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Cadillacs elektrischer Neustart: Lounge auf Rädern

Der E-Cadillac Vistiq soll nach Luxus aussehen, vor allem aber ist er riesig. Wer den Escalade in Europa wohl fahren will?
/ Fabian Mechtel
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Der Vistiq ist 5,20 m lang, fast 2 m breit und wiegt 2,8 t. (Bild: Cadillac)
Der Vistiq ist 5,20 m lang, fast 2 m breit und wiegt 2,8 t. Bild: Cadillac

In den USA waren sie einst "Standard of the World," doch in Europa spielte Cadillac nie wirklich eine Rolle. Mit der elektrischen Zeitenwende wittert General Motors nun die Chance, der Marke ein frisches Profil zu geben. Man möchte progressiv, digital und natürlich luxuriös wahrgenommen werden.

Nach dem Lyriq, der als SUV-Coupé eher eine Nischenklientel anspricht, soll der neue Cadillac Vistiq für echte Sichtbarkeit sorgen. Als dreireihiger Fullsize-Geländewagen mit sieben Sitzplätzen markiert er schon in Sachen Abmessungen ein echtes Volumenmodell.

Doch mit über 5,20 m Länge, fast zwei Metern Breite und einem Eigengewicht jenseits der 2,8 Tonnen stellt sich die Frage: Passt so viel Auto überhaupt noch zu unseren Innenstädten oder bleibt das Prestigeprojekt der Amerikaner nur eine schöne Vision für Europa?

Optisch ist der Vistiq unverkennbar Cadillac. Die breiten Schultern, die steil stehende Front mit den vertikalen Lichtsignaturen und dem "Black Crystal Shield"-Kühlergrill sollen Premiumanspruch signalisieren. Üppiger Chrom ist ebenso gesetzt wie polierte 22-Zoll-Räder und dunkel getönte Scheiben.

Das Interieur gleicht einer Lounge auf Rädern: Nappaleder, Alcantara, offenporiges Echtholz und hochwertige Metallakzente treffen auf ein 33-Zoll-Curved-Display, das Instrumente und Infotainment bündelt.

Generell ist der Komfort der größte Trumpf des Cadillac Vistiq. Die Bewegungsfreiheit ist in allen Reihen mehr als ausreichend - wer hier Platzangst bekommt, sollte über ein anderes Verkehrsmittel nachdenken. Für Komfort sorgen auch die Einzelsitze, die die teuerste Ausstattungslinie in Reihe zwei serienmäßig mitbringt.

3,7 Sekunden bis 100 km/h

Angetrieben wird der Vistiq von zwei permanenterregten Synchronmotoren (PSM), die jeweils auf eine Achse wirken. Im Modus Velocity Max stehen bis zu 615 PS und 880 Nm Drehmoment an.

In 3,7 Sekunden geht es auf Tempo 100. Damit spielt der Vistiq in einer Liga mit deutlich sportlicher positionierten Konkurrenten. Eine Besonderheit: Die Antriebstechnik stammt aus dem Lyriq-V, der in Europa als Performance-Ableger das Elektro-Line-up ergänzt.

Der Escalade IQ legt noch einen drauf

Die NCMA-Batterie, deren nutzbare Kapazität 91 kWh beträgt, bietet bis zu 460 Kilometer Reichweite nach WLTP. DC-Laden gelingt mit bis zu 190 kW - das ist nicht viel. Wer hier noch mehr Batterieleistung braucht, muss eine Etage höher ins Regal greifen.

Dort wartet der Cadillac Escalade IQ und legt noch einmal deutlich auf den Vistiq drauf - von der Größe und auch von der Technik. Die Frage, ob so etwas noch zeitgemäß ist, beantworten die Verkaufszahlen in USA. Dort verkauft sich der Escalade aktuell so gut wie noch nie.

Doch während der elektrische Hummer noch als Kuriosum durchgeht und gar nicht nach Europa gehen soll, muss sich der geplante Marktstart des Escalade IQ vor allem einer kritischen Frage stellen: Wer soll das fahren?

Verbrenner bleiben für GM wichtig

Der in der IQL-Version mit verlängertem Radstand exakt 5,80 m messende Escalade bringt es mit seiner gigantischen 205-kWh-Batterie auf ein fahrfertiges Gewicht von über 4,2 Tonnen. Diese XXL-Dimensionen bringen in Europa ein gravierendes Problem mit sich: Der Giga-Stromer darf in Deutschland mit dem klassischen Pkw-Führerschein der Klasse B gar nicht gefahren werden, sondern erfordert einen C1-Schein bis 7,5 Tonnen.

Nur die bis 1998 ausgegebene Pkw-Führerscheinklasse 3 könnte für den Escalade IQ regulär genutzt werden, was für viele potenzielle Kunden allein schon ein bürokratisches Ausschlusskriterium ist - und ein Beleg dafür, wie wenig die US-Supersize-Strategie auf die europäischen Realitäten zugeschnitten wurde.

Das überrascht vor allem deshalb, weil die Strategen von GM aktuell eher nah am Markt entscheiden. Gerade erst hat man in Detroit die Elektrostrategie öffentlich nachjustiert.

Ursprünglich sollten bis 2035 nur noch Elektroautos verkauft werden. Doch interne Finanzkennzahlen zeigen: GM verdient sein Geld weiterhin mit Verbrennern. Allein 2024 wurden fast 900 Millionen US-Dollar in die neue Generation des Smallblock-V8-Motors gepumpt und zusätzliche 4 Milliarden US-Dollar in die Fahrzeug- und Truck-Entwicklung mit konventionellen Motoren umgeleitet; auch die Produktion mehrerer EVs wurde verlangsamt oder gestoppt.

Die Botschaft ist entsprechend klar: Elektromobilität bleibt für GM wichtig, aber nicht alternativlos. Die neuen Modelle Lyriq, Vistiq, Optiq und Escalade IQ dienen damit auch als Beweisstücke dieses Kurses: Prestige und technologische Führungsrolle einerseits, ökonomische Vernunft und realitätsnahe Marktbedienung andererseits.

GM-Chefin Mary Barra lässt sich damit zitieren, dass der Konzern "kundenzentriert" agieren und auf die tatsächliche Nachfrage reagieren wolle, statt den Markt zu überfordern. Die Entscheidung für eine weitere V8-Generation statt der bedingungslosen Elektro-Umstellung ist dabei gar nicht so mutlos, wie sie auf den ersten Blick wirken mag.

Super Cruise ist beeindruckend

Im Hintergrund sind weiter extreme Investitionen im Gange, es werden nicht nur neue Entwicklungszentrum für die E-Architekturen gebaut, sondern sogar Fertigungen für Prototypen-Batteriezellen. Man möchte bei GM nicht nur auf die Durchbrüche der Partner wie Samsung SDI oder LG Chem angewiesen sein, sondern mit eigenem Know-how vorne dran sein.

Gleiches gilt für die Software- und Fahrerassistenzintegration - und die neueste Generation von GMs "Super Cruise" getauftem Autopiloten ist eine Machtdemonstration. Das System ermöglicht freihändiges Fahren auf ausgewählten Autobahnen, nun sogar inklusive automatischem Spurwechsel ohne weiteres Zutun des Fahrers.

Zwar kann der Drive Pilot Pro von Mercedes-Benz und der FSD-Autopilot von Tesla Ähnliches, es sind aber vor allem die präzise Spurführung und die sehr natürlichen Lenkreaktionen, die Super Cruise zum vielleicht intuitivsten System am Markt machen. Man darf sich allerdings nicht zu stark ablenken lassen von der Robustheit und dem Komfort des Systems, denn auch im aktuellen US-Modelljahr bleibt das System noch auf Level 2+ beschränkt: Die Hände dürfen vom Lenkrad, die Augen aber nicht von der Straße.

Spannende Alternative bei den elektrischen Siebensitzern

Wer zu lange aus dem Seitenfenster schaut oder gar das Handy in die Hand nimmt, wird erst mit einer Warnung und dann mit einem Ausstieg des Systems gestraft. In Deutschland wird Super Cruise übrigens erst zum Ende des Jahres erwartet, wenn die gesetzlichen Regelungen der Fahrerassistenten erneut novelliert werden.

Gut für die Kunden: Sämtliche Fahrzeuge sind Over-the-air-updatefähig und können vom Abstandstempomat mit Spurhalteassistent auf den vollen Super-Cruise-Funktionsumfang geupgraded werden. Sämtliche Hardware ist bereits vorhanden, es muss nur ein aktives Telematik-Abonnement bestehen, mit dem die Super-Cruise-Steuergeräte die aktuellen Karteninformationen nachladen.

In Sachen Sensorik bleiben auch Vistiq und Escalade IQ überraschend simpel. Beide Modelle verzichten, wie auch der Rest der Super-Cruise-Flotte, auf einen eigenen Lidar-Sensor. Die Positionierung wird über ein Enhanced-GPS-Signal, Kameras und eine Kombination verschiedener Radarsensoren ermöglicht und mit einem HD-Kartensystem abgeglichen, das allerdings mit Hilfe von Lidar-Sensoren erstellt wurde.

In den USA sind so bereits über 600.000 Meilen kartiert und für Super-Cruise-Nutzung freigegeben. In Europa arbeitet GM mit dem gleichen Zulieferer der Karten zusammen wie etwa BMW, so dass davon ausgegangen werden darf, dass das Super-Cruise-System nach erfolgreicher Zulassung auch auf nahezu allen europäischen Autobahnen sofort zur Verfügung steht.

Die Rückkehr von Cadillac nach Europa erfolgt in einem schwierigen Umfeld. Die Skepsis gegenüber US-Marken ist groß, nicht zuletzt durch die polarisierende Wirkung ihres Präsidenten Donald Trump und den Kontroversen von Tesla-Chef Elon Musk.

Bald "Standard of Europe"?

Der Erfolg wird davon abhängen, ob Cadillac es schafft, dem Argument "Standard of the World" auch hierzulande wieder Gehör zu verschaffen. Mit Vistiq und Escalade IQ zeigt Cadillac, dass amerikanischer Luxus und Elektromobilität kein Widerspruch sein müssen.

Viel Platz, viel Leistung und ein eigenständiger Auftritt machen den Vistiq zu einer spannenden Alternative im Segment der elektrischen Siebensitzer. Doch ob die XXL-Offensive auf Europas Straßen wirklich ankommt, bleibt abzuwarten.

Der Vistiq soll ab September 2025 ausgeliefert werden . Außer in Deutschland führt Cadillac das Auto auch in Frankreich, Schweden und in der Schweiz ein. In der Einstiegsversion Luxury kostet er 99.640 Euro, in der gehobenen Variante Premium Luxury 110.503 Euro.


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