Bugonia: Verschwörungsideologen taugen nicht als Helden

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Spoiler-Hinweis: Auf der vorletzten Seite dieses Artikels interpretieren wir das Filmende mit Spoilern. Im restlichen Text verraten wir nicht mehr als nötig.
Mit kahl geschorenem Kopf, überzogen von cremiger Emulsion, sitzt Michelle (Emma Stone) gefesselt im Keller eines abgelegenen Farmhauses. Neben ihr liegt ein kleines Aufnahmegerät. Wird sie es tun – in einem Statement zugeben, dass sie eine Außerirdische ist?
Oder zeigt uns Yorgos Lanthimos' Kammerspiel Bugonia doch nur eine gewöhnliche Frau, die einem Verschwörungsideologen mit Wahnvorstellungen zum Opfer gefallen ist? Er hat sie sediert, entführt, ihr die Haare abrasiert und sie mit Antihistaminsalbe eingeschmiert. Als Vorsichtsmaßnahme, damit sie nicht telepathisch um Hilfe ruft, erklärt er.
Teddy (Jesse Plemons) droht seinem Entführungsopfer mit dem Tod, sollte es für ihn keine Audienz beim Herrscher des Volks vom Planeten Andromeda geben. Dies müsse unbedingt vor der nächsten Mondfinsternis geschehen, dem Stichtag für das Ende der Menschheit, das nur Teddy verhindern könne – so seine Überzeugung.
Vertraute Muster mit Aluhut
Sogleich denken wir an Lanthimos' früheren Film Dogtooth(öffnet im neuen Fenster) . Auch dort sehen wir Menschen, die um ein verschobenes Weltbild herum wie in einer parallelen Realität leben.
Katzen gelten darin als menschenfressende Monster, Wörter wie Meer bedeuten Stuhl mit Armlehne. Was Sehnsucht nach Freiheit weckt, wird gezielt mit Banalem assoziiert. In Dogtooth versuchen Eltern, durch gesteuerte Erziehung ihre Kinder von der Außenwelt zu isolieren.
Bugonias Version einer derart verschobenen Realität ist anders. Es ist kein Konstrukt, das jemand gezielt designt hat. Die beiden Entführer im Mittelpunkt haben Schicksalsschläge erlitten, sie leiden darunter, beobachten wirkliche Probleme. Daraus spinnt sich scheinbar von selbst eine neu formulierte Sicht auf die Welt, in der für sie alles Sinn ergibt und sie außerdem als Helden dastehen. Es sind vertraute Muster typischer Querdenker.

Teddy zieht Verbindungen zwischen dem Bienensterben, das er als Hobby-Imker beobachtet, dem drohenden Verlust seiner schwerkranken Mutter, Verschwörungstheorien im Internet und eigenen Recherchen, die im Filmverlauf zunehmend erklärt werden. Gleichzeitig wird immer deutlicher, zu welch schockierenden Maßnahmen er aufgrund seiner Weltsicht bereit ist, um nicht nur seine Mutter zu retten, sondern die gesamte Menschheit.



