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Wie wir das Ende interpretieren – mit Spoilern!

Bugonia zu rezensieren, ohne das Ende zu kommentieren, fänden wir fahrlässig. Auf dieser Seite machen wir das mit Spoilern – empfehlen allerdings, sich den Film lieber erst mal ohne dieses Vorwissen anzusehen. Letzte Warnung!

Wer Save the Green Planet! nie gesehen hat, dürfte von Bugonia zum Schluss überrascht werden. Die Ereignisse überschlagen sich, Teddy sprengt sich versehentlich selbst in die Luft. Für ein paar Minuten sind wir im Glauben, Michelle habe ihn ausgetrickst, habe ihm Hoffnung gemacht, ihr Büroschrank sei ein Teleporter, um ihn dort einzusperren. Durch eine glückliche Fügung löste sich sein selbstgebauter Bombengürtel plötzlich von selbst aus.

Dann Konfusion. Wieder bei Bewusstsein, stürmt Michelle aus einem fahrenden Krankenwagen, rennt selbst in ihren Schrank und verschwindet. Sie ist doch ein Alien! An Bord ihres Mutterschiffs besiegelt sie als Anführerin eines außerirdischen Rats das Ende der Menschheit, gerade noch rechtzeitig zur Mondfinsternis.

Es folgen poetische Bilder regungsloser Körper in Szenarien von überall auf der Welt: Menschen, die in unterschiedlichen Momenten auf der Stelle zu leben aufhören. Tiere bevölkern ab sofort allein die Erde. Ein bittersüßer Trost im Schrecklichen.

Wie schon der Titel Bugonia verrät, verarbeitet Lanthimos hier im Sci-Fi-Szenario griechisch-römische Mythologie(öffnet im neuen Fenster) der Antike. Damals herrschte die Annahme, ein Ritual könne aus Kadavern von Rindern Bienen entstehen lassen, es könne Leben aus Totem entstehen.

Die Menschheit ist im Film entsprechend eine Opfergabe, damit es für die Erde neue Hoffnung gibt. Weiterer Kontext im Film erklärt aber auch, dass die Andromedianer damit eine Fehlerkorrektur vornehmen; sie selbst haben die heutigen Menschen einst auf dem "grünen Planeten" gesät.

In Grundzügen erinnert hier vieles an Yorgos Lanthimos' früheren Film The Killing of a Sacred Deer(öffnet im neuen Fenster) . In dem Drama mit Colin Farrell und Nicole Kidman adaptierte der in Athen geborene Regisseur ebenfalls altgriechische Erzählungen, damals Iphigenie bei den Taurern(öffnet im neuen Fenster) . Auch in diesem Film werden wegen eines Ärztepfuschs Geiseln genommen, erzwingt das Ende Menschenopfer als reinigende Maßnahme. Sich der ganzen Wahrheit nicht vollends zu stellen, macht für den Herzchirurgen als zentrale Figur alles nur noch schlimmer.

Egozentrik führt ins Verderben

Diese wiederkehrenden Motive in Lanthimos' Oeu­v­re helfen uns, Bugonia nicht als Bestärkung von Schwurblern und Querdenkern misszuverstehen, obwohl die absurde Komödie genau das auf den ersten Blick provoziert. Im Kern ist es aber eine Geschichte darüber, dass die egozentrierte Perspektive unser Verderben ist.

Wichtiger als die Feststellung, dass ein Verschwörungsideologe in dem Film am Ende mit vielem richtig liegt, ist zu erkennen, dass er dennoch nie die ganze Wahrheit anzunehmen bereit ist. Sein Blick aufs große Ganze war nie wissenschaftlich neutral, trotz all seiner Beweise und Indizien.

Vielleicht hätte Teddy wirklich die Welt retten können, wäre er nicht von emotionaler, nur persönlicher Motivation getrieben; hätte er sich nicht von Rachegelüsten überkommen lassen; wäre sein Trauma nicht, was in letzter Instanz seine Logik bestimmt. Teddys Weltbild muss genau so sein, wie er es haben will.

So wird er nicht zum Helden. Sein Handeln ist lediglich ein weiteres fatales Symptom der Missstände, die er nur oberflächlich erkannt hat.

Dass die Experimente an seiner Mutter dem Wohle aller dienten, weil die Aliens zuerst doch helfen wollten, lässt Teddy als valide Möglichkeit aus Prinzip nicht zu. Ebenso hätte er nie rational akzeptieren können, dass seine geliebten Bienen nur eine Zukunft haben, wenn die Menschheit keine mehr hat. Unbequeme Wahrheiten lassen sich jedoch nicht zurechtbiegen, wie sie einem am besten passen. Auch nicht mit Gewalt.


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