Cyberbunker-Prozess: Betreibern wird Beteiligung an 249.000 Delikten vorgeworfen
Ist der Betreiber des Cyberbunkers ein "Superschurke" oder nur ein "Nerd"? Diese und andere Fragen muss das Landgericht Trier ab heute klären.

Am Montag hat vor dem Landgericht Trier der Prozess um den Cyberbunker von Traben-Trarbach begonnen. Es ist eines der bundesweit größten Verfahren gegen Cybercrime: Der mutmaßlichen kriminellen Vereinigung wird Beihilfe zu mehr als 249.000 Straftaten vorgeworfen. Die Anlage in Traben-Trarbach an der Mittelmosel wurde vor gut einem Jahr in einer großen Aktion mit Hunderten Polizisten nach fünfjährigen Ermittlungen ausgehoben.
Angeklagt sind vier Niederländer, drei Deutsche und ein Bulgare im Alter von 21 bis 60 Jahren. Sie sollen in wechselnder Beteiligung von Juni 2013 bis September 2019 illegale Webseiten gehostet und dadurch Beihilfe zu den von ihren Kunden begangenen Straftaten geleistet haben. Kopf der Bande war laut Anklage der 60 Jahre alte Niederländer Herman Johan Xennt, der den früheren Bundeswehrbunker gekauft hatte. "Er war der Rädelsführer", sagte Oberstaatsanwalt Jörg Angerer.
Doppelter Vorsatz muss nachgewiesen werden
Bei der Bande, die über die Jahre gewachsen sei, habe es "eine feste Rollenverteilung mit klarer Hierarchie" gegeben. Die beiden Söhne Xennts waren laut Anklage als Administratoren für Kundenaufträge und IT zuständig. Eine 53 Jahre alte Deutsche sei "Buchhalterin" gewesen, ein anderer Niederländer, Michiel R., eine "Art Manager".
Am ersten Prozesstag wurde die gut 40-seitige Anklageschrift verlesen. Der Prozess begann unter hohen Sicherheitsvorkehrungen und Corona-Bedingungen: Mit angebrachtem Plexiglas an einzelnen Sitzplätzen der Angeklagten, Verteidigern und Anklägern - sowie wenigen Plätzen im Zuschauerbereich. Nicht alle, die morgens anstanden, kamen in den Saal.
Die zentrale Frage in dem Mammutprozess, der bis Ende 2021 terminiert ist, lautet: Kann man den Angeklagten nachweisen, dass sie von den illegalen Machenschaften ihrer Kunden wussten? Und diese dabei auch unterstützt haben? Dieser "doppelte Vorsatz" sei beim Nachweis der Beihilfe zu Straftaten zentral, sagte Angerer. Er zeigte sich optimistisch: Dies sei über die Überwachung des Traffics gelungen. Unter anderem anhand von Chats könne man dies belegen, sagte er.
Anwalt erwartet "rechtliches Neuland"
"Die Staatsanwaltschaft muss liefern, sie muss beweisen", sagte einer der Verteidiger des hauptangeklagten Niederländers, Michael Eichin. Er habe den Eindruck, dass sein Mandant als "so ein Superschurke hochstilisiert" werden solle. Dass da auf dem Server "in erheblichem Umfang" illegale Seiten betrieben worden seien, sei Fakt. Dass sein Mandant von all dem gewusst haben soll, sei aber "absurd". Vor Gericht sagte der Niederländer, er werde sich später einlassen. Eichin sagte, sein Mandant sei "ein Nerd".
Gehostet wurden laut Anklage Märkte und Foren wie Cannabis Road, Fraudsters, Flugsvamp und Orangechemicals. Auch die Kontrollserver für die Angriffe auf eine Million Router von Telekom-Kunden im Jahr 2016 befanden sich in dem Rechenzentrum. Einer der Kunden war auch der bekannte Darknet-Marktplatz Wall Street Market, dessen Betreiber im April 2019 festgenommen wurden. Angerer trug in seiner fast zweistündigen Anklage Beispiele für Deals vor, die über die Marktplätze liefen: Ein Gramm Heroin gab es für 70 Euro, gefälschte Ausweise mit Hologramm für 70 bis 120 Euro.
Anwalt Eichin sagte, er hoffe "auf ein faires Verfahren". Es werde "ein langwieriger, ein aufreibender Prozess". Er rechne damit, dass auch "rechtliches Neuland betreten" werde. Und: Am Ende werde "die Sache sicherlich nicht hier in Trier entschieden. Egal, wie es ausgeht, wird sich der Bundesgerichtshof dazu äußern", sagte er. Eine Verurteilung wäre ein Novum in Deutschland. Erstmals würde damit ein Provider juristisch wegen des Speicherns von Kundendaten zur Verantwortung gezogen.
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