyn - kybernetische Synergie. Zur Steuerung der Planwirtschaft sollte ein kybernetisches Modell geschaffen und mit seiner Hilfe die Produktion der Betriebe optimiert werden.

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Ein einzelner Computer und 500 Fernschreiber 
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Squirrelchen 29. Aug 2016

In der Tat ist es mir ebenfalls schon negativ aufgefallen. Man könnte benannten Satz mit...

Anonymer Nutzer 14. Aug 2016

Welt am Draht - fällt mir spontan dazu ein. Muss ich mal wieder gucken...

kmork 14. Aug 2016

Mir ist dazu noch eingefallen: Ist das nicht weit ab vom freiheitlichen Gedanken? Wozu...

DrWatson 13. Aug 2016

Weißt du wie man das nennt? Strohmannargumente. Du schaffst dir einen imaginären Feind...



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