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Chatkontrolle: EU-Kommissarin verwirrt mit Aussagen zu Verschlüsselung

EU-Kommissarin Johansson hat sich im EU-Parlament kritischen Fragen zur Chatkontrolle gestellt. Sie zeigte dabei ein merkwürdiges Verständnis von Messengerdiensten .
/ Friedhelm Greis
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EU-Kommissarin Ylva Johansson verteidigt ihre Pläne zur Chatkontrolle. (Bild: Emilie Gomez/EP)
EU-Kommissarin Ylva Johansson verteidigt ihre Pläne zur Chatkontrolle. Bild: Emilie Gomez/EP

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hat die Pläne der EU-Kommission zur Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch verteidigt. Die Möglichkeiten von Internetfirmen zur Erkennung von Missbrauchsdarstellungen würden durch die geplante EU-Verordnung eingeschränkt, sagte Johansson am 10. Oktober 2022 vor dem Ausschuss für Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des EU-Parlaments ( Video(öffnet im neuen Fenster) ). Anders als bisher müssten die Verfahren jedoch verpflichtend eingesetzt werden.

Der im Mai 2022 vorgelegte Entwurf sieht unter anderem vor, dass soziale Medien, Hosting-Anbieter und Messengerdienste zum Erkennen von Missbrauchsmaterial und Anwerbungsversuchen von Kindern (Cybergrooming) verpflichtet werden können. Dies funktioniert jedoch bei Ende-zu-Ende verschlüsselten Verbindungen, wie sie Messenger wie Signal, Whatsapp oder Threema aus Sicherheitsgründen einsetzen, nicht, ohne eben jene Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu umgehen und damit faktisch abzuschaffen beziehungsweise zu verbieten.

Vergleich mit Linkvorschau

Johansson sieht diese Gefahr jedoch nicht. So antwortete sie auf die entsprechende Frage des spanischen Europaabgeordneten Javier Zarzalejos: "Wir wissen nicht, ob die Firmen Kindesmissbrauch in verschlüsselter Kommunikation entdecken können. Sie könnten es tun, aber wir wissen es nicht. Wir wissen, dass sie es bei verschlüsselter Kommunikation machen, wenn es um Malware geht."

Als Beispiel für die angebliche Überwachung der Kommunikation auf Endgerätebasis erläuterte sie: "Wenn ich eine Nachricht auf Whatsapp schreibe, das ist Ende-zu-Ende-verschlüsselt, und ich sende Ihnen die Seite einer Zeitung, wenn man nur den halben Namen geschrieben hat, erscheint das schon als Bild in der Nachricht. Weil sie es erkennen und sicherstellen, dass es keine Malware ist. Also machen sie heute schon Erkennung in verschlüsselter Kommunikation. Aber ob sie es heute schon zur Erkennung von Kindesmissbrauch machen, kann ich nicht sagen."

Ebenfalls erklärte sie auf die Frage des niederländischen Abgeordneten Paul Tang: "Was die aktuelle Erkennung in verschlüsselter Kommunikation betrifft, schätze ich das nicht so ein, dass die Verschlüsselung dadurch gebrochen wird. Ich sehe nicht, dass das passieren kann." Zudem versicherte sie, dass die Firmen zur Erkennung von Missbrauchsdarstellungen oder Grooming nicht zu Maßnahmen gezwungen werden könnten, die technisch nicht umzusetzen seien. Aber Johansson ist offenbar der Ansicht, dass die Erkennung solcher Inhalte bei verschlüsselten Messengern schon möglich ist.

Die Einbettung von Linkvorschauen in Chat-Nachrichten lässt sich jedoch kaum mit der möglichen Überprüfung der Kommunikation auf Missbrauchsinhalte vergleichen. Zudem lässt sich die Linkvorschau beispielsweise im Messengerdienst Signal jederzeit wieder deaktivieren. Ebenfalls ist die Vorschau nicht mit einer Funktion verbunden, die die Inhalte unbemerkt an eine Behörde meldet. Was Linkvorschauen mit Malwarescans zu tun haben sollen, dürfte auch das Geheimnis von Johansson bleiben.

Johansson warnte davor, dass die bislang freiwilligen Scans der Internetfirmen in der EU verboten wären, wenn eine Übergangsregelung im Jahr 2024 auslaufe. Daher solle die neue Regelung sicherstellen, dass zwar weniger als bisher erlaubt werde, das jedoch verpflichtend gemacht werden solle.

Viele Abgeordnete sind skeptisch

Die meisten Abgeordneten stellten in ihren Statements klar, dass sie Bestrebungen zum Schutz vor Kindesmissbrauch prinzipiell unterstützten. Etliche von ihnen stellten jedoch die Verhältnismäßigkeit der sogenannten Chatkontrolle infrage. So verwies der Piratenpolitiker Patrick Breyer darauf, dass nur China eine solche Überwachung verlange. Die SPD-Politikerin Birgit Sippel vermisste Vorschläge zur Prävention in dem Entwurf der EU-Kommission.

Die niederländische Abgeordnete Sophie in't Veld verwies auf das Beispiel eines US-Amerikaners, dessen Google-Konten gesperrt wurden(öffnet im neuen Fenster) , weil er einem Arzt ein Foto geschickt hatte, auf dem die Genitalien seines Sohnes zu sehen waren. Die Irin Clare Daly von den Linken sagte, die Befürchtung ihrer Fraktion sei, dass der Vorschlag zu einer automatischen Durchsuchung der privaten Kommunikation von jedermann führen werde.


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