Cobot: Nicht so grob, Kollege Roboter!

Hallen mit Produktionsstraßen, an denen Roboter in abgesperrten Bereichen unter sich sind, Teile wuchten, schweißen, montieren, ohne dass ein Mensch in der Nähe ist - das soll es künftig nicht mehr geben: Die Sperren sollen verschwinden, Menschen und Roboter Seite an Seite arbeiten. Das klingt gut, ist aber nicht so einfach umsetzbar.

"Sie können nicht einfach die Zäune entfallen lassen - das sind ja automatisierte Systeme, die würden den Mitarbeiter gefährden" , sagt Markus Klaiber, technischer Geschäftsführer von Schunk(öffnet im neuen Fenster) , einem der führenden Hersteller von robotischen Greifern. Die Bewegung eines Roboterarms kann einem Menschen zum Verhängnis werden: 2015 hat es zwei tödliche Unfälle mit Robotern gegeben, einen in Deutschland und einen in den USA .
Cobots sind im Trend
Deshalb müssten neue Roboter entwickelt werden, die für die Mensch-Roboter-Kollaboration, kurz MRK, geeignet sind: kollaborative Roboter oder kurz Cobots (Abkürzung von Collaborative Robot). Sie sind eines der Trendthemen auf der Hannover Messe in diesem Jahr.








Die Anforderung für MRK komme aus der Industrie, sagt Klaiber: Die Automobilhersteller etwa bieten ihren Kunden heute viel mehr Baureihen, und jede Baureihe gibt es in verschiedenen Ausfertigungen, etwa als Coupé oder mit Kastenheck. Das führe dazu, dass Produktionsanlagen sehr schnell von einem Modell auf ein anderes umgestellt werden müssten. "Da sind Zäune im Weg."
Der Mensch erledigt die interessanten Aufgaben
Ein typisches Einsatzszenario für einen Cobot ist das Be- und Entladen einer Maschine. Eine andere Möglichkeit sei der Einsatz "in der Montagelinie, wo es wiederkehrende Tätigkeiten gibt, die man dem menschlichen Kollegen gar nicht mehr geben will, weil zu stupide, zu einfach" , sagt Klaiber. "Das lässt man den Roboter machen. Das Anspruchsvolle - das Prüfen, das Messen, das feine Montieren -, das lässt man dem Mitarbeiter."
Wie ein solcher kombinierter Arbeitsplatz aussehen kann, zeigt das Esslinger Unternehmen Festo(öffnet im neuen Fenster) an seinem Messestand (Halle 15, Stand D11): Ein Mensch baut eine kleine Maschine aus Kunststoffteilen zusammen und der Roboter geht ihm dabei zur Hand: Er reicht Teile an oder hält das Werkstück, damit der Mensch beide Hände zum Arbeiten frei hat.
Damit der Roboter seinen menschlichen Kollegen bei einem Zusammenstoß nicht ernstlich verletzt, ist er auf eine möglichst geringe Steifigkeit ausgelegt.
Der Roboter darf den Menschen nicht verletzen
Das erreicht Festo durch einen pneumatischen Antrieb. Der Bionic Cobot(öffnet im neuen Fenster) sei "der erste Sieben-Achsen-Roboter, der voll pneumatisch funktioniert" , sagt Elias Knubben, Leiter des Corporate Bionic Projects bei Festo, im Gespräch mit Golem.de.








Die Gelenke des Roboters bestehen aus zwei Druckkammern, die durch einen Flügel getrennt sind. Beide Kammern können unabhängig voneinander mit Druckluft beaufschlagt werden, um den Flügel in die eine oder die andere Richtung zu bewegen. Je nach dem Druckniveau ist die Bewegung sanft oder kraftvoll - da die Luft komprimierbar ist, lässt sich die Steifigkeit stufenlos einstellen.
Kraft bei minimaler Steifigkeit
"Wir versuchen grundsätzlich, jede Aufgabe mit der minimal möglichen Steifigkeit zu erledigen" , sagt Knubben. Bei einer Kollision ist der Aufprall nicht so schlimm. Allerdings kann der Roboter auch Kraft aufwenden, wenn der Mensch an einem Bauteil arbeitet und der Roboter mit maximaler Kraft dagegenhalten muss. "Das können wir alles über die Druckniveaus steuern" , erklärt Knubben.
Das Teil des Roboters, mit dem Menschen am ehesten in Kontakt kommen, ist der Greifer. Hier besteht also die größte Verletzungsgefahr. Schunk stellt in Hannover einen Greifer für Cobots vor, den Co-act JL1, der mit dem Hermes Award ausgezeichnet worden ist (Halle 17, Stand B26). Co-act steht für Collaborative Actuators(öffnet im neuen Fenster) , sie sind dafür geschaffen, dass der Mensch gefahrlos mit ihnen interagieren kann.
Der Greifer erkennt Werkstück und Mensch
Der Greifer JL1 ist unter anderem mit Kraftsensoren, verschiedenen Kameras und kapazitiven Sensoren ausgestattet. Eine intelligente Software wertet die Sensordaten aus und stoppt den Greifer, wenn ein Mensch ihm zu nahe kommt. Außerdem nutzt der Greifer die Sensoren für die Arbeit: So nutzt er die Kamera für die Objekterfassung und -erkennung. Wird ihm ein Objekt vorgegeben, kann er es suchen und aufnehmen.
Festo geht einen anderen Weg: Das Unternehmen hat seinen Greifer so gebaut, dass keine Verletzungsgefahr besteht: Der Octopus Gripper besteht aus weichem Silikon und wird mit Luft betrieben.
Doch ein Cobot muss nicht nur ungefährlich sein. Auch eine einfache Bedienung ist wichtig.
Einfache Bedienung
Der JL1 etwa hat einen Touchscreen, über den der Nutzer ihm Anweisungen erteilen kann. Der Bionic Cobot hat mehrere Tasten, über die eine Programmierung per Hand möglich ist: Der Mensch führt den Roboterarm und zeigt ihm so, welche Bewegungen er ausführen soll.








Daneben gibt es die Möglichkeit, den Bionic Cobot per Computer zu steuern - ohne dass dafür Programmierkenntnisse nötig sind: Die Aktionen, die der Roboter durchführen kann, sind in der Bedienungsoberfläche durch Icons repräsentiert. Per Drag-and-Drop stellt der Nutzer Abläufe zu einer Sequenz zusammen, testet in dem Programm, ob das funktioniert und lässt den Roboter dann arbeiten.
Kuka und Rethink Robotics sind Vorreiter
Zu den Vorreitern auf diesem Gebiet gehört neben dem Augsburger Roboterhersteller Kuka(öffnet im neuen Fenster) das US-Unternehmen Rethink Robotics(öffnet im neuen Fenster) , das dieses Jahr zum zweiten Mal in Hannover vertreten ist (Halle 17, Stand C23). Es wurde 2008 von Rodney Brooks gegründet, einem ehemaligen Professor für Robotik am Massachusetts Institute of Technology und dem Gründer des Roboterherstellers iRobot, der mit Robotern für die Armee und den Haushalt erfolgreich ist.
Als iRobot nach einem Produzenten für seine Roboter suchte, fiel Brooks auf, dass in der Elektronikbranche immer noch sehr viel Arbeit per Hand erledigt wird. So kam er auf die Idee, Roboter zu entwickeln, die mit dem Menschen zusammenarbeiten können. 2012 stellte er Baxter vor, 2015 kamen Sawyer(öffnet im neuen Fenster) und Intera 5(öffnet im neuen Fenster) dazu.
"Wir bauen Roboter, die in bereits vorhandene Arbeitsplätze passen" , sagte Produktmanager Brian Benoit vor einiger Zeit im Gespräch mit Golem.de . Auch Rethink Robotics setzt auf einfache Bedienbarkeit: "Das senkt die Barriere für die Leute, den Roboter zu trainieren. Man muss kein Experte sein. Wer ein Mobiltelefon bedienen kann, kann auch diese Roboter bedienen."



