Botschaftsspionage: "Abhöranlagen begehen keine Straftaten"

Der Regierung sind die Hände gebunden, wenn sie Abhöranlagen in Botschaften beseitigen wollte. Selbst gegen ausländische Spione kann sie juristisch nur schwer vorgehen.

Artikel veröffentlicht am ,
Verschlossene Tür: Deutsche Behörden dürfen in der US-Botschaft nicht ermitteln.
Verschlossene Tür: Deutsche Behörden dürfen in der US-Botschaft nicht ermitteln. (Bild: John Macdougall/AFP/Getty Images)

Deutschland ist es im Grunde unmöglich, den Betrieb von Abhöranlagen in Botschaftsgebäuden zu unterbinden. Mit Blick auf Medienberichte, wonach die USA von ihrer Botschaft am Pariser Platz den Mobilfunkverkehr im Berliner Regierungsviertel überwachen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag vor Journalisten: "Die Räumlichkeiten einer ausländischen Mission, beziehungsweise der amerikanischen Botschaft, müssen als unverletzlich gelten." Grundsätzlich dürfe das Gebäude auch von deutschen Ermittlungsbehörden nur mit Zustimmung des Missionschefs betreten werden. Zudem sei es nicht möglich, Spionageanlagen einfach zu demontieren. "Eine Abhöranlage begeht selbst keine Straftat", sagte der Ministeriumssprecher.

Die Justiz könne daher nur gegen Botschaftsmitarbeiter vorgehen, die nachweislich die Anlage betrieben hätten, hieß es weiter. Doch selbst dann sind diese vor einer Strafverfolgung sicher, wenn sie diplomatischen Schutz genießen. "Nach den Regelungen des Wiener Übereinkommens unterliegen sie nicht der Rechtsordnung des Empfangsstaates", sagte der Sprecher weiter. Es gebe daher nur die Möglichkeit, die Diplomaten als "persona non grata" zu erklären und von ihnen als "unerwünschter Person" die Ausreise zu verlangen. Sollten sie dem nicht nachkommen, könnten die Strafverfolgungsbehörden aktiv werden, weil dann die diplomatische Immunität nicht mehr wirksam sei.

Nach Angaben des Justizministeriums befasst sich die Bundesanwaltschaft inzwischen mit dem Fall. Es sei ein "Beobachtungsvorgang" angelegt worden, was einem Vorermittlungsverfahren entspricht. Sollte sich der Verdachtsfall erhärten, würde offiziell ermittelt. Regierungssprecher Steffen Seibert verwies darauf, dass die Spionagevorwürfe "dringend aufgeklärt" werden müssten und die Bundesregierung allen Hinweisen nachgehen werde. Dazu soll auch die Reise einer "hochrangigen" Regierungsdelegation nach Washington beitragen. Dieser gehören nach Angaben Seiberts Vertreter des Bundeskanzleramts sowie die Spitzen von Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz an. Die Frage, ob der US-Whistleblower Edward Snowden zur Aufklärung der Vorfälle in Deutschland vernommen werden solle, "stellt sich in diesem Moment nicht", sagte Seibert. Allerdings kann nach Auskunft der Regierung ein Untersuchungsausschuss des Bundestags durchaus Snowden als Zeugen laden. Dazu müsse es jedoch eine "ladungsfähige Anschrift" geben, auch im Ausland. Diese liege derzeit nicht vor.

Botschaftsspionage allgemein bekannt

Seibert wollte sich nicht dazu äußern, ob und wie die Mobiltelefone von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf mögliche Spionagesoftware überprüft wurden. Einen Bericht der Bild-Zeitung, wonach die Regierung eine neue "dringende" Nutzungsrichtlinie für Dienstgespräche von Ministern und hohen Beamten erarbeite, wies ein Sprecher des Innenministeriums zurück.

Offen scheint auch die Frage, ob dem Verfassungsschutz die möglichen Spionageaktivitäten der NSA schon seit längerem bekannt sind. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht heißt es: "Nachrichtendienste fremder Staaten sind in unterschiedlicher Personalstärke an den jeweiligen amtlichen oder halbamtlichen Vertretungen in Deutschland präsent und unterhalten dort sogenannte Legalresidenturen. Hierbei handelt es sich um Stützpunkte fremder Nachrichtendienste, die in einer offiziellen (z. B. Botschaft, Generalkonsulat) oder halboffiziellen (z. B. Presseagentur, Fluggesellschaft) Vertretung im Gastland abgetarnt sind." Im Verfassungsschutzbericht werden in diesem Zusammenhang jedoch keine verbündeten Staaten genannt. Ein Sprecher des Innenministeriums wollte keine Angaben darüber machen, ob mögliche Aktivitäten nicht dennoch den deutschen Behörden bekannt seien. Es sei aber bekannt, dass der Verfassungsschutzbericht nicht vollständig sei.

Für weitere Hintergründe zur NSA-Affäre aktualisiert Golem.de fortlaufend diese beiden Artikel:

Chronologie der Enthüllungen

Glossar zur NSA-Affäre

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Endwickler 30. Okt 2013

Wieso Reflex? Das ist keine Reaktion sondern die machen das einfach.

1st1 29. Okt 2013

Die haben für den Strom sicherlich Dieselgeneratoren auf dem Dach.

1st1 29. Okt 2013

Genau auf die Botschaft gerichtet, genauer gesagt, oben auf die Dachaufbauten mit den...

Atalanttore 29. Okt 2013

Zu Weihnachten sicherlich ein schönes Geschenk.



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