Zentralangriff auf die Meinungsfreiheit
Als schärfster NetzDG-Gegner erwies sich bei der zweieinhalbstündigen Sitzung im Rechtsausschuss der Hamburger Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel. Er sprach vom größten "Zentralangriff auf die Meinungsfreiheit" seit der Spiegel-Affäre unter dem früheren CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß und einer "Kapitulation des Rechtsstaats". Die massenhafte Verlagerung von Entscheidungen über Meinungsäußerungen in die Löschzentren der Tech-Giganten aus dem Silicon Valley sei einer Demokratie unwürdig.
Der Jurist hat nach eigenen Angaben bereits obergerichtliche Urteile erstritten, denen zufolge Netzwerkbetreiber keine Inhalte löschen dürfen, die durch die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit gedeckt sind. Gemeinschaftsstandards und Nutzungsbedingungen griffen hier nicht. Auf klagefreudige Mitglieder kämen dabei für die ersten zwei Instanzen aber Kosten in Höhe von etwa 9.000 Euro zu. "Popularklagen" oder ein pauschalisierter Schadenersatz bei rechtswidrigen Löschungen würden die Anbieter noch stärker disziplinieren.
Die Grünen haben ein "Put-Back-Verfahren" ins Spiel gebracht, um die Meinungsfreiheit zu stärken und das NetzDG zu verbessern. Einen solchen Wiederherstellungsansatz unterstützte Alexander Peukert vom Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt. Nutzer könnten über eine entsprechende formelle "Löschungsbeschwerde" eine "zügig agierende und kostenlose Zwischeninstanz einschalten". Werde die Eingabe als zulässig erachtet, müssten auch die bei Twitter aktuell um sich greifenden Account-Sperren rasch wieder aufgehoben werden.
Länder haben Bußgelder vergessen
Keinen Bedarf an einem Wiederherstellungsverfahren sah Sabine Frank, Leiterin Regulierung, Verbraucher- und Jugendschutz bei Google Germany. Sonst käme es noch soweit, dass Youtube auch Spam als "rechtmäßigen Inhalt" wieder anzeigen müsse. Gerichte hätten dagegen schon deutlich gemacht, dass die Grundrechte nur in spezifischen Fällen auf "Community Guidelines" zurückwirkten. Frank legte dem Gesetzgeber besonders ans Herz, den breiten Katalog der Straftaten zu überarbeiten und den vagen Bestand der Ehrverletzung zu streichen oder zumindest zu konkretisieren.
Um die Wirksamkeit des Gesetzes einschätzen zu können, "fehlt empirisches Datenmaterial", monierte Matthias C. Kettemann vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung in Hamburg. Offensichtlich sei nur, dass die Anbieter "die Moderationsfähigkeiten für den deutschen Sprachraum stark ausgebaut haben". Die Transparenzberichte seien zwar hilfreich, aber "noch nicht hinreichend aussagekräftig". Auszugehen sei bislang bei den gesetzlich bedingten Löschungen von einem "strukturellen Ungleichgewicht" zuungunsten der Meinungsfreiheit.
Schon aus formellen Gründen als verfassungswidrig betrachtete Hubertus Gersdorf, Medienrechtler an der Uni Leipzig, das NetzDG. Den Ländern obliege die Aufgabe, "für die Einhaltung der Rechtsordnung in sozialen Netzwerken Sorge zu tragen". Eine Doppelzuständigkeit dürfe es nicht geben. Dazu kämen "verfahrensrechtliche Mängel". Betroffene müssten beispielsweise nicht angehört werden.
Cornelia Holsten, Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, plädierte dafür, Synergieeffekte etwa mit dem Jugendmedien- oder dem Rundfunkstaatsvertrag der Länder stärker zu nutzen. Als letzterer erstmals beschlossen worden sei, habe die Politik aber "Fake News" und "Hate Speech" noch nicht vorhersehen können. So komme es dazu, dass sich zwar auch Anbieter im Internet genauso wie etwa die Presse an journalistische Sorgfaltspflichten halten müssten. Der Online-Bereich sei aber "nicht bußgeldbewehrt". Dies habe man "schlicht und einfach vergessen".
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Bundestagsanhörung: Beim NetzDG drohen erste Bußgelder |
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