Chefs von Devs: IT muss Mehrwert für das Unternehmen schaffen
Beiersdorf-CIO Annette Hamann präsentiert im Newsletter einen Lösungsansatz für den IT-Fachkräftemangel.

Dieser Beitrag ist die 14. Ausgabe von Chefs von Devs, dem Golem.de-Newsletter für CTO, Technical Directors und IT-Profis. Alle zwei Wochen erscheint eine neue Ausgabe. Chefs von Devs kann hier kostenlos abonniert werden.
- Chefs von Devs: IT muss Mehrwert für das Unternehmen schaffen
- So geht Beiersdorf mit dem Fachkräftemangel um
Dass das mit der Digitalisierung nicht ganz so leicht ist, merkt man spätestens dann, wenn Behörden auf Jahre hinaus neue Faxanbieter suchen. Als CIO ist Annette Hamann seit Jahren für die digitale Transformation in großen Konzernen verantwortlich - und das erfolgreich. Sie erzählt im Gespräch bei Chefs von Devs nicht nur, wie sie Budgetdiskussionen in einem Nicht-Tech-Konzern meistert, sondern auch von einem ungewöhnlichen Lösungsansatz für den Fachkräftemangel.
Seit 2020 ist Annette Hamann für die IT bei Beiersdorf verantwortlich - dem Konzern hinter Creme von Nivea und Pflastern von Hansaplast. Genauer gesagt ist sie CIO beim Tochterunternehmen Beiersdorf Shared Services. Seit mehr als 20 Jahren hat sie Erfahrung damit, etablierte Unternehmen zu digitalisieren.
"Seit Corona sind der Wert und die Kritikalität der IT definitiv sichtbarer geworden"
Golem.de: Hat sich das Bewusstsein für die Rolle der IT in Unternehmen in den letzten Jahren verändert?
Annette Hamann: Als ich angefangen habe, waren gerade die ersten E-Mail-Systeme eingeführt worden. IT bestand aus schweren Maschinen, die in den Keller gesetzt wurden, weil die Etagen das überhaupt nicht aushielten. Und es war auch eine sehr technische Aufgabe, diese IT zu managen. Dann kam die große Welle, in der IT zur Commodity und an Service Provider ausgelagert wurde.
Und jetzt sehen wir den nächsten Wandel: Über die Digitalisierung hat IT jede einzelne Funktion erreicht und überall an Relevanz zugenommen. Ohne IT sind heutzutage die wenigsten Prozesse überhaupt noch denkbar. Deshalb holen sich viele wieder mehr technische Expertise ins Unternehmen. Sie haben erkannt, dass es ein Wettbewerbsvorteil ist, wenn man Technologie so aufbauen kann, dass sie maßgeschneidert und nicht von der Stange ist.
Also: Ja, aus meiner Sicht hat sich die Wahrnehmung der IT in Unternehmen deutlich geändert. Weg vom reinen Dienstleister, der Aufträge ausführt, hin zu einer hochleistungsfähigen, modernen IT-Organisation, die nachweisbare Mehrwerte für das Unternehmen schafft.
Golem.de: Was bedeutet "digitale Transformation" für Sie?
Annette Hamann: Unternehmensabläufe und Arbeitsprozesse mithilfe von Technologien neu zu denken. Das heißt, die Technologie ist erst einmal zweitrangig. Es geht wirklich darum: Wie möchte ich in Zukunft arbeiten, wie arbeite ich anders und optimierter? Diese Frage hat in einem Unternehmen einen massiven Einfluss darauf, welche Skills dafür notwendig sind, wie die Organisationsstruktur aussieht und wie am Ende die Wertschöpfung definiert wird. Die Technologie ist dann "nur noch" die Umsetzung.
Golem.de: Und welche Hürden gibt es dabei, Prozesse bei einem etablierten Unternehmen wie Beiersdorf neu zu denken?
Annette Hamann: Je etablierter ein Unternehmen ist, desto etablierter ist vermutlich auch die Unternehmenskultur und damit die Prozesse. Diesen Wandel überhaupt erst einmal zu triggern, ist die erste Herausforderung. Es gibt einige Bereiche, in denen das ganz natürlich ist, weil sich die Umwelt so stark verändert, dass man nicht mehr so arbeitet wie früher. Im Marketing zum Beispiel kommt man an Social-Media-Kanälen nicht vorbei. In anderen Bereichen, wo der Einfluss der Digitalisierung noch nicht so stark ist, wird es oft ein bisschen schwieriger.
Das Accounting hat sich beispielsweise nicht grundlegend geändert, sondern läuft jetzt eben über Tools statt Bücher. Dort kommt es schnell zu organisatorischen Diskussionen, weil Automatisierung Befürchtungen bei den Mitarbeitenden wecken kann. Deswegen muss man dies meiner Sicht sehr vorsichtig managen. Automatisierung bedeutet, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wertschöpfend für das eingesetzt werden, wofür sie ausgebildet sind - und nicht für repetitive Aufgaben, die mittlerweile auch eine Maschine erledigen kann.
Golem.de: Sie waren bei Henkel, Beiersdorf, P&G. Haben Sie es mal vermisst, bei einem flexibleren Start-up statt einem trägen Konzern zu sein?
Annette Hamann: Ich gebe zu, ab und an gucke ich schon etwas neidisch drauf, was in Start-ups alles möglich ist. Auf der anderen Seite habe ich im Konzern die spannende Aufgabe, etablierte Firmen in die digitale Welt zu bringen. Das finde ich eine extrem spannende und interessante Herausforderung. Auch, wenn die Wege in großen Unternehmen manchmal etwas länger sind und es doch mal länger dauert oder schwieriger in der Diskussion ist.
Golem.de: Was für Diskussionen führen Sie dabei?
Annette Hamann: Wenn ich in den Entscheidungsgremien über Technologie spreche, dann hat dieses Gremium vielleicht selbst eher wenige Berührungspunkte mit der Technologie. Ich muss also in der Lage sein, die Verbindung zum eigentlichen Business klar darzustellen und beispielsweise in Budgetdiskussionen aufzeigen, wie eine neue Technologie einen Mehrwert schaffen kann. Das ist eine Übersetzungsleistung.
Golem.de: Sind diese Diskussionen während Corona nicht einfacher geworden, wo niemand mehr dem direkten Kontakt mit IT-Systemen aus dem Weg gehen konnte?
Annette Hamann: Seit Corona sind der Wert und die Kritikalität der IT definitiv sichtbarer geworden. Aber in vielen Gesprächen stehen die IT-Kosten noch sehr stark im Vordergrund. Da müssen wir umdenken, auch in der IT. Wir müssen uns viel stärker darauf fokussieren, dass wir unsere Ressourcen und Budgets so einsetzen, dass es wirklich den Mehrwert für das Unternehmen maximiert.
Auf der anderen Seite gibt es heute kaum einen Bereich, in dem Technologie nicht kritisch ist. Das bedeutet, dass der Technologiestack eines Unternehmens immer komplexer und größer wird. Wenn dies nicht entsprechend professionell gemanagt wird, birgt es ein großes Risiko, weil dann auch nicht sichergestellt werden kann, dass immer alles zur richtigen Zeit verfügbar ist. Das ist natürlich auch großer Kostentreiber. Und deswegen ist es wichtig, dass die IT bei Technologie-Entscheidungen aktiv involviert ist.
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So geht Beiersdorf mit dem Fachkräftemangel um |
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