BND-Auslandsüberwachung: Der kurze Sommer der Weltraumtheorie
Warum sollen für die BND-Abhöranlage in Bad Aibling keine deutschen Gesetze gelten? Nach zahlreichen Sitzungen des NSA-Ausschusses werden die juristischen Tricksereien von Geheimdienst und Regierung verständlich. Sogar ohne Verschwörungstheorie.

Man muss sich die BND-Zentrale im Sommer 2013 wie einen Hühnerstall vorstellen, in den sich mit den Enthüllungen Edward Snowdens über Nacht ein Fuchs eingeschlichen hatte. Besonders große Aufregung beim Bundesnachrichtendienst verursachte damals ein Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, wonach der US-Geheimdienst NSA rund 500 Millionen Datensätze monatlich aus Deutschland in die USA transferierte. Nach einigen Tagen hektischer Betriebsamkeit präsentierte der BND schließlich die Erklärung für die Zahlen: Sie stammten vermutlich aus der gemeinsamen Satellitenüberwachung im bayerischen Bad Aibling und betrafen demnach vor allem Telekommunikationsverkehr in Krisengebieten.
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- Regierung war diskussionsfaul
Peinlich war für den BND aber der Umstand, dass er anders als seine Kollegen von der NSA nicht akribisch Buch darüber führte, wie viele Daten aus welcher Region überhaupt in die USA weiterflossen. Entsprechende Nachfragen von Bundeskanzleramt, Parlamentarischem Kontrollgremium (PKGr) und den Fraktionen liefen ins Leere.
Blitzgutachten erstellt
Aber auch die direkte Kontrollbehörde, das Bundeskanzleramt, musste sich damals fragen und fragen lassen, auf welcher rechtlichen Basis die milliardenfache Erfassung und -weitergabe von Daten in Bad Aibling eigentlich erfolgte und ob mögliche Vorschriften eingehalten wurden. In dieser Situation hakte das Kanzleramt am 5. August 2013 beim Geheimdienst nach und wollte wissen, wie die Kooperation mit der NSA rechtlich begründet werde.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. In einem Kurzgutachten, man könnte es auch Blitzgutachten nennen, skizzierte der BND die sogenannte Weltraumtheorie und schickte das Dokument laut Süddeutscher Zeitung noch am selben Abend ans Bundeskanzleramt. Demnach gehört die Satellitenüberwachung in Bad Aibling nicht zum Geltungsbereich des Grundgesetzes, weil die Daten im Weltraum abgegriffen werden.
Nach kontroversen Diskussionen innerhalb des BND und des Kanzleramts entschieden die Spitzen der Behörden schließlich, die sogenannte Weltraumtheorie zu übernehmen. Kein Wunder, denn auf diese Weise waren beide aus dem Schneider: Der BND hatte keine Dokumentationspflichten versäumt oder rechtliche Vorgaben missachtet. Und das Kanzleramt nicht nachlässig kontrolliert.
Motivation weiter unklar
Diese hektischen Tage im Sommer 2013 waren auch am Donnerstag wieder Thema im NSA-Untersuchungsausschuss. Die damalige Leiterin des Geheimdienstreferates 601 im Bundeskanzleramt, Christina Polzin, sollte ein weiteres Mal erklären, wie und warum es zur Weltraumtheorie gekommen ist. Denn in ihrer ersten Vernehmung hatte sie angedeutet, dass der BND gleichwohl die Datenerfassung dokumentiert habe.
Auf Basis dieser Aussage gibt es nun Spekulationen, wonach der BND die Weltraumtheorie erfunden haben könnte, um diese Dokumentationen nachträglich verschwinden zu lassen. Denn die Bundestagsabgeordneten wundern sich darüber, dass sich in den BND-Akten keine Unterlagen darüber finden.
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Regierung war diskussionsfaul |
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Wenn sich in der Kette des Austauschs urheberrechtlich geschützter Daten eine Person mit...
... haben wir korrigiert, danke für den Hinweis.
Wenn dies nur über Satelliten abläuft: Was hat dann der BND damit zu tun? hat die NSA...