Bundestagswahl: Alle fordern neutrales Netz - außer der Union

Es ist fast zwanzig Jahre her, dass der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) auf eine Frage zur Datenautobahn sagte(öffnet im neuen Fenster) , der Bau von Autobahnen sei hauptsächlich Ländersache. Dass die Vernetzung mit Kupfer, Glasfaser und Funk statt Asphalt aber eine nationale und sogar europäische Aufgabe ist, findet sich inzwischen in fast allen Programmen zur Bundestagswahl.
Die CDU nennt dafür auch einen Termin ( S. 53f(öffnet im neuen Fenster) ): "Wir wollen eine flächendeckende Breitbandversorgung bis zum Jahr 2018 sicherstellen." Dabei soll keine Technik bevorzugt werden, so nennt die CDU ausdrücklich auch neue Funktechniken und den Ausbau von Fernsehnetzen per Kabel. Als "Digitale Dividende II" führen die Christdemokraten dabei die 2015 freiwerdenden Frequenzen um 700 MHz für neue LTE-Bänder an - allerdings ohne das auch so zu benennen.
Dass vor allem in ländlichen Gebieten der Ausbau für die privaten Anbieter zu teuer ist, erkennt die CDU an. Daher sollen die deutschen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass entsprechende Projekte durch die Europäische Union gefördert werden sollen. Das schon bestehende Vorhaben der Connecting Europe Facility(öffnet im neuen Fenster) (CEF) unterstützt die CDU. Die CEF, die sich um jegliche Vernetzung, also auch den Straßenverkehr kümmern soll, ist jedoch schon seit 2011 in der Beratung in der EU und hat sich bisher als wenig handlungsfähig erwiesen.
Union will Gesetz zu Netzneutralität nur prüfen
Zur Netzneutralität, die sich immerhin im CDU-Programm findet, merkt die Partei nur an, es müsse geprüft werden, "ob der Gesetzgeber handeln muss" . Das Thema war durch die Bevorzugung von eigenen Diensten im Rahmen der Drosselung durch die Telekom auch in der Bundespolitik angekommen. Insgesamt finden sich weder zu Breitbandausbau noch zu Netzneutralität neue Ansätze in den Plänen der Partei.
Immerhin eine konkrete Idee zur besseren Vernetzung auf dem Lande kommt von der SPD , und zwar in Form von kommunalen Anleihen, die auch projektgebunden sein sollen. Die Bürger sollen also selbst in Infrastruktur investieren. "Ein Einsatzbereich könnte der Ausbau von Breitbandnetzen für schnellere Internetverbindungen sein" , schreibt die SPD(öffnet im neuen Fenster) als Beispiel für die Verwendung der Anleihen. Die Kommunen sollen im Rahmen ihrer Haushalte selbst über solche Projekte entscheiden, der Ansatz der Sozialdemokraten ist also eher regional und verlässt sich nicht nur auf Bund und EU. Daneben soll es eine gesetzlich verankerte "Universaldienstverpflichtung" geben, welche die Breitbandversorgung auch im ländlichen Raum festschreibt. Wie Privatunternehmen dabei in die Pflicht genommen werden sollen, geht aber aus dem Programm nicht hervor.
Einen Zeitrahmen für die vollständige Breitbandvernetzung nennt die Partei ebenso nicht. Die "flächendeckende Versorgung mit schnellen Internetanschlüssen" soll aber "rasch" erfolgen. An anderer Stelle hebt die SPD aber hervor, dass gerade in der Region die Vernetzung "enorme Bedeutung" für Wettbewerb und Innovation habe. Sehr deutlich werden die Sozialdemokraten dagegen bei einem anderen Thema: "Wir werden die Netzneutralität gesetzlich verankern." Das ist immerhin ein Schritt weiter als bei der CDU, die erst noch prüfen will, ob das überhaupt nötig ist.
Die FDP hält die Wahrung der Netzneutralität offenbar schon für erreicht: "Wir haben zur Sicherung der Netzneutralität im Telekommunikationsgesetz vorsorgliche Maßnahmen bereits ergriffen" , heißt es im Wahlprogramm(öffnet im neuen Fenster) . Auch eine Definition des Begriffs liefern die Liberalen gleich mit: "Das heißt, dass es eine Diskriminierung von einzelnen Angeboten innerhalb einer Dienstklasse nicht geben darf." Worin diese Dienstklassen bestehen, und ob damit vielleicht eine Ausnahmeregelung für die Telekom geschaffen wird, die ihre Angebote wie "Entertain" als "managed service" und nicht Teil des allgemeinen Internets ansieht, erklärt die FDP nicht näher.
FDP für Grundversorgung mit Breitband
Für den Breitbandausbau wählt die Partei den vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekannten Begriff der "Grundversorgung" , definiert ihn aber nicht genau. Die FDP stellt zunächst fest: "Der Ausbau von Telekommunikationsnetzen ist grundsätzlich Sache von privaten Unternehmen" und macht im selben Absatz die Einschränkung: "Die Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen muss jedoch künftig einen Breitband-Internetanschluss umfassen." Wie auch bei anderen Parteien sind konkrete Angaben dazu, was denn Breitband ist, etwa in MBit/s, auch bei der FDP nicht zu finden.
Das verwundert umso mehr, da im Programm gleich zweimal wortgleich die Forderung nach einem "flächendeckenden und schnellen Internetzugang" erhoben wird. Neue Vorschläge, wie die stockende Vernetzung insbesondere in ländlichen Gebieten vorangetrieben werden soll, macht die FDP nicht.
Grüne wollen mindestens 6 MBit/s
Die Grünen dagegen beziffern immerhin die technischen Forderungen recht genau(öffnet im neuen Fenster) : In einem ersten Schritt sollen "überall Breitbandanschlüsse mit mindestens 6 Mbit/s verfügbar sein" . Und weiter: "Unser Ziel ist es, bis zum Ende der Legislaturperiode flächendeckend Breitbandanschlüsse im zweistelligen Mbit/s-Bereich bereitzustellen." Das soll durch einen "Universaldienst" sichergestellt werden, der ähnlich wie die Briefzustellung verpflichtend werden soll. Das gesamte Telekommunikationsnetz soll darüber hinaus auf Glasfaseranschlüsse umgestellt werden, aber ohne andere Techniken wie Kupfer und Funk zu benachteiligen.
Hier haben SPD und Grüne, die nach der Wahl bei entsprechender Mehrheit eine Koalition eingehen wollen, sich gut abgestimmt: Die SPD spricht nur von der "Universaldienstverpflichtung" , und die Grünen machen die noch fehlenden technischen Angaben. Dafür haben Bündnis90/Die Grünen auch einen Vorschlag zur Finanzierung zu bieten: Unternehmensfonds, die vom Staat unterstützt werden, sollen das Geld bereitstellen. Dass darüber hinaus auch weiterhin rein private Investitionen notwendig sind, erkennen aber auch die Grünen an.
Fast schon wie ein Gesetzesvorschlag liest sich die Passage zur Netzneutralität bei den Grünen, die eine klare Position aufzeigt: "Wir wollen kein Zweiklasseninternet und daher den Grundsatz der Netzneutralität gesetzlich verankern. So stellen wir sicher, dass Daten im Internet ohne Benachteiligung oder Bevorzugung gleichberechtigt übertragen werden - ungeachtet ihrer Herkunft, ihres Zieles, der Finanzkraft ihrer EmpfängerInnen oder AbsenderInnen, ihres Inhalts, verwendeter Anwendungen oder eingesetzter Geräte."
Linke will Netze verstaatlichen
Noch deutlicher wird nur Die Linke , welche die Netzneutralität wie folgt sichern will(öffnet im neuen Fenster) : "Die Telekommunikationsnetze sollen deshalb in öffentliches und gemeinwirtschaftliches Eigentum überführt werden." Das käme einer Verstaatlichung der Netze gleich.
Gleich auf europäischer Ebene wollen die Linken dafür ansetzen. Sie setzen sich "für eine Streichung des Privatisierungsgebots im Telekommunikationssektor im Grundgesetz und in den EU-Richtlinien ein." Das, so die Partei an selber Stelle, sei nötig, weil die Privatwirtschaft auf dem flachen Land nicht kostendeckend Breitbandanschlüsse bereitstellen könne. Dafür fordert die Partei ebenso wie Grüne und SPD die Aufnahme des Internetzugangs in den "Universaldienst" und will eine Mindestbandbreite von 10 MBit/s zum Gesetz machen.
Das soll nicht nur durch Verstaatlichung gewährleistet werden. Die Linke nennt daneben auch "gemeinnützige Zusammenschlüsse in Landkreisen und Kommunen" und Freifunkinitiativen.
Auf Finanzierung oder geeignete Techniken für die Breitbandversorgung geht das Programm der Piraten nicht ein. Stattdessen heißt es kurz und knapp(öffnet im neuen Fenster) : "Ziel ist es, in den nächsten Jahren eine lückenlose Breitbandversorgung in der EU zu gewährleisten." Dazu wollen die Piraten das "Recht auf Digitale Teilhabe an der Gesellschaft in der europäischen Grundrechtecharta verankern" .
Wie wichtig der Partei die Netzneutralität ist, zeigt sich daran, dass dieses Thema das Kapitel rund ums Internet im Programm einleitet. Die Piraten fordern eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität und liefern auch eine Begründung: "um Informations-, Presse- und Meinungsfreiheit zu sichern und die Innovationsfähigkeit des Netzes zu erhalten."
Bewertung
Bei der Netzneutralität fällt nur die CDU auf - sie spricht sich als einzige der untersuchten Parteien nicht klar für eine gesetzliche Festschreibung aus. Alle anderen sind sich einig, dass das notwendig ist. Ein klarer Plan zum Breitbandausbau, der sowohl auf bundesstaatliche und kommunale sowie von Bürgern getragene Anstrengungen setzt, ist nur bei der SPD zu erkennen. Deren Vorschläge werden vor allem in puncto Technik von den Grünen sinnvoll ergänzt. Keine der Parteien macht aber konkrete Angaben zur Höhe der Finanzierung des Breitbandausbaus.
Nachtrag vom 27. August 2013, 18:20 Uhr
Die Grünen schlagen für die Finanzierung des Breitbandausbaus Unternehmensfonds vor. Die entsprechende Passage im Artikel wurde ergänzt.
In einer sechsteiligen Artikelserie untersucht Golem.de die Positionen der Parteien zu den wichtigsten Themen der Netzpolitik anhand der veröffentlichten Wahlprogramme. Dabei gehen wir neben den im Bundestag vertretenen Parteien auch auf die Piraten ein, weil diese eine besondere Nähe zu Internetthemen besitzen und inzwischen in vier Landtagen vertreten sind:
Montag, 26. August 2013: Was die Parteien mit dem Internet vorhaben - ein Überblick
Dienstag, 27. August 2013: Breitbandausbau / Netzneutralität
Mittwoch, 28. August 2013: Vorratsdatenspeicherung / Bestandsdatenauskunft / Cybercrime
Donnerstag, 29. August 2013: Datenschutz / Privatsphäre / Wie Unternehmen mit Daten umgehen
Freitag, 30. August 2013: Urheberrecht / Leistungsschutzrecht
Samstag, 31. August 2013: Open-Data / E-Government



