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Cologne Chip: Als kleiner Chiphersteller in Deutschland erfolgreich

Cologne Chip hat sich mit ISDN -Chips und FPGAs am Halbleitermarkt etabliert - und das, obwohl es Start-ups hier nicht leicht haben, wie der CEO sagt.
/ Johannes Hiltscher
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Unverkennbar aus Köln: Cologne Chips FPGA Gatemate (Bild: Cologne Chip)
Unverkennbar aus Köln: Cologne Chips FPGA Gatemate Bild: Cologne Chip

Die Halbleiterbranche in Deutschland ist auf den ersten Blick übersichtlich: Infineon, Bosch, Globalfoundries als Fertiger - viel mehr kommt spontan nicht in den Sinn. Dabei gibt es durchaus kleine Hersteller, die, wenn auch ohne eigene Fertigung (Fabless), erfolgreich Marktnischen erobert haben.

Einer davon ist Cologne Chip(öffnet im neuen Fenster) . Das Unternehmen entwirft - der Name verrät es - in Köln seit fast 30 Jahren Halbleiter. CEO Michael Gude hat Golem.de im Interview Details dazu erzählt und einen Einblick in die Probleme der Branche gegeben.

Begonnen hat alles 1995 mit der Cologne Chip Designs GmbH, die 2000 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Im Auftrag eines Konsortiums sollte die einen ISDN-Chip entwerfen und zur Produktionsreife bringen, da andere Unternehmen wie Siemens Halbleiter - heute Infineon - diesen nicht liefern konnten. Mit mehreren Generationen vollständig in digitaler CMOS-Technologie (Complementary Metal-Oxide Semiconductor) gefertigter Ein-Chip-Lösung hatte das Unternehmen über Jahre ein Alleinstellungsmerkmal.

Obwohl ISDN längst überholt scheint, verdient Cologne Chip damit noch immer Geld: Gude erklärt, dass Nutzer mit großen Telefonanlagen diese aus Kostengründen oft nicht komplett ersetzen können oder wollen. Daher gebe es noch immer Nachfrage nach ISDN-Chips, um Voice over IP auf ISDN zu übersetzen.

Ein FPGA made in Germany

Dennoch ist die Hochzeit des ersten digitalen Kommunikationsnetzes vorbei - für Cologne Chip musste ein neues Produkt her. Das Unternehmen entschied sich für die Entwicklung eines FPGA (Field-Programmable Gate-Array).

Das mag ungewöhnlich erscheinen, handelt es sich doch um einen relativ kleinen Markt, den sich zudem AMD und Intel fast vollständig aufteilen. Genau das habe aber am Ende den Ausschlag gegeben, sagt der CEO: Denn gerade, weil der Markt verhältnismäßig klein sei, seien hier gute Gewinnspannen möglich. "Und wir hatten schon seit Jahren wirklich viel FPGA-Erfahrung" , erklärt Gude, "weil wir unsere ISDN-Chips damit evaluiert haben." Dabei will Cologne Chip nicht im High-End-Bereich mitspielen, sondern vielmehr günstige Alternativen zu FPGAs aus älteren Baureihen anbieten, die AMD und Intel einstellen.

Der eigene FPGA kam 2020 unter dem Namen Gatemate(öffnet im neuen Fenster) auf den Markt - Entwicklung und Fertigung erfolgen vollständig in Deutschland. Cologne Chip hat nicht nur ein eigenes Format für die Look-up-Tabellen (LUTs) entwickelt, mit denen Logikfunktionen abgebildet werden.

Auch einen Mechanismus, über den sich mit nur einem Maskensatz unterschiedlich große FPGAs herstellen lassen, hat sich das Unternehmen patentieren lassen. Der Trick: Gefertigt werden eigenständige FPGA-Einheiten, die aber auf dem Wafer untereinander verbunden sind. Erst beim Zerteilen (Dicing) wird entschieden, wie viele FPGA-Einheiten auf einem Siliziumstück verbleiben.

Neben der A1-Variante mit einer FPGA-Einheit werden aktuell Kunden mit der A2-Variante mit zwei Einheiten bemustert. Maximal vorgesehen ist ein Chip mit 5 x 5 FPGA-Einheiten, die größeren Varianten will Cologne Chip allerdings erst herstellen, wenn Kunden sie nachfragen. Denn auch, wenn das Silizium einfach zu realisieren ist, braucht jede Variante ein passendes Package - dessen Entwicklung auch Geld kostet.

Anders als die ISDN-Chips wird Gatemate zudem in Deutschland hergestellt.

Man muss nicht alles selber machen

Gefertigt werden die Chips in Dresden bei Globalfoundries im 28-nm-SLP-Prozess (Super Low Power). Das ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal und nimmt Kunden Sorgen um ihre Lieferkette: "Früher war eigentlich nur die Frage, wer kann eine bestimmte Qualität zu einem entsprechenden Preis liefern. Heute ist aber die Frage, wo kommt die Sache her? Ist da morgen ein Strafzoll drauf? Kriege ich das Bauteil überhaupt noch wegen Lieferkettenproblemen etc.?"

Eigentlich sollte bereits der erste ISDN-Chip in Deutschland gefertigt werden, genauer gesagt vom Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Systeme (IMS)(öffnet im neuen Fenster) in Duisburg und Elmos in Dortmund. Das ging allerdings nicht auf, weshalb das Unternehmen mehrfach den Fertiger wechselte: Zunächst kamen die Chips von Sharp aus Japan, dann von Samsung, heute kommen sie von Vanguard International Semiconductor(öffnet im neuen Fenster) aus Taiwan.

Cologne Chip hat dabei nicht den Anspruch, möglichst viel selber zu machen: Das physische Design des Gatemate hat Racyics(öffnet im neuen Fenster) aus Dresden übernommen - ein Unternehmen aus dem direkten Umfeld von Globalfoundries. Laut Gude war das eine ganz pragmatische Entscheidung: Allein die Entwurfssoftware (kurz EDA für Electronic Design Automation) sei extrem teuer und damit für kleine Unternehmen kaum bezahlbar.

Ein Herz für Open Source

Diese Offenheit setzt sich bei der Entwurfssoftware für den FPGA fort: Hier setzt Cologne Chip auf die freie Synthesesoftware Yosys(öffnet im neuen Fenster) , die selbst entwickelte Software für Platzierung und Verschaltung der abgeleiteten Logik (Place and Route) soll bald durch Nextpnr ersetzt werden. Das wird ebenfalls vom Yosys-Team um Claire Wolf entwickelt.

Das unterscheidet Gatemate von den FPGAs der beiden Branchengrößen AMD und Altera (das noch zu Intel gehört), die Details zu ihren programmierbaren Bausteinen nicht herausgeben. Cologne Chip hingegen habe an proprietärer Software kein Interesse, sagt Gude: "Wir wollen Chips verkaufen, nicht Software."

Auf die Zusammenarbeit mit der Open-Source-Community setzt Cologne Chip bereits lange: "Das hat bei uns eine lange Historie, das war auch im ISDN-Bereich schon so, dass wir Linux-Treiber in der Open-Source-Community unterstützt haben," sagt Gude.

Bei seinen Entwicklungen profitierte Cologne Chip stets von Förderprogrammen - die allerdings nicht immer gut funktionieren.

Europas Industriekultur verspielt Innovationsfähigkeit

Die zehnjährige Entwicklung des Gatemate etwa wurde durch das europäische Programm IPCEI ME(öffnet im neuen Fenster) (Important Projects of Common European Interest im Bereich Mikroelektronik) gefördert. Auch im Rahmen des Nachfolgeprogramms IPCEI ME/KT(öffnet im neuen Fenster) (Mikroelektronik und Kommunikationstechnologie) sollte Cologne Chip Geld erhalten - 21 Millionen Euro stünden bereit. Doch die Sache hat einen Haken: Das Unternehmen findet keinen privatwirtschaftlichen Investor.

Der ist allerdings Voraussetzung, um die Förderung ausgezahlt zu bekommen - die damit auf der Kippe steht. Denn in Deutschland und Europa wolle "keiner in Halbleiter, Start-ups oder Projekte zweistellige Millionenbeträge investieren" . Große Finanzierungsrunden wie zuletzt etwa für Black Semiconductor, das 255 Millionen Euro einsammelte(öffnet im neuen Fenster) , seien selten und für Gründer mit hohem Aufwand verbunden. Einen Grund dafür sieht Gude in der europäischen Industriekultur.

Große Unternehmen wollen nicht bei Start-ups kaufen

Anders als in den USA blieben in Europa die großen Unternehmen unter sich. So sei eine Kooperation mit Start-ups quasi verpönt, man verlasse sich stattdessen auf große und etablierte Zulieferer. Das sei zwar auf kurze Sicht günstiger, langfristig gehe so aber Innovationspotenzial verloren: "Die Start-ups sind in der Regel die Innovationsträger, nicht die großen Tanker."

Zwar versuchten Unternehmen wie VW, im eigenen Haus eine Start-up-Kultur zu etablieren - bislang allerdings ohne Erfolg. VWs Softwaretochter Cariad etwa macht seit Jahren Negativschlagzeilen .

Dicke Bretter statt einfacher Lösungen

Einfache Lösungen, wie Europa sein Ziel erreichen kann, am Halbleitermarkt eine größere Rolle zu spielen, hat auch Gude nicht. An öffentlicher Förderung mangelt es seiner Meinung nach nicht, auch wenn große Unternehmen bevorzugt würden. Für kleine Unternehmen sieht er ausreichend Möglichkeiten, an öffentliche Förderung zu gelangen.

Auch die Auflage, einen Investor aus der Wirtschaft zu finden, hält er eigentlich für eine gute Sache: Ein Partner, der sich am Markt auskenne und an die Idee eines Start-ups glaube, könne wenig erfolgversprechende Konzepte aussieben und sich auf die erfolgversprechenden konzentrieren.

Mehr Geld und niedrigere Fördervoraussetzungen, etwa eine vollständige öffentliche Finanzierung, seien hingegen kontraproduktiv. Viele Gründer seien zwar fachlich gut, ihnen fehle aber der unternehmerische Sachverstand.

Gude hält es daher für wichtiger, vom klassischen Verhältnis wegzukommen, dass von zehn Start-ups neun scheitern, etwa durch eine praxisnähere Ausbildung, um mehr Ideen aus der Forschung in Produkte zu verwandeln. Dafür kooperiert Cologne Chip etwa mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, um die FPGA-Ausbildung an deutschen Hochschulen zu verbessern - selbstverständlich mit Gatemate-FPGAs.


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