Crypto Wars: Regierung dementiert Pläne für "Verschlüsselungsverbot"
Das Innenministerium will weiterhin Ende-zu-Ende-Verschlüsselung fördern. Ermittler sollen "möglichst gering" in die Systeme eingreifen.

Das Bundesinnenministerium hat Berichte dementiert, wonach in einer geplanten Resolution der EU-Mitgliedstaaten ein Verbot oder eine Schwächung verschlüsselter Kommunikation gefordert würden. Der am Wochenende bekanntgewordene Entwurf enthalte "keinerlei Lösungsvorschläge oder Forderungen nach Schwächung von Verschlüsselungssystemen", sagte ein Sprecher von Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Dienstag auf Anfrage von Golem.de. Mit der Resolution solle "ein erster Schritt zur vertrauensvollen Diskussion und Kooperation von Politik, Wirtschaft und Academia getan werden".
Dem Entwurf zufolge wollen die EU-Mitgliedstaaten eine "bessere Balance" zwischen dem Schutz privater Kommunikation durch Verschlüsselung und der Verbrechensbekämpfung schaffen. Das fünfseitige Dokument (PDF) präferiert jedoch keine konkreten Verfahren zum Brechen von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung oder fordert gar deren Verbot. "Es sollte jedoch keine einzelne vorgeschriebene technische Lösung geben, um den Zugriff auf verschlüsselte Daten zu ermöglichen", heißt es in dem Papier.
Möglichst geringer Eingriff vorgesehen
Dem Sprecher zufolge wurde die Bundesregierung, die derzeit die EU-Ratspräsidentschaft ausübt, von den EU-Mitgliedstaaten beauftragt, eine Initiative "zum Umgang mit Verschlüsselung" ins Leben zu rufen. Ziel der Initiative sei es, "in einen dauerhaften Dialog mit der Industrie zu treten, um einen allgemeinen Konsens zu erzielen und zusammen mit der Industrie an Lösungsvorschlägen zu arbeiten, welche einen möglichst geringen Eingriff in die Verschlüsselungssysteme darstellen".
Die Bundesregierung hält dem Sprecher zufolge weiterhin an den Eckpunkten der deutschen Kryptopolitik von 1999 fest. Dazu zähle das Konzept einer "Sicherheit durch Verschlüsselung und Sicherheit trotz Verschlüsselung". Gleichzeitig wolle die Regierung unter Berufung auf den Koalitionsvertrag von 2018 neben dem Schutz von Firmengeheimnissen und persönlichen Daten über die Stärkung und Förderung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sicherstellen, "dass die Sicherheitsbehörden ihre bestehenden Befugnisse auch in der digitalen Welt anwenden und durchsetzen können".
Der Sprecher räumte ein, dass es dafür derzeit "keine einfachen technischen Lösungen" gebe. Daher liege der Schwerpunkt der Resolution "auf der Notwendigkeit, ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz von Firmengeheimnissen und persönlichen Daten und den Bedürfnissen der Sicherheitsbehörden zu erreichen".
Heftige Kritik an möglichen Eingriffen
Nach Ansicht von Sicherheitsexperten dürfte das Aufbrechen verschlüsselter Kommunikation, wie bei einem Man-in-the-middle-Angriff, jedoch keinen "möglichst geringen", sondern einen extremen Eingriff in Verschlüsselungssysteme darstellen.
Mehrere Organisationen und Verbände warnten daher davor, die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Kommunikation durch einen Generalschlüssel oder ein Verbot zu schwächen. Ein Generalschlüssel für Messengerdienste würde das Grundprinzip der Verschlüsselung aushebeln und damit die digitale Kommunikation aller Nutzer unsicherer machen, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des IT-Verbands Eco, Klaus Landefeld, und fügte hinzu: "Dieser tiefe Eingriff, der die IT-Sicherheit konterkariert und die bestehenden komplexen Softwaresysteme der Betreiber von Messenger-Diensten manipuliert, steht in keinem Verhältnis zum noch unbewiesenen Nutzen bei der Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung."
Auch der Chaos Computer Club (CCC) warnte davor, Verschlüsselungssysteme zu schwächen. "Sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung muss die Regel werden, um den Schutz von Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik im 21. Jahrhundert zu gewährleisten. Stattdessen würde uns dieser Schuss ins eigene Knie zurück in die Steinzeit katapultieren", sagte CCC-Sprecher Dirk Engling.
Nachtrag vom 11. November 2020, 16:36 Uhr
Das Bundesinnenministerium hat auf mehrfache Anfrage von Golem.de nicht die Frage beantwortet, ob die EU auch direkt mit Messengerdiensten wie Whatsapp, Signal oder Telegram über einen besseren Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation verhandeln wolle. In dem veröffentlichten Resolutionsentwurf ist nur allgemein von "Kommunikationsdienstleistern" die Rede, worunter in der Regel Telekommunikationsprovider wie die Deutsche Telekom oder Vodafone verstanden werden. In der Regierungspressekonferenz vom 9. November 2020 versicherte ein Sprecher des Innenministeriums zumindest: "Es geht jedenfalls bei der Initiative nicht darum, in irgendeiner Form eine Art Generalschlüssel zu definieren oder zu erstellen."
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+1 - egal, wie man es als Autor macht, macht man es wohl falsch.
Du meinst wohl dir auf den Senkel geht? Die Überschrift hat es doch bereits erahnen...
..whoops, jetzt haben wir ja doch Uploadfilter eingeführt! sowas aber auch. wollten wir...
Du übersiehst wohl, dass das Volk klettern muss und die Regierung nur die Seile anritzt.