Bundestagsanhörung: CCC warnt vor "Panikmache" bei Social Bots
Muss die Politik den Einsatz von Social Bots noch vor der Wahl regulieren? Bei einer Anhörung im Bundestag gab es dazu viele offene Fragen und harsche Kritik.

Wenn man von der Zahl der geladenen Experten auf die Bedeutung eines Themas schließen müsste, wäre es am Donnerstag im Bundestag um eine sehr wichtige Frage zur Zukunft der Demokratie gegangen. Gleich 20 Vertreter von Medien, Wissenschaft, Behörden und Verbänden hatte der Ausschuss für Technikfolgenabschätzung eingeladen, um zweieinhalb Stunden lang über sogenannte Social Bots zu diskutieren. Und in der Tat: Wären solche "Meinungsroboter" in der Lage, den Ausgang der kommenden Bundestagswahl entscheidend zu beeinflussen, sollten sich Politik und Gesellschaft schleunigst Gedanken machen.
Das vom Büro für Technikfolgen-Abschätzung im Ausschuss präsentierte Thesenpapier war schon vorher bekanntgeworden. Demnach können Social Bots die Debattenkultur im Netz verändern. Allerdings gebe es noch keinen gesicherten Nachweis über Wirkungen und Effekte des Phänomens. In der anschließenden Debatte wurde nicht klar, ob die Furcht vor den Auswirkungen der Meinungsroboter nicht stark übertrieben ist.
CCC warnt vor Panikmache
Letzteres findet zumindest Linus Neumann vom Chaos Computer Club (CCC). Seit einem Interview des Sozialforschers Simon Hegelich im Mai 2016 hat er eine "Panikmache" in den Medien ausgemacht. "Ich halte dieses gesamte Thema im Bereich der politischen Einflussnahme durch Social Bots für fürchterlich aufgebauscht", sagte Neumann. Schließlich habe Hegelich selbst einräumen müssen, dass es schwer nachzuweisen sei, auf welche Weise solche Bots tatsächlich die Wahlentscheidung realer Nutzer beeinflussen könnten.
Der Einfluss sei vermutlich so gering, dass die Idee von Wahlmanipulationen den "Lachtest" nicht überstehe. "Da fange ich gar nicht erst an zu forschen", sagte Neumann. Der Unsinn, der über die Gefahren von Social Bots verbreitet werde, werde noch überboten von politischen Forderungen, die diskutiert würden. Social Bots und Fake News seien nur Symptome eines allgemeinen Vertrauensverlustes in Medien und Politik, den sich politische Player zunutze machen wollten.
Hilft eine Kennzeichnungspflicht?
Auch nach Ansicht des Münchner Politikprofessors Jürgen Pfeffer werden durch die Bots in erster Linie die Medien manipuliert. So seien Rankings über die Zahl von Twitter-Followern wenig aussagekräftig, da man nie sagen könne, ob dahinter tatsächlich menschliche Nutzer oder lediglich Algorithmen stünden. "Who cares?", fragte Pfeffer. So würde der neue US-Präsident Donald Trump vermutlich weniger twittern, wenn die Medien nicht jede seiner Äußerungen gleich aufgriffen.
Weitgehende Einigkeit herrschte bei den Experten in der Frage, ob eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für Social Bots das Problem lösen könne. Nach Ansicht Neumanns würde eine solche Pflicht vermutlich keinen Schaden anrichten, aber wenig bringen. Zudem gebe es bei Twitter viele anonyme Accounts, so dass auch das Unternehmen häufig nicht wisse, wer dahinter stecke. Neumann räumte ein, selbst über seinen Twitter-Account automatisierte Tweets abzusetzen, beispielsweise wenn er einen Blogbeitrag veröffentlicht.
Was machen Social Bots überhaupt?
Stephan Sachweh vom Sicherheitsunternehmen Pallas hält eine Kennzeichnungspflicht ebenfalls für "völlig sinnlos", da man eine Klarnamenpflicht nie wirksam kontrollieren könne. Schon jetzt sei dies nicht möglich, auch wenn es sie bei verschiedenen Netzwerken wie Facebook bereits gebe. Nach Ansicht von Alexander Sander, Geschäftsführer der Digitalen Gesellschaft, könnte eine solche Pflicht sogar kontraproduktiv sein. Da ein Netzwerk mit der Kennzeichnung von Bots immer hinterher hinke, könnten Nutzer neue und bislang unerkannte Bot-Accounts für besonders glaubwürdig halten. Die Bots könnten daher eine Zeitlang "immer machen, was sie wollen".
Aber was machen diese Bots überhaupt? Hier gingen die Schilderungen der Experten auseinander. Für Neumann sind diese einfach zu programmierenden Tools genauso Spamschleudern, wie es sie bei E-Mails gibt. Sie nutzen trendige Hashtags, um auf diese aufzuspringen und ihre Botschaften zu verkaufen. Das hat nach Darstellung Sanders den unerwünschten Nebeneffekt, dass die Bots solche Hashtags kaputtmachen können, und Nutzer daher nach anderen Wegen suchen müssen, um sich über ein bestimmtes Thema zu informieren. Debatten könnten wegen der Bots dann nicht mehr über die Stichwörter geführt werden.
Social Bots bringen "sozialen Klimawandel"
Der Sozialwissenschaftler Dirk Helbing von der ETH Zürich warnte davor, das Thema zu unterschätzen. Es sei wie beim Doping: Das sei schwer nachweisbar, aber trotzdem schädlich. Nur weil sich Experten nicht einig seien, bedeute das nicht, "dass kein Handlungsbedarf ist", sagte er mit Verweis auf die lange Debatte über den Klimawandel. Social Bots könnten einen "sozialen Klimawandel" erzeugen, sagte Helbing. Er forderte, die Rechte und Pflichten für Roboter generell festzulegen. Die Kennzeichnungspflicht würde der Ausweispflicht entsprechen. Denkbar wären auch Reputationssysteme.
Anders als beim Thema Fake News scheinen die Parteien bei Social Bots aber noch nicht in Aktionismus zu verfallen. Ein siebenseitiges Positionspapier der Unionsfraktion zum Thema schlägt lediglich vor: "Die Plattformanbieter müssen das Bot-Aufkommen transparent darstellen und eingrenzen. Um für mehr Transparenz zu sorgen, soll eine Kennzeichnung von Social Bots geprüft werden." Letzteres klingt danach, als werde es noch zahlreiche Diskussionen mit vielen Experten zu dem Thema geben.
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Vielleicht sind die anderen auch einfach blind. Vor allem was Google und Amazon angeht.
aber auch eindeutig korrupte politiker und beamte dazu... nur um den versuch, dies zu...
"Journalismus ist etwas zu veröffentlichen, von dem andere nicht wollen, dass es...
Ich finde es interessant, dass sich dein zweiter Punkt eigentlich auf ein Wort reduzieren...