BND-Metadatensuche: "Die Nadel im Heuhaufen ist zerbrochen"

Der BND verfolgt in der Aufklärung inzwischen einen "metadatenzentrierten" Ansatz. Zu diesen Daten zählten auch Browserfingerprints, erläuterte ein hochrangiger BND-Mitarbeiter im NSA-Ausschuss. In der aktuellen BND-Affäre zeigte er sich ahnungslos.

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Der BND sucht sich im Heuhaufen Internet die Nadeln zusammen.
Der BND sucht sich im Heuhaufen Internet die Nadeln zusammen. (Bild: Odd Andersen/AFP/Getty Images)

Der Bundesnachrichtendienst (BND) setzt in der künftigen technischen Aufklärung vor allem auf die Überwachung des Internets. Während die früheren Kommunikationsmittel wie Telefon, Fax und Fernschreiber getrennt gewesen seien, gebe es nun sowohl zivil als auch militärisch "eine kollektive Nutzung des Informationsraums Internet", sagte der Abteilungsleiter Technische Aufklärung, Hartmut Pauland, am Donnerstag bei seiner Vernehmung im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags in Berlin. Der Geheimdienst verfolge zu diesem Zweck nun einen "metadatenzentrierten Ansatz", um nur die "richtigen und wichtigen Pakete" aus dem Datenstrom herauszufiltern.

"Die Nadel im Heuhaufen gibt es nicht mehr", sagte Pauland. Sie sei zerbrochen, man müsse sie sich zusammensuchen. "Lohnt es sich überhaupt, das Paket zusammenzusetzen? Das ist die Zukunft, mit der man zurechtkommen muss", erläuterte der Brigadegeneral, der Anfang 2013 die größte BND-Abteilung übernommen hatte. Unter Metadaten versteht Pauland Sachdaten, wie den Zeitpunkt der Kommunikation, und Inhaltsdaten, zu denen E-Mail-Adressen und Browserfingerprints zählten. Um dem Parlamentarischen Kontrollgremium die Bedeutung von Metadaten zu illustrieren, habe er dem Gremium einen Zeitungsartikel ausgedruckt, bei dem erst nach 31 Seiten der eigentliche Inhalt aufgetaucht sei. Möglicherweise meinte Pauland damit den Umfang des HTML-Codes, den man jedoch nicht unbedingt als Metadaten bezeichnen würde.

"Jeder bekommt den Dienst, den er verdient"

Um die Digitalisierung des BND zu ermöglichen, habe er die sogenannte Strategische Initiative Technik (SIT) angestoßen. Diese soll den Dienst "im Cyberbereich auf Augenhöhe mit den Partnern" bringen. Pauland räumte ein, dass der BND "in manchen Bereichen" nicht mehr mit den Partner mithalten konnte. Diese Defizite wollte er mit den geplanten 300 Millionen Euro für die SIT ausgleichen. "Wenn wir die kriegen, wäre das schon gut", sagte Pauland, "denn jeder bekommt den Dienst, den er verdient."

In seiner Befragung machte der Abteilungsleiter deutlich, von der Selektoren-Problematik beim BND erst im Frühjahr dieses Jahres erfahren zu haben. "Am 13.3. 22.45 Uhr habe ich zum ersten Mal was davon gehört", sagte Pauland. Vorher seien die Selektoren "kein einziges Mal Thema" gewesen. Zwar seien die Selektoren nicht immer in Ordnung gewesen, aber dennoch sei das ein Bereich gewesen, "der unproblematisch lief". Eine Ablehnungsdatei, die die zuständige Abteilung geführt haben soll, sei ihm nicht bekannt gewesen. In den vergangenen Vernehmungen hatten mehrere BND-Mitarbeiter angegeben, ihre Vorgesetzten nicht über die Deaktivierung beanstandeter Selektoren informiert zu haben. Nach Ansicht Paulands hätte er aber darüber informiert werden müssen, da es sich um ein "besonderes Vorkommnis" gehandelt habe. Ein Sachbearbeiter hatte am Mittwoch ausgesagt, er habe wochenlang nach "europäischen Ministerien" in den Selektoren gesucht.

Streit um Selektorenliste geht weiter

Opposition und Koalition streiten sich in diesem Zusammenhang weiterhin über den Einblick in diese Liste. Grüne und Linke scheiterten am Donnerstag mit ihrem Antrag, dem Bundeskanzleramt eine zeitliche Frist für eine Entscheidung in der Frage zu setzen. SPD und Union wollen der Regierung bis zur nächsten Sitzungswoche Zeit geben, eine Antwort der USA abzuwarten und eine eigene Entscheidung zu treffen. Die Möglichkeit, einen Ermittlungsbeauftragten zur Untersuchung einzusetzen, lehnt die Opposition ebenfalls weiterhin ab. Das sagten deren Vertreter auch in einer Aktuellen Stunde des Bundestags zu dem Thema. Abgeordnete der Union verwiesen jedoch darauf, dass die Zusammenarbeit des BND mit der NSA nicht gefährdet werden dürfte.

Nach der Vernehmung Paulands wollte der Ausschuss noch den amtierenden BND-Präsidenten Gerhard Schindler befragen. Dieser steht unter Druck, weil der BND-Spitze die Selektoren-Problematik bis zum März dieses Jahres nicht bekannt war, so dass auch das Bundeskanzleramt als Aufsichtsbehörde nicht informiert war. Gescheitert ist hingegen das Vorhaben der Opposition, in einer Sondersitzung am Freitag den früheren Kanzleramtsminister und heutigen Innenminister Thomas de Maizière zu vernehmen. Stattdessen soll er nun am 18. Juni 2015 befragt werden.

Nachtrag vom 21. Mai 2015, 19:00 Uhr

Auf großes Unverständnis bei den Abgeordneten aller Fraktionen stieß die Aussage des Zeugen Pauland, bei seinen Mitarbeitern nicht nachgefragt zu haben, warum sie ihm den Fund der brisanten Selektoren nicht gemeldet hätten. Er räumte ein, dass ihn die Gründe für das Verschweigen interessieren würden. Er konnte aber nicht plausibel erklären, warum er die Fragen nicht gestellt hatte.

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