Bundestagswahl: Spitzenkandidaten wollen mehr Tempo beim Klimaschutz machen

Im Prinzip liegen die Parteien beim Klimaschutz nicht weit auseinander. Die Energiewirtschaft kündigt dafür schon einmal höhere Preise an.

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Spitzengespräch zur Energiepolitik: Christian Lindner, Annalena Baerbock, Olaf Scholz, Marie-Luise Wolff  und Armin Laschet (vlnr)
Spitzengespräch zur Energiepolitik: Christian Lindner, Annalena Baerbock, Olaf Scholz, Marie-Luise Wolff und Armin Laschet (vlnr) (Bild: BDEW/Screenshot: Golem.de)

Deutschland muss zum Erreichen der Klimaziele deutlich schneller die erneuerbaren Energien ausbauen. Auf dieses gemeinsame Ziel konnten sich die Spitzenkandidaten von Union, SPD, FDP und Grünen für die Bundestagswahl in einer Gesprächsrunde am Mittwochabend einigen. Uneins waren sich die Politiker jedoch in der Frage, wie der Ausbau am besten beschleunigt werden könnte, und wer die Kosten bezahlen soll.

Durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzpaket der Koalition hat das Thema zusätzliche Brisanz gewonnen. Im Anschluss an das Urteil beschlossen Union und SPD, dass Deutschland bereits im Jahr 2045 klimaneutral sein solle.

Der CDU-Spitzenkandidat und nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet pochte in der Diskussion auf Einladung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) "in ganz vielen Bereichen" auf schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. "Wenn wir so arbeiten, wie wir immer gearbeitet haben, steht da in 15 Jahren noch nichts", sagte Laschet mit Blick auf erforderliche Infrastrukturprojekte wie Energiespeicher, Bahntrassen oder Windkraftanlagen.

Von den Grünen forderte Laschet in diesem Zusammenhang, sich beim Planungsrecht zu bewegen und nicht auf Verbandsklagerechte und möglichst viele Instanzenwege zu bestehen.

FDP-Chef Christian Lindner konstatierte ebenfalls ein "Einvernehmen" zwischen den vier Rednern, "dass wir im Planungs-, im Genehmigungs-, im Baurecht mehr Tempo brauchen". Es sei aber "eine große Herausforderung, das gesetzgeberisch umzusetzen". Damit müssten Zielkonflikte zwischen den Belangen des Netzausbaus und des Natur- und Artenschutzes aufgelöst werden.

Scholz sieht "größte Herausforderung" beim Strombedarf

Für SPD-Spitzenkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz stellt sich vor allem die Frage, wie der Bedarf an regenerativ erzeugtem Strom gedeckt werden soll. Die Höhe des CO2-Preises sei noch "die kleinste Herausforderung" in diesem Bereich. Die "größte Herausforderung" sei hingegen, wie die zusätzlich benötigte Strommenge von 100 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2030 gedeckt werden soll. Dazu müssten jährlich zusätzliche 10 TWh an erneuerbaren Stromkapazitäten errichtet werden. "Das ist etwa der Stromverbrauch von Hamburg", sagte der frühere Hamburger Rathauschef.

Alleine die Stahlindustrie brauche für eine klimaneutrale Produktion auf Basis von grünem Wasserstoff die gesamte Energie, die bis 2045 durch den Zuwachs an Meeres-Windparks vorgesehen sei. "Und deshalb ist die wichtigste Aufgabe gleich am Anfang der nächsten Legislaturperiode, die Ziele hochzusetzen", sagte Scholz. Gleichzeitig müsse dafür gesorgt werden, dass alles schnell genehmigt werden kann.

Baerbock kritisiert Koalition

Die Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock warf in diesem Zusammenhang den Koalitionspartnern Union und SPD vor, in den vergangenen Jahren den Ausbau der erneuerbaren Energien auf Bundesebene ausgebremst zu haben. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) habe die Ausbauziele gedeckelt, so dass auch Grün-regierte Bundesländer wie Baden-Württemberg kaum neue Windkraftanlagen hätten aufstellen können.

Baerbock forderte daher, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) "zu entbürokratisieren, denn die Klimaschutzziele werden nur erreicht, wenn wirklich zu 100 Prozent erneuerbarem Strom kommen". Daher müssten die Länder auch zwei Prozent ihrer Fläche für erneuerbare Energien reservieren. Denn der direkt erzeugte grüne Strom sei der günstigste.

Kein Einvernehmen gab es in der Frage, ob die Klimaziele vor allem über Preismechanismen erreicht werden sollten. Scholz lehnte weiterhin die von den Grünen geforderte schnellere Erhöhung des CO2-Preises ab. Allerdings sei es generell richtig, Preise zu erhöhen. Für Privatpersonen sei allerdings ein "moderater, behutsamer und langfristiger Weg" erforderlich. "Man kann sich nicht morgen früh ein neues Auto kaufen, weil der Benzinpreis gestiegen ist", sagte Scholz.

Deutschland soll Wasserstoff-ready werden

Strittig war zudem die Frage, welche Rolle andere Energieträger wie Gas beim Übergang zur klimaneutralen Stromerzeugung spielen sollten. Bis auf Baerbock sprachen sich alle anderen Spitzenkandidaten für den Weiterbau der Gaspipeline Nordstream2 zwischen Deutschland und Russland aus. Laschet machte Baerbock darauf aufmerksam, dass Nordstream2 schon für den Transport von Wasserstoff vorbereitet werde. Denn "Wasserstoff-ready" sei eine wichtige Anforderung für aktuell verlegte Gasleitungen.

Wenig Freunde dürfte sich Lindner bei den Grünen mit dem Hinweis gemacht haben, dass der Bahnverkehr nicht ausgebaut werden müsse, um innerdeutsche Flüge verzichtbar zu machen. Der Flugzeughersteller Airbus habe ihm versichert, dass von 2035 an die Kurzstrecke klimaneutral auf Wasserstoffbasis geflogen werden könne.

BDEW: Nicht jede Maßnahme skandalisieren

BDEW-Präsidentin Marie-Luise Wolff wünscht sich für die Ausbauziele auf jeden Fall mehr Unterstützung aus der Politik. "Sonst ist es am Ende so, dass wir die Preise erhöhen, wir, die Energiewirtschaft, und wir werden verkloppt, und vorher haben wir das Projekt noch einmal so richtig vor die Wand gefahren."

Wolff räumte allerdings ein: "Wir werden nicht Turbo-Klimaschutz machen können, und keiner merkt's. Wir werden Preise erhöhen müssen. Und das werden wir merken." In diesem Fall sei wichtig, "nicht jede Maßnahme, die auf den Tisch kommt, weil wir brauchen viele Maßnahmen, so zu skandalisieren, dass sie sofort weg ist". Der von ihr genannte "farbige Einzelfall" sei zwar Talkshow-geeignet, bringe aber nichts.

Die BDEW-Präsidentin forderte stattdessen eine Aufbruchstimmung wie beim US-Mondlandungsprojekt. "Wir müssen uns doch alle benehmen wie Kennedys", sagte Wolff mit Blick auf den damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy, der in den 1960er Jahren das US-Mondlandeprogramm angestoßen hatte.

Lindner griff diese Forderung jedoch nicht auf und argumentierte stattdessen eher wie ein FDP-Politiker. "Wir müssen den Klimaschutz und die Dekarbonisierung befreien aus der Argumentation des Verzichts und des Verbots. Es muss Teil einer neuen Wachstumsagenda werden", sagte der FDP-Chef.

Inwieweit die unterschiedlichen Vorstellungen nach der Bundestagswahl in einer Koalitionsregierung zusammengeführt werden könnten, blieb nach der einstündigen Diskussion am Mittwoch offen. Lindner versicherte zumindest, dass er nach seinem unrühmlichen Ausstieg aus den Koalitionsverhandlungen im Herbst 2017 nun in die Bundesregierung wolle. Doch das werden vor allem die Wähler am 26. September 2021 entscheiden.

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Bonarewitz 17. Jun 2021

Das sehe ich ganz anders. Ich übe meinen Einfluss auf die Produktgestaltung insofern...

Bonarewitz 17. Jun 2021

Wenn du es nicht dem Kleinen Mann nehmen möchtest und auch nicht den Firmen, weil sie es...

gelöscht 17. Jun 2021

Diese Subventionen sorgen aber auch dafür dass kein richtiger Gebrauchtmarkt bei den...

chefin 17. Jun 2021

Kein Problem, du arbeitest mehr und ich arbeite weniger. Schon bekommen wir ungefähr...



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