Bundesrechnungshof: Digitale Aufarbeitung von Stasi-Unterlagen gescheitert
Geschredderte Stasi-Unterlagen sollten digital zusammengesetzt werden – der Bundesrechnungshof hält das für zu langsam und zu kostspielig.

Der Bundesrechnungshof hält den Versuch, geschredderte Stasi-Schriftstücke digital wieder zusammenzusetzen, für "vollständig gescheitert". Das geht aus einem Prüfbericht hervor, über den am Freitag zuerst das Medienhaus Table Media berichtete. 28 Jahre nach Beginn der Rekonstruktion seien insgesamt nur 3,2 Prozent der Papierfetzen wieder zusammengesetzt worden, erklärte der Rechnungshof, davon 0,1 Prozent virtuell. Der 17 Millionen Euro teure Digitalversuch habe keinen Erfolg gehabt.
Beschäftigte des Ministeriums für Staatssicherheit zerrissen während der friedlichen Revolution in der DDR 1989 und 1990 im großen Stil Akten des Geheimdiensts. Rund 15.500 Säcke mit Schnipseln wurden gesichert in der Hoffnung, die zeitgeschichtlich wichtigen Dokumente wieder zusammenzusetzen. Es ist davon auszugehen, dass darin wichtige Informationen zur Stasi-Überwachung aus den 40 Jahren DDR-Geschichte stecken.
Nur ein Bruchteil der Säcke wurde digital bearbeitet
Das Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) prüfte seit 2007, wie dies mithilfe von Computertechnik zu bewerkstelligen wäre. In einem Test sollten zunächst Schnipsel aus 400 Säcken virtuell wieder lesbar gemacht werden. Obwohl der dafür entwickelte e-Puzzler grundsätzlich funktioniere, gebe es so viele technische Hürden, dass zunächst nur 23 Säcke mit 91.000 Seiten bearbeitet wurden.
Das Fraunhofer Institut teilt diese Ansicht nicht. Die E-Puzzler-Technologie funktioniere, Nach Ansicht des Instituts wurde das Projekt bereits 2014 erfolgreich abgeschlossen. Die Funktionsfähigkeit und Praxistauglichkeit wurde von unabhängigen Gutachtern bestätigt, wie das Fraunhofer Institut Golem.de mitteilte. Politische Entscheidungen hätten zum Stillstand des Projektes geführt.
Die Rechnungsprüfer kritisierten die Staatsminister für Kultur und Medien der vergangenen zehn Jahre. Sie seien trotz wiederholter Hinweise untätig geblieben. Es sei nicht nachvollziehbar, warum an der Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut festgehalten werden solle. Betroffene könnten sich keinen Zugang zu den über sie gesammelten Daten mehr beschaffen, kritisierten die Prüfer: "Bei diesem Arbeitstempo wären die Unterlagen erst in rund 847 Jahren wiederhergestellt."
Nachtrag vom 27. April 2023, 10:20 Uhr
Die Nachricht wurde um eine Stellungnahme des Fraunhofer Instituts erweitert.
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