Niemand benutzt Kryptohandys, weil niemand Kryptohandys benutzt
Ein Problem für die Nutzung dürfte darin liegen, dass die Hersteller bei der Verschlüsselung der Telefongespräche nur noch Voice over IP einsetzen. Gerade bei GSM-Verbindungen in schlecht versorgten Gebieten kann die Sprachqualität merklich darunter leiden. Cryptophone-Hersteller GSMK wirbt mit einem selbst entwickelten Codec, der nach Firmenangaben auch bei Verbindungen von 4,8 KBit pro Sekunde noch gut funktioniert und damit die Sprachqualität sicherstellt.
Der Berliner Sicherheitsexperte Karsten Nohl behauptet: "Hohe Sicherheit führt nicht automatisch zu schlechter Sprachqualität." Die beste Sprachqualität habe lange Zeit die Lösung mit der besten Verschlüsselung gehabt: Skype. "Wer allerdings versucht, sichere Sprache über GSM-Kanäle mit 14.400 Baud zu schieben, landet unweigerlich bei unakzeptabler Sprachqualität", sagte Nohl auf Anfrage von Golem.de. Das BSI wollte auf Nachfrage keine Stellung dazu nehmen, warum es den SNS-Standard zwingend vorschreibt.
Nach Ansicht Nohls hat die geringe Nutzung der Handys auch einen nicht technischen Grund. "Niemand benutzt die Kryptohandys, weil niemand die Kryptohandys benutzt. Die wenigen, die doch immer mal wieder bereit sind, die starken Qualitätseinbußen und veralteten Telefone zu akzeptieren, stellen schnell fest, dass sie niemanden sicher anrufen können, da hierzu immer noch zwei Kryptohandys gebraucht werden", sagte er. Somit überwögen fast immer die Nachteile.
Komplizierte Bedienung und Serverabstürze
Das sieht auch der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter so. Er ist Obmann der Union im NSA-Untersuchungsausschuss und erhielt wie seine Kollegen ein Kryptohandy, als eine mögliche Ausforschung des Ausschusses bekanntwurde. Er kann bislang von keinen schlechten Erfahrungen mit dem Gerät berichten. Denn er benutzt es nicht. Die Kryptohandys seien nur sinnvoll, wenn alle Abgeordnete sie erhielten, einschließlich der Mitarbeiter. "Da das nicht der Fall ist, ergibt die Benutzung eher keinen Sinn", sagte Kiesewetter auf Anfrage von Golem.de.
Diese These vertritt auch Grünen-Ausschussobmann Konstantin von Notz. Auch er benutzt sein Kryptohandy kaum, weil fast niemand aus dem Umfeld des Ausschusses und der Fraktion ein Gerät besitzt, das er damit verschlüsselt anrufen könne. Zudem sei die Bedienung "nicht ganz unkompliziert" und es gebe immer wieder technische Probleme wie Serverabstürze, sagte er auf Anfrage von Golem.de. Ohnehin sei es nicht erlaubt, wirklich geheime Dinge über die Geräte zu besprechen. "Nur für den Dienstgebrauch" ist die niedrigste Geheimhaltungsstufe. Darüber gibt es noch "vertraulich", "geheim" und "streng geheim". "Es gibt sehr genaue Vorgaben, was über das Handy kommuniziert und weitergeleitet werden darf", sagte Notz. Zudem hat er eine gewisse Grundskepsis zur Sicherheit der BSI-Geräte nicht abgelegt: "Ich wäre nach allen Erkenntnissen der letzten Monate, auch was die Integrität der angeblich sicheren Kryptohandys angeht, zumindest sehr vorsichtig, was Freibriefe in Sachen Vertraulichkeit angeht."
Verschlüsselungs-Apps als Alternative
Die beste Alternative zu den teuren Geräten ist nach Ansicht von Sicherheitsexperten ein gut geschütztes Standardnetz für alle. Wie die gerade entdeckten Lücken bei UMTS zeigen, sollte man sich als Nutzer jedoch nicht darauf verlassen. Allerdings gibt es bereits plattformübergreifende Apps wie Signal für iOS und Redphone für Android, mit denen Nutzer verschlüsselt telefonieren können. Dabei wird eine Verbindung zwischen Teilnehmern über das Z-Real-Time-Protokoll (ZRTP) für VoIP aufgebaut, das von PGP-Schöpfer Phil Zimmermann entwickelt wurde. Auch Bundestagsabgeordnete benutzen nach Informationen von Golem.de die Signal-App. Damit ist es den Parlamentariern auch möglich, mit ihren Mitarbeitern verschlüsselt zu telefonieren. Notz benutzt nach eigenen Angaben mehrere verschiedene Apps zur Verschlüsselung.
Trotz der Probleme plant das Bundesinnenministerium bislang keine neue Ausschreibung. Noch seien die 9.600 Geräte schließlich nicht abgerufen. Zumindest aus seinem Ministerium habe er auch keine Rückmeldung, dass die Geräte nicht benutzt würden, sagte ein Sprecher. Allerdings gebe es keine offizielle Erhebung zu möglichen Problemen oder Nutzungsgewohnheiten. Ohnehin ist unklar, ob sich die Telekom an einer neuen Ausschreibung beteiligen und einen Nachfolger des Simko 3 entwickeln würde. Einem Ministeriumssprecher zufolge sollten in die Entwicklung möglicher neuer Geräte auch die bisherigen Erfahrungen einbezogen werden. Dazu wäre es sehr hilfreich, wenn sich die beteiligten Firmen und das BSI einmal äußern würden.
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BSI-Kryptohandys: Kaum Anschluss unter dieser Nummer |
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