Bundesrat blockiert: Was die Länder am Whistleblower-Gesetz stört

Vor mehr als einem Jahr hätte Deutschland einen besseren Schutz von Whistleblowern einführen müssen. Nun blockiert der Bundesrat das Gesetz.

Artikel veröffentlicht am ,
Whistleblower sollen ohne Repressalien interne Verstöße melden können.
Whistleblower sollen ohne Repressalien interne Verstöße melden können. (Bild: Pixabay)

Die längst überfällige Umsetzung einer EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern verzögert sich weiter. Der Bundesrat verweigerte in seiner Sitzung vom 10. Februar 2023 einem entsprechenden Gesetz des Bundestags seine Zustimmung. Begründet wurde dies unter anderem mit einem zu hohen Aufwand für die Wirtschaft. Das Gesetz führe " in wirtschaftlich ohnehin schwierigen Zeiten zu hohen Kosten und zusätzlicher Bürokratie, gerade für kleinere und mittlere Unternehmen", sagte der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU).

Der Bundestag hatte den Gesetzentwurf für einen besseren Schutz von Hinweisgebern am 19. Dezember 2022 beschlossen. Hintergrund der Gesetzesinitiative ist eine EU-Richtlinie, die eigentlich schon bis Dezember 2021 in deutsches Recht hätte umgesetzt werden müssen. Doch die frühere Bundesregierung unter Union und SPD konnte sich nicht auf eine gemeinsame Position einigen.

Warnung vor hohem Aufwand

CDU und CSU blockieren nun über die Länderkammer das Gesetz. Eisenreich kritisierte in seiner Rede eine "enorme Ausweitung des Anwendungsbereichs", der weder europarechtlich geboten noch von den kleinen und mittleren Firmen geleistet werden könne. Konkrete Kritikpunkte nannte Eisenreich hingegen nicht.

Das übernahm in fundierterer Form der hessische Justizminister Robert Poseck (CDU). Auch Poseck kritisierte die Ausweitung des Gesetzes auf Ordnungswidrigkeiten. Das sei "nicht erforderlich und gemessen am Gesetzeszweck sogar kontraproduktiv". Um effektiven Hinweisgeberschutz zu gewährleisten, müsse man diesen "auf die wirklich relevanten Fälle konzentrieren".

"Nicht jeder Whistleblower führt Gutes im Schilde"

Nach Ansicht Posecks stellt auch die Verpflichtung zur Einrichtung eines anonymisierten Meldekanals eine unverhältnismäßige Erweiterung dar. Dieser Kanal müsse auch eine anonymisierte Kommunikation mit dem Whistleblower ermöglichen. Dadurch entstünden "ganz erhebliche zusätzliche Aufwände für die Unternehmen, die entsprechende IT-Systeme vorhalten müssen". Darüber hinaus könne der anonyme Meldekanal für Verunglimpfungen und Persönlichkeitsrechtverletzungen genutzt werden. "Nicht jeder Whistleblower führt Gutes im Schilde", sagte der Minister.

Ebenfalls warnte Poseck vor einem möglichen Missbrauch des Whistleblowerschutzes im Arbeitsrecht. Beschäftigte könnten "nahezu jede nachteilige Maßnahme unter das Hinweisgeberschutzgesetz ziehen und sich damit zum Beispiel auch einen Kündigungsschutz erstreiten, der eigentlich nicht vorgesehen ist". Zu guter Letzt hält der hessische Justizminister die vorgesehene Geldbuße in Höhe von bis zu 20.000 Euro für Arbeitgeber, die die erforderlichen Meldekanäle nicht rechtzeitig einrichten, für zu hoch.

Regierung will "stimmiges Schutzsystem"

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Benjamin Strasser (FDP), versuchte vergeblich, die Bedenken der Länder vor der Abstimmung zu zerstreuen. Die Ampelkoalition habe ein "stimmiges Schutzsystem" schaffen wollen und nicht versucht, "bruchstückhaft einige Fallkonstellationen zu erfassen und andere nicht".

Ohne die Erweiterungen der EU-Richtlinie "wären diejenigen geschützt, die einen geringfügigen Verstoß gegen die DSGVO melden, nicht aber jemand, der die Misshandlung von Pflegebedürftigen meldet", sagte Strasser. Das wäre "niemandem zu vermitteln".

Anonyme Meldekanäle wiederum seien wichtig, um die Hemmschwelle für das Aufdecken von Missständen zu verringern. Um die Kosten zu senken, müssten Firmen keine eigenen internen Meldestellen einrichten, sondern könnten sich mit anderen Unternehmen zusammenschließen oder beispielsweise eine Anwaltskanzlei damit beauftragen. Auch die Länder müssten keine eigenen externen Meldestellen aufbauen, sondern könnten auf die des Bundes beim Bundesamt für Justiz (BfJ) zurückgreifen.

Vermittlungsausschuss muss Kompromiss finden

Zustimmung für die Pläne kam immerhin aus Ländern wie Thüringen. Dessen Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) warb für eine neue Fehlerkultur in den Unternehmen, "in der Fehler vermieden [werden] und daraus gelernt wird". Thüringen habe sich sogar eine weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs gewünscht. Zudem kritisierte Hoff die vorgesehenen Ausnahmen für den Bereich der nationalen Sicherheit und der kritischen Infrastruktur. Beispiele wie die Enthüllungen der US-Whistleblowerin Chelsea Manning zeigten, wohin die absolute Betonung des Schutzes der nationalen Sicherheit führen könne.

Nach der Ablehnung des Gesetzentwurfs muss voraussichtlich der Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat einen Kompromiss aushandeln, der von beiden Gesetzgebungsorganen mitgetragen werden kann. Sollte sich die Verabschiedung weiter verzögern, drohen Deutschland ein EU-Vertragsverletzungsverfahren und damit mögliche Strafzahlungen.

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dietzi96 15. Feb 2023 / Themenstart

Ihr habt die CDU falsch geschrieben. Es sind nämlich nicht die Länder, es ist nur die CDU.

The IT-Guy 14. Feb 2023 / Themenstart

Im Artikel ist von Blockade durch die Länder die Rede. Stimmt allerdings nicht sondern...

Termuellinator 14. Feb 2023 / Themenstart

Hier ist plötzlich der Aufwand für die Wirtschaft zu groß, wenn man die Wirtschaft aber...

VirusBlackBox 14. Feb 2023 / Themenstart

Das stimmt und ändert nichts am Sachverhalt ;-)

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