BND-Selektorenaffäre: Geheimdienstkontrolleure halten Vorwürfe für "sehr ernst"

Der Bundesnachrichtendienst soll sich bei der Auslandsaufklärung nicht an den Auftrag der Regierung gehalten haben. Die große Koalition ist sich nun weitgehend einig, dass das BND-Gesetz geändert werden muss.

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Der BND-Standort in Bad Aibling
Der BND-Standort in Bad Aibling (Bild: Joerg Koch/Getty Images)

Die Geheimdienstkontrolleure des Bundestags gehen davon aus, dass der Bundesnachrichtendienst sich bei der Auslandsaufklärung nicht an die Vorgaben der Regierung gehalten hat. Der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger, stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), sagte am Donnerstag in Berlin, die Vorwürfe seien "sehr ernst". Es bestehe "mehr als der Verdacht", dass Selektoren verwendet worden seien, die nicht vom Auftragsprofil der Bundesregierung gedeckt gewesen seien. Da eine seriöse und schnelle Aufklärung der Vorfälle erforderlich sei, wolle das PKGr seine Anfang des Jahres gebildete Task Force einsetzen und nächste Woche Mitarbeiter in die BND-Zentrale nach Pullach entsenden, um die Selektoren zu untersuchen.

Am Mittwoch war bekanntgeworden, dass der BND möglicherweise in eigener Verantwortung jahrelang Ziele aus europäischen Partnerstaaten und den USA ausgespäht hat. Laut Spiegel Online liefen durch die Überwachungssysteme des deutschen Auslandsnachrichtendienstes offenbar jahrelang mehrere Tausend hochproblematische Suchbegriffe. Dabei sollen auch Botschaften und andere Behörden von EU-Staaten ausgespäht worden sein, möglicherweise in Afghanistan.

Fernmeldeaufklärung soll besser geregelt werden

Laut Binninger muss unter anderem geklärt werden, wer für den Einsatz der Selektoren zuständig gewesen sei und wer in der Vergangenheit beim BND darüber entschieden habe. Nach Angaben der Bundesregierung handele es sich ausschließlich um BND-eigene Suchbegriffe und nicht um Selektoren, die ursprünglich von der NSA gestammt hätten. Aus diesem Grund sei der Vorfall auch kein Thema für den NSA-Untersuchungsausschuss und solle ausschließlich vom PKGr aufgeklärt werden. Allerdings habe sich durch die Arbeit des NSA-Ausschusses herausgestellt, dass die Technische Aufklärung innerhalb des BND ein gewisses Eigenleben geführt habe.

Binninger plädierte dafür, die sogenannte strategische Fernmeldeaufklärung des BND verbindlicher zu regeln. Es müsse klarer sein, welche Positionen nicht zulässig und welche Anordnungsbefugnisse dann einzuhalten seien. Diese Praxis dürfe nicht dem Geheimdienst selbst überlassen sein. Was die Reform des BND-Gesetzes betreffe, sei die große Koalition "auf einem guten Weg". Die Union sei sich mit der SPD-Fraktion, die bereits eigene Vorschläge präsentiert hatte, "in wesentlichen Punkten einig". Es müsse allerdings noch geklärt werden, wie weit beispielsweise der Schutz europäischer Bürger vor der BND-Überwachung gehen könne. Schließlich könne es auch sein, dass EU-Bürger einer ausländischen Terrororganisation wie dem IS angehörten und daher überwacht werden müssten.

Opposition verlangt Debatte im NSA-Ausschuss

Die Opposition will den Vorfall allerdings auch im NSA-Ausschuss behandeln. Der Geheimdienstbeauftragte der Bundesregierung, Klaus-Dieter Fritsche, und BND-Präsident Gerhard Schindler sollen sich "schnellstmöglich zu den unglaublichen Vorgängen auch vor dem Untersuchungsausschuss äußern", teilten Ausschussobmann Konstantin von Notz und PKGr-Mitglied Hans-Christian Ströbele (beide Grüne) am Donnerstag mit. "Wir erwarten auch, dass dementsprechend umgehend politische Verantwortung für die Geschehnisse im BND übernommen wird." Auch die Linke-Ausschussobfrau Martina Renner forderte die Regierung und den BND auf, vor dem Ausschuss Rede und Antwort zu stehen.

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