Chatkontrolle: Die Überwachungswunschliste der EU-Staaten

Nicht nur Bilder und Videos, auch Audiokommunikation soll nach dem Willen vieler EU-Staaten unter die Chatkontrolle fallen.

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Die Überwachung von Messengerdiensten ist weiterhin stark umstritten.
Die Überwachung von Messengerdiensten ist weiterhin stark umstritten. (Bild: Xose Bouzas/Hans Luca/Reuters)

Ginge es nach den Wünschen vieler EU-Staaten, könnten die umstrittenen Pläne zur sogenannten Chatkontrolle noch deutlich verschärft werden. Das geht aus einer Umfrage der schwedischen Ratspräsidentschaft unter den Mitgliedstaaten hervor, die von 20 Ländern beantwortet wurde. Demnach befürworten zehn Staaten ausdrücklich die Überwachung von Audiokommunikation zur Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch. Sechs Länder, darunter Deutschland, äußern Bedenken und lehnen dies eher ab. Vier Mitgliedstaaten sind noch unentschieden in dieser Frage.

Inhalt:
  1. Chatkontrolle: Die Überwachungswunschliste der EU-Staaten
  2. Sind auch alle Telefonate betroffen?

Über die Umfrage berichtete in der vergangenen Woche bereits das Magazin Euractiv. Wired.com veröffentlichte dazu das entsprechende Dokument des Ministerrates (PDF) vom 12. April 2023.

Bislang nur Bilder, Videos und Texte

Im bisherigen Vorschlag der EU-Kommission zur sogenannten CSAM-Verordnung (Child Sexual Abuse Material) wird generell nicht zwischen verschiedenen Medientypen unterschieden. Allerdings ist nie von Audiodateien die Rede, sondern meist nur von Bildern, Videos und Texten. So heißt es in Artikel 13, dass die Meldungen von Missbrauchsmaterial "alle Inhaltsdaten, einschließlich Bilder, Videos und Texte" enthalten müssen. Dabei beziehen sich Texte vor allem auf sogenannte sexuelle Anbahnungsversuche (Grooming), die ebenfalls in der Kommunikation aufgedeckt werden sollen.

Kroatien vertritt daher die Position: "Die Audiokommunikation kann für Grooming eingesetzt werden. Sie sollte in den CSAM-Vorschlag aufgenommen werden, wenn geeignete Instrumente zur Erkennung von Grooming über Audiokommunikation verfügbar sind." Doch das ist gar nicht so einfach, "da Audiodateien möglicherweise nicht dieselben visuellen Indikatoren enthalten, die in Bildern oder Videos vorhanden sind", wie Rumänien anmerkt.

Mehrere Verfahren vorgeschlagen

Außerdem könne die Erkennung von Missbrauchsmaterial in Audiodateien durch Faktoren wie Hintergrundgeräusche, schlechte Audioqualität und Verschlüsselung behindert werden. Rumänien verweist dabei auf Verfahren wie Audio-Fingerprinting oder Spracherkennung, um solches Material zu erkennen. Darüber hinaus könnte maschinelles Lernen eingesetzt werden, um bekannte Audiodateien zu erkennen.

Den Rumänen zufolge könnten geschulte menschliche Prüfer die gekennzeichnete Audiodateien kontrollieren und feststellen, ob sie Missbrauchsmaterial enthalten. "Die Erkennung von CSA in Audiodateien ist seltener als in anderen Medienarten, aber da die Technik voranschreitet und immer mehr Kommunikation über Audio erfolgt, könnte sich dies in Zukunft ändern", heißt es zur Begründung.

"Eingriff in Grundrechte"

Gegner solcher Pläne wie die Niederlande wenden ein, dass eine Überwachung der Audiokommunikation "in keinem Verhältnis zu dem angestrebten Zweck stehen würde". Darüber hinaus werde sie "im Falle von Ende-zu-Ende-verschlüsselter Sprachkommunikation höchstwahrscheinlich auch Maßnahmen erfordern, die mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung unvereinbar sind".

Nach Ansicht der Slowakei würde die Überwachung der Audiokommunikation "den am schwersten wiegenden Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Personen und eine Ausnahme vom Grundsatz der Vertraulichkeit der Kommunikation darstellen", der in der E-Privacy-Richtlinie verankert sei. Darüber hinaus wären die entsprechenden Anbieter kaum in der Lage, eine erforderliche Risikoeinschätzung zu erstellen, da die Kommunikation nicht überwacht werden dürfe.

Ohnehin scheint unklar, auf welche Audiokommunikation sich eine mögliche Regelung beziehen würde.

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Sind auch alle Telefonate betroffen? 
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PaulFE 28. Mai 2023 / Themenstart

Wenn muss ich denn da bei den Unentschlossenen Ländern Kontaktiern um meinen Bürgerwillen...

Padina 24. Mai 2023 / Themenstart

(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich. Schade...

ManuPhennic 23. Mai 2023 / Themenstart

aber an den eigenen Bürgern zu spitzeln ist dann ok

asdgeasfg 23. Mai 2023 / Themenstart

ja, es ist einfach nur lächerlich, dass dieses Thema unter "child abuse" diskutiert wird...

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