Chiffriermaschine: Mühsame Detektivarbeit an Enigma-Funden aus der Ostsee

Wo wurden die in der Ostsee gefundenen Enigmas eingesetzt? Diese Frage beschäftigt Wissenschaftler. Vieles an dem Fund ist noch ungeklärt.

Artikel veröffentlicht am , /dpa
Eine Enigma im Museum von Bletchley Park.
Eine Enigma im Museum von Bletchley Park. (Bild: Ian Waldie/Getty Images)

Die in der Ostsee und der Schlei gefundenen Enigma-Chiffriermaschinen bergen weiter Rätsel. "Bei mir tauchen bei der Arbeit an den Maschinen immer wieder neue Fragezeichen im Kopf auf", sagte die archäologische Restauratorin Corinna Mayer der Deutschen Presse-Agentur. Seit Monaten arbeitet die 42-Jährige in der Archäologischen Zentralwerkstatt auf Schloss Gottorf in Schleswig an den Funden. Sie sind nach Jahrzehnten im Wasser in desolatem Zustand. Nur zwei der sieben Maschinen sind überhaupt komplett, die anderen wurden bereits vorher zerstört.

"Bei der Ende 2020 in der Geltinger Bucht gefundenen Enigma handelt es sich um ein Modell M4 mit vier Chiffrierwalzen", sagt Mayer. Zu dem Konglomerat aus sechs Enigmas aus der Schlei gehörten mindestens drei M4 und zwei M3 mit drei Walzen. Bei der letzten sei sie noch nicht sicher. "Die Frage lautet: Wie gelangen M4 von U-Booten in den Hafen von Kappeln?" Fest stehe, dass dort gegen Kriegsende viele Schiffe gelegen hätten.

Durch Zufall waren Taucher im November 2020 in der Geltinger Bucht und im Januar 2021 in der Schlei auf die Enigma gestoßen - sie wollten in einem Fall eigentlich Geisternetze und im anderen einen Propeller bergen. Im Zweiten Weltkrieg diente die Enigma mit ihren 26 Buchstaben-Tasten und ebenso vielen Leuchtfeldern mit jenen Buchstaben, die den Text bildeten, der Verschlüsselung des Nachrichtenverkehrs. Es handelt sich um eine für damalige Verhältnisse komplexe Maschine - benannt nach dem griechischen Wort für Rätsel.

Herkunft unbekannt

Auch der Marinehistoriker Jann M. Witt vom Deutschen Marinebund geht davon aus, dass die in der Geltinger Bucht gefundene Enigma von einem U-Boot stammt. "Im Zusammenhang mit dem sogenannten Regenbogen-Befehl haben Marineoffiziere gegen Ende des Krieges dort 50 U-Boote selbst versenkt", sagte Witt der dpa. Kommunikationstechnik sei ebenfalls auf dem Meeresgrund gelandet. "Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit stammt diese Enigma von einem dieser Boote."

Um welches genau es sich dabei gehandelt hat, ist aber unbekannt. Die Restauration der Enigmas und die Fundorte werfen neue Fragen auf und es gebe auch Widersprüchlichkeiten sowie Rätsel, wie Witt sagte. Auch ihn interessiert, wie die anderen Enigmas im Hafen von Kappeln landeten und woher sie stammen.

Der britische Mathematiker Alan Turing trug während des Zweiten Weltkriegs maßgeblich dazu bei, den Enigma-Code zu knacken. "Die Entschlüsselung der Enigma hatte massiven Einfluss auf den U-Boot-Krieg im Atlantik", sagte Witt. Die Kriegsmarine habe zu sehr auf die Sicherheit der Technik vertraut. "Dabei gab es bereits während des Krieges Hinweise, dass der Schlüssel geknackt war. Das wurde jedoch komplett ignoriert." Dadurch konnten die Alliierten verschlüsselte Funk-Codes an deutsche Boote unbemerkt mitlesen.

Öffentliche Ausstellung geplant

Bevor sich Restauratorin Mayer an die eigentliche Konservierung macht, will sie so gut wie möglich den Erhaltungszustand dokumentieren. "Bei einem Modell haben wir die Seriennummer identifiziert. Wir wissen aber nicht, auf welchem Schiff das Gerät zum Einsatz kam." Sie will die Maschinen auch röntgen und mit Hilfe eines sehr genauen Computertomographen (CT) der Lübecker Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik untersuchen, um möglicherweise an den Bodenplatten weitere Seriennummern zu erkennen.

"Die Erhaltung der Technik steht für uns bei der Konservierung hinten an", sagte Mayer. Ziel bleibe es, die Enigmas der Öffentlichkeit künftig in ihrem Zustand bei Entdeckung zu zeigen. Das werde aber sicher nicht mehr in diesem Jahr passieren. Denn die Chiffriermaschinen sind nur 7 von aktuell knapp 500 Funden, um die sich Mayer kümmert. Anfragen von Militaria-Sammlern hat sie bislang nicht. "Welcher Sammler will auch so einen Schrotthaufen haben?" An einigen ist die Einwirkung stumpfer Gewalt vor der Versenkung, um die Technik unbrauchbar zu machen, deutlich sichtbar. "Für Sammler sind die wertlos."

Bitte aktivieren Sie Javascript.
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
  • ohne Werbung
  • mit ausgeschaltetem Javascript
  • mit RSS-Volltext-Feed


Aktuell auf der Startseite von Golem.de
Endzeit
Experten warnen vor der Ausrottung der Menschheit durch KI

Unternehmen wie Microsoft, Google und OpenAI stehen hinter einer sehr drastischen Stellungnahme. Die warnt vor der Auslöschung durch KI.

Endzeit: Experten warnen vor der Ausrottung der Menschheit durch KI
Artikel
  1. Blizzard: Erste Wertungen für Diablo 4 sind da
    Blizzard
    Erste Wertungen für Diablo 4 sind da

    Gamer stehen vor einem Großereignis: Blizzard veröffentlicht bald Diablo 4. Nun gibt es erste Wertungen der Fachpresse.

  2. Apple: iPhone 15 soll mit USB-C und neuem Mute-Button kommen
    Apple
    iPhone 15 soll mit USB-C und neuem Mute-Button kommen

    Erste Dummys der kommenden iPhone-15-Reihe verraten bereits ein paar interessante kleinere Details - der Mute-Button etwa wird ersetzt.

  3. Künstliche Intelligenz: So funktionieren KI-Bildgeneratoren
    Künstliche Intelligenz
    So funktionieren KI-Bildgeneratoren

    Im Netz wimmelt es mittlerweile von künstlich erzeugten Bildern reitender Astronauten, skateboardfahrender Teddys oder stylish gekleideter Päpste. Aber wie machen Dall-E, Stable Diffusion & Co. das eigentlich?
    Von Helmut Linde

Du willst dich mit Golem.de beruflich verändern oder weiterbilden?
Zum Stellenmarkt
Zur Akademie
Zum Coaching
  • Schnäppchen, Rabatte und Top-Angebote
    Die besten Deals des Tages
    • Daily Deals • MindStar: 14 Grafikkarten im Sale • Logitech G Pro Wireless Maus 89€ • Amazon-Geräte für Alexa bis -50% • The A500 Mini 74,99€ • Logitech G213 Prodigy Tastatur 49,90€ • Crucial P5 Plus (PS5-komp.) 1TB 71,99€, 2TB 133,99€ • HyperX Cloud II Headset 62,99€ [Werbung]
    •  /