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Bundesdigitalminister: Ein Manager für die Staatsmodernisierung

Die Nominierung von Ceconomy-Chef Wildberger als Digitalminister ist eine Überraschung. Doch die Verwaltung lässt sich nicht führen wie ein Unternehmen.
/ Friedhelm Greis
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Steht plötzlich im Rampenlicht der Politik: der bisherige Ceconomy-Chef Karsten Wildberger (Bild: Sean Gallup/Getty Images)
Steht plötzlich im Rampenlicht der Politik: der bisherige Ceconomy-Chef Karsten Wildberger Bild: Sean Gallup/Getty Images

Diese Personalie hatte niemand auf dem Schirm: Der Chef der Elektronikmärkte Saturn und Media Markt, Karsten Wildberger, leitet künftig das neu zu schaffende Bundesministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung . Ein promovierter Physiker mit langjähriger Erfahrung in der Telekommunikations- und Energiebranche soll die schleppende Digitalisierung der Verwaltung voranbringen. Kann das funktionieren?

An der technischen und unternehmerischen Qualifikation des künftigen Ministers dürfte es wohl nicht scheitern. Nach seiner Promotion am Forschungszentrum Jülich ging Wildberger 1998 zum Beratungsunternehmen Boston Consulting Group in Düsseldorf. Zwischen 2003 und 2021 arbeitete der mit dem Aachener Ingenieurspreis ausgezeichnete 55-Jährige in der Telekommunikationsbranche: bei T-Mobile, Vodafone und dem australischen Konzern Telstra.

Anschließend wurde er Vertriebsvorstand beim Energiekonzern Eon, bevor er 2021 an die Spitze von Ceconomy wechselte, dem Mutterkonzern der Elektronikmarktketten Saturn und Media Markt. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) bescheinigte Wildberger vor wenigen Tagen, Media Markt "wieder cool" gemacht zu haben(öffnet im neuen Fenster) (Paywall). Dazu verwies die Zeitung auf eine neue Kooperation mit Uber , die den Kunden eine Lieferung innerhalb von 90 Minuten verspricht.

Wildberger nicht der "krawallige Typ"

Immerhin schaffte es Wildberger, sich vier Jahre an der Spitze von Ceconomy zu halten. Zuvor verschliss die Elektronikholding laut FAZ "zig Vorstandsvorsitzende in kurzer Zeit" . Seine Führungsphilosophie beschreibt der Manager mit den Worten: "Ich habe die Fähigkeit, eine Mannschaft hinter einer Strategie und einem Ziel zu versammeln, sie darauf einzuschwören und dann gemeinsam alles daranzusetzen, das umzusetzen. Das ist am Ende auch das, was ich unter Führung verstehe."

Er sei weniger der krawallige Typ, der wie ein Kapitän auf dem Fußballplatz laute Ansagen mache. "Man kann extrem viel Veränderung kraftvoll erreichen, ohne besonders laut zu sein" , sagt Wildberger der FAZ. Dabei dürfe man sich selbst auch nicht zu wichtig nehmen, aber man wachse an den Aufgaben, die einem zugeteilt würden. Führung sei "geliehene Verantwortung" .

Welche Aufgaben ihm konkret als Bundesminister zugeteilt werden, steht noch nicht ganz fest. Denn das Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung muss zunächst gegründet werden. Andere Ministerien müssen dazu Kompetenzen abgeben. Laut Heise erhält das neue Ressort die beiden Abteilungen Digitale Verwaltung/Steuerung OZG und Digitale Gesellschaft/Informationstechnik aus dem Bundesinnenministerium sowie die Abteilungen für Daten- und Digitalpolitik und für Digitale Konnektivität aus dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr, das künftig wieder ein reines Verkehrsministerium sein wird.

Inwieweit die Abteilung Digital- und Innovationspolitik aus dem Bundeswirtschaftsministerium zu Wildberger kommt, ist unklar. Dies dürfte der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spätestens nach seiner Wahl in einem Organisationserlass regeln.

Die IT- und Telekommunikationsbranche begrüßte die Entscheidung der CDU, einen Quereinsteiger mit Aufbau und Leitung des Digitalministeriums zu beauftragen.

Verbände sehen Zeichen für Kompetenz und Erfahrung

Damit setze Merz "ein Zeichen für Kompetenz, Erfahrung und Innovationsgeist" , teilte der Telekommunikationsverband Anga mit. Denn Wildberger bringe "Know-how im Bereich Telekommunikation und Digitalisierung mit und kennt vor allem die Perspektiven eines vielfältigen und dynamischen Telekommunikationsmarktes" .

Ähnlich positiv äußerten sich der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) und der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM). Die drei genannten Verbände sehen im Umstieg vom Kupfer- auf das Glasfasernetz eine zentrale Aufgabe der neuen Regierung.

Der IT-Verband Eco fordert für das neue Ministerium "klare Zuständigkeiten, die Federführung für zentrale digitalpolitische Handlungsfeder sowie ein relevantes Digitalbudget" . Dazu zählt für den Verband nicht nur die Digitalisierung der Verwaltung, sondern auch "der Ausbau eines resilienten Ökosystems digitaler Infrastrukturen, wettbewerbsfähige Standortbedingungen für Rechenzentren sowie die gezielte Förderung von KI-Trainingskapazitäten" .

Darüber hinaus wünscht sich der Verband den Ausbau der Cybersicherheit. Dazu müsste die Abteilung CI des Bundesinnenministeriums, die Abteilung für Cyber- und Informationssicherheit, ganz oder teilweise ebenfalls in das neue Ministerium wechseln. Verbunden damit wäre wohl auch eine Aufsicht über das Bundesministerium für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).

Ein Ministerium ist kein Unternehmen

Entscheidend für den Erfolg Wildbergers dürfte die Unterstützung sein, die er vor allem vom designierten Bundeskanzler Merz erhält. Der Manager dürfte vor seiner Zusage darauf gedrängt haben, sich entsprechende Kompetenzen für sein neues Ministerium zu sichern. Denn er verfügt über keine Hausmacht in der Partei.

Das sieht auch ein nicht namentlich genannter Branchenexperte so, den die Nachrichtenagentur dpa zitiert. Wildbergers Wechsel berge Risiken, denn er sei in der Politik nicht stark vernetzt und habe keine Erfahrungen im Staatsapparat gesammelt. Zwar sei aus Behördenkreisen zu vernehmen, dass ein Mann von außerhalb frischen Wind reinbringen könnte. "Aber hoffentlich weiß er, dass man ein Ministerium anders führt als ein Unternehmen in der freien Wirtschaft" , sagte der Experte.

Die Digitalexpertin Anke Domscheit-Berg schätzt dies ähnlich ein. "Herr Wildberger kann nicht in Managermanier von oben durchregieren - dann würde er sich nur eine blutige Nase holen und am Staatsapparat scheitern" , sagte die frühere Linke-Bundestagsabgeordnete der dpa. Er müsse auch die anderen Bundesministerien, die Bundesbehörden, Bundesländer und den Bundestag überzeugen, um erfolgreich Veränderungen anzuschieben. Domscheit-Berg räumt ein, dass das nicht immer im Konsens gehen werde.

Eine wichtige Rolle für die Verbindung in die Bundestagsfraktion und die CDU dürfte daher die beiden Parlamentarischen Staatssekretäre spielen.

Jarzombek und Amthor als Staatssekretäre vorgesehen

Positiv ist dabei, dass ihm mit Thomas Jarzombek ein erfahrener Netzpolitiker als Parlamentarischer Staatssekretär an die Seite gestellt wird. Der 52-Jährige wird eher für die wirtschaftspolitischen Themen wie den Breitbandausbau und die Start-up-Förderung zuständig sein.

Bedenklich erscheint hingegen die geplante Ernennung von Philipp Amthor als zweiter Parlamentarischer Staatssekretär. In den Koalitionsverhandlungen leitete er die Arbeitsgruppe Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung, Moderne Justiz. Dabei forderte die Union unter anderem , das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) "in der bisherigen Form" abzuschaffen.

Aufgrund einer IFG-Anfrage wurde ein Dokument bekannt, in dem Amthor im Jahr 2018 beim Wirtschaftsministerium für das dubiose KI-Unternehmen Augustus Intelligence geworben hatte. Die Nähe zu diesem Unternehmen qualifiziert den 32-Jährigen ebenfalls nicht gerade für eine herausgehobene Position in der Digitalpolitik.

Erfolg noch nicht ausgemacht

Mit der Einrichtung eines eigenständigen Digitalministeriums erfüllt die schwarz-rote Koalition eine langjährige Forderung der IT-Wirtschaft. Zudem zeigt die Personalie Wildberger, dass Merz offenbar bereit ist, in Sachen Digitalpolitik neue Wege zu gehen und fachliche Kompetenz als zentrales Kriterium für die Ressortleitung zu sehen.

Wie ernst der designierte Bundeskanzler es mit der Digitalpolitik meint, zeigt sich jedoch erst mit dem Zuschnitt der Ministerien und dem dafür vorgesehenen Budget. Und Wildberger sollte klar sein: Anders als bei Media Markt und Saturn wird er bei der Verwaltungsdigitalisierung in 90 Minuten gar nichts liefern können.


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