Erst die Kanone, dann die Muskete
Die Mongolen waren es auch, die das Schwarzpulver nach Europa brachten. Auch diese große Erfindung in der Kriegsführung verlief ganz anders als in Civilization. Kaum ist das Schwarzpulver erfunden, laufen dort die ersten Musketiere über die Schlachtfelder des Computerspiels. Dabei sind Musketen echte Hightech-Waffen. Von der Erfindung des Schwarzpulvers bis zu den ersten Musketen dauerte es mehr als ein halbes Jahrtausend.
Die erste Beschreibung von Schwarzpulver stammt aus China, am Ende der Tang-Dynasty im 9. Jahrhundert. Alchemistische Experimente von daoistischen Mönchen führten zu seiner Entdeckung. Die erste schriftliche Beschreibung von Schwarzpulverwaffen und deren Herstellung stammt aus dem Wujing Zungyao, einem chinesischen Militärhandbuch von 1044, während der Song-Dynastie. Es beschrieb Granaten und per Katapult geworfene Bomben. Knapp 100 Jahre später wurden die ersten Bambuskanonen gebaut, noch später auch Kanonen aus Bronze. Die älteste Kanone mit einer Jahreszahl stammt aus dem Jahr 1298, ebenso aus China, diesmal unter mongolischer Herrschaft während der Yuan-Dynastie.
Kurzum: Granaten, Bomben und Kanonen waren zuerst da. Von tragbaren Schusswaffen war die Entwicklung noch weit entfernt. Von den ersten Kanonen ausgehend gab es zwei Entwicklungsrichtungen. Einmal sollten die Kanonen größer werden, um Katapulte zu ersetzen und Mauern zerstören zu können. Wie gut sie das konnten, bewiesen die Osmanen im Jahr 1453, als sie die Stadtmauern von Konstantinopel zerstörten und die Stadt endgültig einnahmen.
Die Entwicklung der Muskete brauchte Jahrhunderte
Zum anderen sollten die Kanonen kleiner und tragbarer werden. In den 1420er-Jahren hatten damit die Hussiten in Tschechien große Erfolge. Sie entwickelten kleine Kanonen mit einem Haken, der auf einer Mauer eingehakt wurde. Die Mauern waren in dem Fall Wände von Wagen, die im Kreis zu einer Wagenburg aufgebaut wurden. Zur gleichen Zeit gab es aber auch Handkanonen an langen Holzstangen, die in den Boden gerammt wurden, um den Rückstoß abzufangen.
Aber Musketen mit kleinem Kaliber, langen Läufen und einhändig zu bedienendem Abzug wurden erst im 16. Jahrhundert entwickelt. Auch hier ist die strategische Ressource fragwürdig. Tatsächlich war Salpeter als wichtigster Bestandteil von Schwarzpulver immer knapp. Aber spätestens am Ende des 14. Jahrhunderts wurde Salpeter in Europa auch aus Urin hergestellt, möglicherweise anderswo noch eher. Damit wurde die Herstellung von Salpeter zwar anrüchig, aber immerhin unabhängig von Mineralvorkommen.
Auch Aluminium ist keine strategische Ressource
Wer nun glaubt, diese Missverständnisse lägen an der langen Zeit seit dieser Entwicklung muss nur die strategischen Metalle in der Neuzeit anschauen. Wer Flugzeuge bauen will, braucht Aluminium. In Civilization 6 ist auch das eine strategische Ressource im späten Endspiel. Aber auf unserer Liste der häufigsten Elemente in der Erdkruste findet sich Aluminium sogar noch über dem Eisen auf Platz 3. Vielleicht sollte in der Computerära noch Silizium als strategische Ressource hinzukommen, das ist auf Platz 2. Der erste Platz ist übrigens der Sauerstoff, der die vielen Oxide bildet, aus denen unser Gestein besteht.
Aber allen Sarkasmus beiseite: Ein Korn Wahrheit steckt dennoch darin. Der Prozess zur Herstellung von Aluminium benötigte zunächst das sehr seltene Mineral Kryolith, das mit Aluminiumoxid vermischt wurde, um die Schmelztemperaturen zu verringern. Bis in den zweiten Weltkrieg hinein war Kryolith eine entscheidende Ressource. In modernen Verfahren wird das Kryolith synthetisch hergestellt.
Papier und Buchdruck stammen aus der Zeit der Han-Dynastie in China. Zur Zeit des Aufstiegs des römischen Reichs in Europa entstanden in China die ersten Bücher als Holzblockdrucke, 1.500 Jahre vor den ersten Exemplaren in Europa. Der Druck mit beweglichen Lettern aus Metall wurde dort im 12. Jahrhundert erfunden, etwa 300 Jahre vor Gutenberg. Alles das dringt nur langsam in den Geschichtsunterricht vor.
Dort dient der Buchdruck allenfalls zur Einführung der Gutenbergbibel, des Protestantismus und schließlich des 30-jährigen Krieges, der uns den Westfälischen Frieden und das Konzept des modernen Staates brachte. Weil Civilization diese Erzählung der Geschichte nachbildet, ist es unmöglich, dort das echte China nachzuspielen. Papier und Buchdruck sind dort zwangsweise Erfindungen der Renaissance, obwohl es sie schon in der klassischen Antike gab.
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In der Steppe leben nicht nur Barbaren | Hat die westliche Welt den Kultursieg geschafft? |
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Du meinst die Länder ohne funktionierende Marktwirtschaft?
Sicher, dass das eine offizielle Aussage ist? Das wäre fatal. Ich bin bei dir, das...
..eher erschreckend das es anscheinend für einige neue Informationen sind. CIV hat mit...