Bundestagsanhörung: Beim NetzDG drohen erste Bußgelder

Aufgrund des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes laufen mittlerweile über 70 Verfahren gegen Betreiber sozialer Netzwerke. Das erklärte der zuständige Behördenchef bei einer Anhörung im Bundestag. Die Regeln gegen Hass und Hetze auf Facebook & Co. entzweien nach wie vor die Expertenwelt.

Ein Bericht von Justus Staufburg veröffentlicht am
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) steht weiterhin in der Kritik.
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) steht weiterhin in der Kritik. (Bild: Trending Topics 2019/CC-BY 2.0)

Großen sozialen Netzwerken mit über 20 Millionen registrierten Nutzern im Inland drohen laut den Bußgeldleitlinien des Bundesjustizministeriums für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) bis zu 40 Millionen Euro Strafe. Voraussetzung dafür ist ein "systemisches Versagen" mit "beharrlichen Verstößen" beim Löschen rechtswidriger Inhalte. Zumindest einige der 71 laufenden Verfahren rund um das "Facebook-Gesetz" wiesen in diese Richtung, ließ Heinz-Josef Friehe, Präsident des Bonner Bundesamtes für Justiz (BfJ), am Mittwoch bei einer Anhörung zu Anträgen der Opposition zum Einhegen oder Abschaffen des Normenwerks durchblicken.

Inhalt:
  1. Bundestagsanhörung: Beim NetzDG drohen erste Bußgelder
  2. Zentralangriff auf die Meinungsfreiheit

Dabei gehe es nicht etwa um Beleidigungen, sondern um das Zeigen von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wie des Hitlergrußes oder des Hakenkreuzes, erläuterte der Behördenchef. Das BfJ stehe hier aber entgegen anderslautender Berichte "noch nicht unmittelbar vor einem Bußgeldbescheid". Insgesamt gebe es noch keine "valide Menge" an Ermittlungsfällen aufgrund systemischen Versagens.

Viel häufiger machten Friehe und seinem Team fehlende Zustellungsbevollmächtigte für Schreiben der deutschen Behörden zu schaffen. Vor allem erfasste Plattformbetreiber in den USA leisteten dieser Vorschrift noch nicht Folge, bemängelte er. Auch bei sozialen Netzwerken in Finnland, Lettland oder Russland seien entsprechende Verstöße festgestellt worden. Das BfJ versuche dort aktuell über die internationale Rechtshilfe Behördenbriefe mit Mahnungen an die Verantwortlichen zu bringen. Der Sockelbetrag für Sanktionen ist in diesem Bereich mit 3,5 Millionen Euro bei außerordentlich schweren Fällen vergleichsweise niedrig angesetzt. Generell muss Friehe zufolge auch nicht jedes Verfahren zu einer Strafe führen.

Hass auf Knopfdruck

Manche der durch das NetzDG hervorgerufenen Befürchtungen etwa vor einem Overblocking seien "nicht eingetreten", betonte der BfJ-Präsident. Bei dem Amt seien innerhalb von rund anderthalb Jahren etwa 1.000 Meldungen mit Beschwerden etwa über die Löschpraxis der Anbieter eingegangen. Eigentlich sei man von jährlich 25.000 Eingaben ausgegangen. Insgesamt habe das NetzDG "positive Effekte", da es nun bessere Meldemöglichkeiten und Transparenzberichte der Betreiber gebe.

Die Grenzen der Meinungsfreiheit seien nicht verschoben worden, sagte auch Sonja Boddin, 2. Vorsitzende des Hamburger Vereins Ichbinhier. Es sei zwar schwierig, "Äußerungsdelikte zu prüfen", räumte sie ein. Holocaust-Leugnungen oder das Aufstacheln zu Hass gegen Minderheiten seien aber nicht hinnehmbar. Der allgemeine Tonfall habe sich gerade auf Facebook leider nicht verbessert durch das Gesetz. Dort werde oft weiter "Hass auf Knopfdruck" produziert und mit "Fake Accounts" und "Social Bots" verbreitet, wogegen der kalifornische Konzern nicht hinreichend vorgehe. Zudem sei dort das Meldeformular gut versteckt und juristische Laien könnten es gar nicht angemessen ausfüllen.

Der Gesetzgeber habe mit dem NetzDG einen Meilenstein gesetzt, um der für das politische Klima gefährlichen Hasskriminalität zu begegnen, sagte der Hamburger Oberstaatsanwalt Michael Elsner. Die Initiative sei "erforderlich, geeignet und verhältnismäßig". Die vergleichsweise kurzen Löschfristen etwa seien nicht zu beanstanden, da sich rechtswidrige Inhalte über soziale Medien "mit hoher Geschwindigkeit" verbreiteten. Dies habe etwa das Christchurch-Attentat gezeigt. Wirtschaftlich starken Unternehmen sei es zudem zumutbar, "dass sie qualifiziertes Personal einstellen, um ihrer Bewertungsaufgabe gerecht zu werden."

Bestandsdaten: Auskunftsanspruch läuft meist leer

Ein großes Defizit machte der für den Deutschen Richterbund angetretene Strafverfolger aber im NetzDG aus, da die eingebaut Pflicht zur Herausgabe von Bestandsdaten in der Praxis oft nicht greife. Etwa bei einem Verdacht auf Volksverhetzung bekomme die Polizei von den US-Firmen meist nur zu hören, dass diese ein Rechtshilfeersuchen stellen müsse. Dieser Weg laufe aber ins Leere, wenn eine hierzulande generell strafbare Äußerung nicht mit einer "ernsthaften Bedrohung" verknüpft sei.

Die allgemeine Kritik an dem Normenwerk tat auch Martin Eifert vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin als "unberechtigt" ab. Rechtswidrige Inhalte müssten ohnehin gelöscht werden, der Bund habe diese Vorgabe letztlich nur "in verfassungsgemäßer Weise" ausgestaltet.

Optimierungspotenzial sah der Rechtswissenschaftler dennoch. So sollte der Gesetzgeber die Verfahrensrechte weiter stärken. Auch eine "verpflichtende Anhörung der Nutzer wäre ratsam". Die Betreiber sollten zudem ihre "Gründe für Löschungen veröffentlichen müssen". Als zweischneidiges Schwert bezeichnete Eifert die Ansagen mancher Gerichte, dass die Plattformen alle rechtmäßigen Inhalte wieder einzustellen hätten. Dies laufe deren Bemühungen zuwider, mit privaten Hausregeln für eine "spezifische Diskussionskultur" zu sorgen.

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Zentralangriff auf die Meinungsfreiheit 
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schnedan 21. Mai 2019

"Viel häufiger machten Friehe und seinem Team fehlende Zustellungsbevollmächtigte für...

Eik 21. Mai 2019

Wo hast du denn den Blödsinn her? Bei der Ausarbeitung des GG war Holocaustleugnung...

derdiedas 16. Mai 2019

Und mit welchem Ergebnis?

AllDayPiano 16. Mai 2019

Und dann noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit? Wenn ich Chef von Twitter Deutschland...



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