Innovation scheitert am trägen Telekom-Konzern
Erst auf den zweiten Blick ist die Deutsche Telekom gut für die Cloud-Gaming-Nische aufgestellt. Die größten Anbieter sind die Cloud-Serverbetreiber Microsoft, Amazon und Google sowie Chipproduzent Nvidia mit Geforce Now, nicht etwa die alteingesessenen Konsolenhersteller Sony oder Nintendo. Das zeigt, dass die technischen Herausforderungen beim Cloud Gaming vor allem in der Infrastruktur liegen.
Die Telekom hat weder Server noch Grafikkarten, dafür aber ein Netzwerk. Denn ohne eine stabile und schnelle Internetverbindung scheitert der Stream eines Videospiels an den Latenzen zwischen Spieler und Server - ganz egal, mit wie viel Frames pro Sekunde ein Spiel auf der Serverfarm abgespielt wird. Darin sieht die Telekom ihre Daseinsberechtigung im Cloud-Gaming-Segment.
Während die Benutzeroberfläche intern entwickelt wird, holt man sich für die Streamingtechnologie Unterstützung von außen. Der in Stettin ansässige Anbieter RemoteMyApp liefert die Hardware. Im November 2021 übernimmt Intel das Startup. Zu diesem Zeitpunkt muss die Zukunft von Magenta Gaming innerhalb der Telekom schon absehbar sein.
Scheitern ohne Ansage
Anfang Dezember 2021 kündigt Dominik Lauf an, sein Projekt zu verlassen. Die Telekom teilt Golem.de mit, das Team sei "frühzeitig in das Abmanagement der Plattform einbezogen" worden und habe "die Einstellung der Plattform mit begleitet". Schaut man sich die letzten öffentlichen Auftritte des Projektleiters an, entsteht ein anderer Eindruck.
Im September 2021 ist Lauf im Podcast Cloudplay zu Gast, kündigt neue Funktionen an und spricht mit merklicher Begeisterung über die Ambitionen von Magenta Gaming. Noch im November wird er auf einem eigenen Youtube-Kanal der Telekom interviewt. Das Gespräch endet mit einem Aufruf: "Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, es einmal auszuprobieren."
Auch Partner der Telekom erfahren teils erst einen Tag vor der öffentlichen Ankündigung von der Abschaltung. Die Entwickler und Publisher, mit denen Golem.de sprechen konnte, haben zwar keine finanziellen Verluste erlitten. Dem vom Team um Magenta Gaming aufgebaute Vertrauen innerhalb der Branche fügt das Vorgehen dennoch schweren Schaden zu.
Über die genauen Gründe für das Aus lässt sich nur spekulieren. Zu den Kundenzahlen äußert sich die Telekom gegenüber Golem.de nicht, sie dürften aber der Hauptgrund sein. Aus den Highscores von Spielen wie Chromagun lässt sich die Reichweite ungefähr ableiten. Das erste Level des Shooters beendeten demnach 73 Spieler. Bei Ghostrunner sind es nicht einmal 10.
Cloud Gaming ist irgendwann die Zukunft
Als Projektleiter Dominik Lauf seinen Abschied von Magenta Gaming verkündet, ist er weiterhin überzeugt, dass Cloud Gaming die Zukunft des Gaming sein wird. Auch die Deutsche Telekom "glaubt weiterhin an das Wachstum von Cloud-Gaming-Diensten", teilt eine Sprecherin des Unternehmens Golem.de mit.
Man wolle das Engagement im Gaming-Markt fortsetzen, "unter anderem mit dem Ausbau von Glasfaser und 5G arbeiten wir weiter an schnellen, stabilen Internetverbindungen und extrem kurzen Reaktionszeiten".
Das Aus von Magenta Gaming kommt fast zeitgleich mit dem Bericht über eine Neuausrichtung beim Konkurrenten Google Stadia. Offiziell hat der Dienst noch eine Zukunft, auch wenn Stadia Pro im Vergleich mit anderen Gaming-Abonnements abgeschlagen ist. Doch auch Google denkt über Umstrukturierungen nach. Ähnlich wie bei der Telekom liegen die Probleme von Stadia weniger in der Technik als im lückenhaften Portfolio.
Analysten stimmen eher Laufs optimistischem Ausblick zu. Newzoo schätzt, dass Cloud Gaming im Jahr 2024 weltweit mehr als 6 Milliarden US-Dollar Umsatz machen wird. Allein in Deutschland haben Dienste wie Geforce Now und Stadia im Jahr 2020 laut Branchenverband Game immerhin 72 Millionen Euro umgesetzt. Und das, obwohl der Breitbandausbau hierzulande im internationalen Vergleich weiter hinterherhinkt.
Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass Cloud Gaming langfristig eine Alternative zum Download sein wird, auch wenn noch lange nicht alles perfekt läuft. Microsoft, Nvidia, Sony - alle großen Gaming-Firmen arbeiten an oder haben bereits einen eigenen Streamingdienst. Und schon jetzt ist absehbar, dass Datenträger bald aussterben werden. Es ist letztendlich nur eine Frage der Zeit. Genau diese Zeit hat die Deutsche Telekom Magenta Gaming nicht gegeben.
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
- ohne Werbung
- mit ausgeschaltetem Javascript
- mit RSS-Volltext-Feed
Cloud Gaming: Aus die Cloud |
- 1
- 2
Probieren geht über studieren. Rückschläge gibts immer. Mir ging es nur um Deine...
Playstation Now ist auch interessant, weil es das Archivierungs-Problem von Spielen...
Nichts ist so schwerfällig wie die Gamer die sich über ihre hochgezüchteten Boliden unter...
Das ist, mit Verlaub, kompletter Unfug. Natürlich sieht der Händler, ob eine Prepaid...