Wie weit reicht die Ausnahme für Text und Data Mining?
Für das Erheben und Nutzen von Trainingsdaten im Rahmen des maschinellen Lernens von KI sieht der Paragraf 44b Urheberrechtsgesetz nur die Möglichkeit eines Opt-out vor: Vervielfältigungen von rechtmäßig zugänglichen Werken im Rahmen einer softwaregestützten Auswertung großer Datenmengen sind demnach nicht zulässig, wenn der Rechtsinhaber sich die Nutzung vorbehalten hat.
Kreative, die eine Inanspruchnahme ihrer im Internet veröffentlichten Texte als Trainingsdaten für softwarebasierte Textgeneratoren verhindern wollen, können also einen entsprechenden Vorbehalt im Rahmen der eigenen Internetpräsenz erklären. Dies muss bei online zugänglichen Werken in maschinenlesbarer Form erfolgen, also etwa über die Datei robots.txt mit Anweisungen für Suchmaschinen-Crawler (Golem.de wird diesen Aspekt in einem eigenen Artikel beleuchten).
Bei der Wiedergabe KI-generierter Inhalte gilt: Die Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe geschützter Werke etwa auf Ergebnisseiten von Suchmaschinen oder Chatbots ohne die Zustimmung des Rechtsinhabers ist grundsätzlich nicht zulässig. Auch Bearbeitungen und Umgestaltungen dürfen nur mit Zustimmung des Urhebers publiziert oder verwertet werden, sofern kein hinreichender Abstand zum benutzten Werk gewahrt wird.
Eine Paraphrase oder die Wiedergabe genannter Fakten ist so zulässig. "Sind die benutzten Werke im KI-generierten Inhalt nicht mehr erkennbar, kann dieser frei verwendet werden", weiß das Justizressort. Auch Zitate gälten prinzipiell als gerechtfertigt, die Quelle müsse dann aber genannt werden. Gegen eine unrechtmäßige Verwendung könnten Rechtsinhaber Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen.
Umstritten ist vor allem, wie weit die europäischen Einschränkungen der Verwertungsrechte für Text und Data Mining zu Forschungszwecken reichen. Die beiden deutschen Verlegerverbände verweisen hier darauf, dass damit nur Vervielfältigungen für die automatisierte Analyse von rechtmäßig zugänglichen Werken gestattet würden, "um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen".
Selbst bei einem weiten Verständnis könnten damit Auswertungen "für die Veröffentlichung von Konkurrenzinhalten zu den analysierten Verlagsangeboten nicht erlaubt sein". Laut Artikel 2 der EU-Richtlinie kann die automatisierte Analyse zwar "nicht ausschließlich" dazu genutzt werden, um Muster, Trends und Korrelationen auszumachen. Der auf Urheberrecht spezialisierte Anwalt Robin Schmitt von der Kanzlei CMS erläuterte aber auf Nachfrage, dass es sich dabei nicht um eine inhaltliche Abweichung handle und sich der Spielraum zum Datenschürfen so nicht vergrößere.
FDP: Interessensausgleich neu denken
Trotz der offenen Fragen sehen auch Experten der FDP-Bundestagsfraktion derzeit keinen rechtlichen Anpassungsbedarf: "Die Anwendungsbereiche von ChatGPT sind von höchster gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Bedeutung und reichen von Kundenbetreuung über die Erstellung von Unterrichtsmaterial bis hin zur individuellen Gesundheitsberatung", gibt der digitalpolitische Sprecher Maximilian Funke-Kaiser gegenüber Golem.de zu bedenken. "Auch Verlage und Medienhäuser profitieren etwa durch die KI-gestützte Textgenerierung von der Technologie."
Eine Verschärfung des Leistungsschutzrechts im Zusammenhang mit ChatGPT könnte dem Liberalen zufolge bedeuten, "dass das System nicht mehr in der Lage ist, auf bestimmte Online-Inhalte zuzugreifen oder diese zu verarbeiten". Das würde die Verfügbarkeit des Systems in Deutschland insgesamt bedrohen. Ihm sei wichtig, "dass der Staat als Ermöglicher digitaler Technologien fungiert und diese nicht aus Reflex reguliert". All diese Aspekte müssten vor gesetzgeberischen Schritten sorgfältig abgewogen werden.
ChatGPT, Bing & Co. hätten das Potenzial "zum Alltagshelfer" zu werden, ergänzt mit Katrin Helling-Plahr die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion: "Dem wollen wir gesetzgeberisch nicht im Weg stehen." Auch wenn das "geistige Eigentum der Verleger selbstverständlich schützenswert ist, muss der Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Rechtspositionen unseres Erachtens im digitalen Zeitalter neu gedacht werden".
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ChatGPT und Urheberrecht: Verlage erhalten Abfuhr aus der Politik | Innovationen fördern und Kreative vergüten |
Jupp, genau dieses Beispiel hatte ich auch im Kopf.
Während beim Indizieren von Nachrichtenseiten noch ein breites Spektrum als notwendig...
Diese Diskussion ist in der Tat absurd. Wenn man die vorgebrachten Argumente konsequent...
integere Politiker. Der Begriff hat mich jetzt heißkalt erwischt in seinem naßtrockenen...
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