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Crucial MX300 im Test: Erster 3D-Flash-Versuch gelungen

Crucial bringt die MX300- SSD mit einer untypischen Kapazität von 750 GByte. Auch der Controller samt 3D- Flash-Speicher mit 3-Bit-Zellen verhielt sich ungewöhnlich, weshalb Crucial nachbesserte.
/ Marc Sauter
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Crucial MX300 (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
Crucial MX300 Bild: Martin Wolf/Golem.de

Bereits Mitte April 2016 angekündigt , heute aber erst im Test: Crucials neue SSD namens MX300 debütiert mit einem Speicherplatz von 750 GByte. Ursprünglich sollte das Flash-Drive schon Ende April veröffentlicht werden, nach ersten Tests war Crucial mit den Resultaten aber nicht zufrieden und überarbeitete die Firmware - mit Erfolg. Eine Kapazität von 750 GByte gab es übrigens zuletzt bei Samsungs 840 Evo , die im Juli 2013 vorgestellt wurde.

Beide Modelle haben noch etwas gemeinsam: Die Hersteller verwenden NAND-Flash mit drei Bit pro Speicherzelle (Triple Level Cells). Im Falle der MX300 setzt Crucial allerdings auf geschichtete Zellen, was in der Branche als 3D-Speicher bezeichnet wird. Die neue SSD ist die erste der US-Amerikaner mit dieser Technik und sie wird einzig im 2,5-Zoll-Formfaktor angeboten. Kleinere Kapazitäten sowie M.2-Varianten folgen im Laufe des Sommers.

Der neue 3D-Speicher stammt vom Mutterkonzern Micron und wird in einem nicht näher benannten Verfahren gefertigt. Wenig überraschend lehnte der Hersteller selbst auf explizite Nachfrage eine Aussage ab. Samsungs aktueller 3D-TLC-NAND wird Tech Insights zufolge mit 21-nm-Technik produziert(öffnet im neuen Fenster) , was ein unerwartet fortschrittlicher Prozess ist, jedoch die Datendichte erklärt. Jedes Flash-Die von Microns 3D-TLC-Speicher besteht aus 32 Schichten, wobei physikalisch ein paar weitere Silizium- und Metal-Layer vorhanden sind. Die Kapazität jedes 169 mm^2(öffnet im neuen Fenster) messenden Chips beträgt 384 GBit, weshalb die Dichte etwas unterhalb von Samsungs aktuellem 3D-TLC-NAND liegt.

Wie bei der BX100 und der BX200 verwendet Crucial bei der MX300 keine Schrauben, beide Schalen des 7 mm hohen Gehäuses sind mit Clips arretiert. Darunter finden wir eine 2,5 Zoll messende Platine - Samsung kommt mit 1,8 Zoll für 1 TByte statt 750 GByte aus. Auf der Vorder- und Rückseite der MX300 sitzen je vier Flash-Packages, ein Controller und ein DRAM-Chip. Der FBGA-Code namens NW852 führt(öffnet im neuen Fenster) zur Part-Number MT29F768G08EEHBBJ4-3R:B, die ein Flash-Package mit 96 GByte im BGA-Formfaktor listet(öffnet im neuen Fenster) .

Ergo sind zwei Dies mit je 384 GBit verbaut,was bei acht Bausteinen insgesamt 16 dieser Flash-Chips und somit 768 Gibibit ergibt. Davon wird ein Teil als Spare Area für Over Provisioning verwendet, weswegen 750 GByte vorhanden und formatiert unter Windows 698 GByte ansprechbar sind.

Im Controller sitzen zwei Pokemon

Interessant ist die Angabe der Lebensdauer von hohen 220 Terabytes Written, was einer Menge von 120 GByte pro Tag geschriebenen Daten in drei Jahren entspricht. Die Anzahl der Program/Erase-Zyklen des Flash-Speichers gibt Crucial mit niedrigen 1.500 an. Dennoch ist das eine Haltbarkeit über planarem 16-nm-TLC-Flash, der bei 1.000 P/E-Zyklen liegt. Allerdings nutzt die höchste Haltbarkeit der Zellen nichts, wenn der SSD-Controller sie nicht clever verwaltet. Daher setzt Crucial auf einen Neuling von Marvell, der auch in Plextors M7V steckt.

Der 88SS1074-Controller von Marvell ist ein Mittelklasse-Modell: Er basiert auf zwei ARMv5-Kernen mit bis zu 400 MHz, die den Codenamen Dragonite tragen. Das ist die letzte Entwicklungsstufe des Pokemons Dratini(öffnet im neuen Fenster) , das seit der ersten Generation existiert. Der Controller verwendet vier Kanäle mit je acht Chip-Enablern und unterstützt eine fortgeschrittene LDPC(öffnet im neuen Fenster) -Fehlerkorrektur. Das ist wichtig, da bei drei Bit pro Zelle trotz 3D-Speicher die Anfälligkeit steigt. Crucial gibt an, eine modifizierte Firmware einzusetzen.

Marvell lässt den 88SS1074-Controller in einem 28-nm-Verfahren beim Auftragsfertiger TSMC produzieren. Ganz leicht kühlbar scheint der Chip nicht zu sein, denn Crucial verwendet Wärmeleitpaste. Die stellt den Kontakt zwischen dem Controller und der als Aluminium bestehenden Oberschale des SSD-Gehäuses her, welche die Hitze ableitet. Der 88SS1074 beherrscht DevSleep für eine niedrige Leistungsaufnahme im Leerlauf und eine Verschlüsselung per TCG/Opal 2.0, Crucial unterstützt mit der MX300-SSD beides. Hinzu kommt eine Power-Loss-Funktion (Data at Rest) in Form von Kondensatoren, bei der aber nur Mapping-Tabelle, nicht aber der DRAM-Inhalt gesichert werden.

Besagte MX300-Firmware war bei den ersten Mustern problematisch: Die Leserate in populären Benchmarks, vor allem aber bei echten Anwendungen lag deutlich unter der anderer SSDs wie Samsung 850 Pro oder 850 Evo oder Crucials eigener MX200. Der Hersteller rief die Samples daher zurück und optimierte die Software für "typische Endkunden-Umgebungen" . Die Dynamic Write Acceleration (DWA), bei die 3-Bit-Zellen nur mit einem Bit beschrieben werden, kann bis zu einem Drittel der SSD als großen SLC-Puffer ansprechen.

Da in Endkunden-Umgebungen jedoch häufiger Daten gelesen als geschrieben werden, etwa Spiele geladen oder Foto-Alben geöffnet, hat Crucial mit dem Firmware-Update insbesondere die Leserate gesteigert.

Solide Sata-Geschwindigkeit

Sollten besonders viele Dateien auf einmal geschrieben werden - Crucial spricht von 30 GByte oder mehr - landen die Informationen direkt in den TLCs. Der Kurztest mit einer 50 GByte umfassenden Packdatei zeigte aber, dass die MX300 zumindest diese Daten fast durchweg mit etwa 470 MByte pro Sekunde in den SLC-Puffer schreibt. Sobald wir aber einen Ordner voller Raw-Fotos auf die Crucial-SSD kopieren, sinkt die Datenrate nach etwa 25 GByte auf 300 MByte pro Sekunde ab. Die Gegenprobe mit HD Tach untermauert das.

Die von Crucial überarbeitete Dynamic Write Acceleration arbeitet nahezu unabhängig von der Datenmenge oder dem Füllstand der SSDs: Egal ob wir 5, 10 oder 50 GByte an einem Stück oder in Form gemischter Dateien schreiben, die Geschwindigkeit bleibt quasi identisch. Auch bei nahezu vollem Flash-Drive scheint die MX300 in der Spare Area noch Platz vorzuhalten, um Schreibzugriffe zu beschleunigen. Verglichen mit anderen SSDs wie Crucials eigener MX200 und Samsungs 850 Evo/Pro ist die Leistung daher recht ähnlich.

Auffällig ist hingegen die Leserate: Die MX300 zeigt immer mal wieder Werte deutlich unter denen der Konkurrenz, die eher an ein Einsteiger-Modell wie die BX200 denn an eine Mittelklasse-SSD erinnern. Beim Öffnen von Fotos oder Videos zur Bearbeitung hat das allerdings nur einen geringen Einfluss, sofern nicht dutzende Dateien auf einen Schlag eingelesen werden. Auch die Ladezeiten von Spielen liegen bei der MX300 gleichauf mit anderen Flash-Drives, da bei den allermeisten Titeln die CPU-Geschwindigkeit der limitierende Faktor ist.

Bei all unseren Tests wird die zu prüfende SSD als sekundäres Laufwerk verwendet, Windows 10 ist dezidiert auf einem Solid-State-Drive installiert. Die Messwerte der Computerbase(öffnet im neuen Fenster) legen nahe, dass die MX300 als primäres Laufwerk so ihre Probleme hat, und die Dynamic Write Acceleration zu einer zumindest teilweise inkonsistenten Leistung führt. Ein Kurztest mit unserer geklonten Windows-10-SSD und einem Dupliziertest verglichen mit einer Samsung 850 Evo v2 bestätigte die beschriebene schwankende Geschwindigkeit.

Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels blieb nicht ausreichend Zeit, um die Resultate zu verifizieren. Sollten weitere Tests die Problematik untermauern, werden wir Crucial damit konfrontieren.

Verfügbarkeit und Fazit

Crucial führt die MX300 im 2,5-Zoll-Format mit einer Kapazität von 750 GByte für 211 Euro. Damit positioniert der Hersteller die SSD zwischen den 500-GByte- und den 1-TByte-Angeboten der Mitbewerber. Zum Lieferumfang gehört ein Key für Acronis True Image HD und ein 9,5-mm-Adapter. Im dritten Quartal 2016 folgen MX300-Modelle mit 275 GByte (M.2-Bauweise und 2,5 Zoll) sowie 525 und 1.050 GByte (2,5 Zoll). Für das dritte Quartal 2016 plant Micron Letztere auch als M.2-Kärtchen und als 2.050-GByte-Variante im 2,5-Zoll-Format.

Fazit

Bedingt durch den ungewöhnlichen Speicherplatz von 750 GByte hat Crucials MX300 preislich keinen direkten Gegner: Typische 500-GByte-Angebote liegen bei 120 bis 150 Euro, doppelt so große 1-TByte-Modelle sind für 240 bis 280 Euro und höher verfügbar. Die MX300 hingegen ist für etwas unter 200 Euro gelistet, der Straßenpreis dürfte sich daher bei 180 bis 190 Euro einpendeln.

Für diesen Preis erscheint uns die MX300 als gutes Angebot, da sie sehr viel Kapazität pro Euro aufweist und keine massiven Schwächen zeigt. Die Dynamic Write Acceleration sorgt für eine beschleunigte Schreibgeschwindigkeit im Consumer-Umfeld, wo die SSD vorrangig für Multimedia-Dateien oder Spiele verwendet werden dürfte. Die Leserate liegt in einigen Szenarien unterhalb von Modellen wie Samsungs ebenfalls sehr günstiger 850 Evo v2.

Die unterstützt ebenfalls eine AES-256-Bit-Verschlüsselung, dafür fehlt ihr eine Power-Loss-Funktion und die Vollversion von Acronis True Image HD. Vorteil bei Samsung ist die Garantie von fünf statt drei Jahren, die ungewöhnliche Kapazität macht die MX300 aber in der vorliegenden Version einzigartig.


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