BND-Auslandsspionage: Die Kanzlerin darf weiter alles wissen

Wegen des Urteils zur Auslandsspionage muss der BND am DE-CIX kein einziges Kabel abklemmen. Wie lässt sich die Überwachung künftig mit dem Grundgesetz vereinbaren?

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Darf weiterhin umfassend durch den BND informiert werden: Bundeskanzlerin Angela Merkel
Darf weiterhin umfassend durch den BND informiert werden: Bundeskanzlerin Angela Merkel (Bild: Hannibal Hanschke/Reuters)

Mit seinem Urteil zur Telekommunikationsüberwachung des Bundesnachrichtendienstes (BND) hat das Bundesverfassungsgericht ohne Zweifel Rechtsgeschichte geschrieben. Künftig muss der Dienst bei der Überwachung von Ausländern ebenfalls die Grundrechte wie den Schutz des Fernmeldegeheimnisses und die Pressefreiheit berücksichtigen. Darf der Dienst daher künftig weniger Daten an Internetknoten wie dem DE-CIX abgreifen? Unter welchen Bedingungen ist die Kommunikation von Journalisten und anderen Berufsgeheimnisträgern besser geschützt? Und wie stark gefährdet das Urteil die Zusammenarbeit des BND mit anderen Geheimdiensten?

Seit den Enthüllungen von US-Whistleblower Edward Snowden ist die Spionagepraxis des BND ein Dauerthema in der deutschen Politik. Dass der BND unter ominösen Umständen in Deutschland den Internettraffic anzapft, war durch den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages herausgekommen. DE-CIX-Aufsichtsratsmitglied Klaus Landefeld kritisierte schon im März 2015 vor dem Ausschuss, dass der Datenzugriff des BND auf den Internetknoten "völlig unzureichend" geregelt sei.

Die umstrittenen Praktiken sollten mit dem reformierten BND-Gesetz von 2017 legitimiert werden. Doch mit ihrer Klage in Karlsruhe haben mehrere ausländische Journalisten erreicht, dass der Gesetzgeber nun deutlich nachbessern muss.

Nicht nur das BND-Gesetz erlaubt die Überwachung

Derzeit gibt es mehrere gesetzliche Grundlagen für den BND, um die Telekommunikation an Internetknoten überwachen zu können. Lediglich diejenige auf Basis des BND-Gesetzes wurde in dem Urteil für verfassungswidrig erklärt. Diese betrifft die sogenannte Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung vom Inland aus sowie die Fernmeldeaufklärung direkt im Ausland. Das sogenannte G10-Gesetz regelt hingegen die Überwachung von Telekommunikation mit Inlandsbezug. Aber auch auf dieser Basis dürfen "internationale Telekommunikationsbeziehungen", also zwischen Inland und Ausland, nach bestimmten Suchbegriffen (Selektoren) durchsucht werden, was als strategische Fernmeldeaufklärung bezeichnet wird.

Diese rechtliche Trennung beruhte auf der Annahme, dass die Grundrechte nicht in gleicher Weise für deutsche Staatsbürger und Ausländer gelten. Doch nun hat das Bundesverfassungsgericht entschieden: "Eine globale und pauschale Überwachung lässt das Grundgesetz auch zu Zwecken der Auslandsaufklärung nicht zu." (Rn. 168) Zwar könne sich der Schutz der einzelnen Grundrechte im Inland und Ausland unterscheiden, jedoch erstrecke sich der Schutz durch Fernmeldegeheimnis und Pressefreiheit "auch auf Ausländer im Ausland". Dennoch bleibt die strategische Fernmeldeaufklärung grundsätzlich erlaubt, obwohl sie laut Urteil "ohne Eingriffsschwelle zu schweren Grundrechtseingriffen berechtigt" (Rn. 143). Das heißt: Der BND kann weiterhin die Kommunikation anlasslos ohne konkrete Verdachtsfälle überwachen.

Bislang unterschied das BND-Gesetz nicht nur zwischen Inländern und Ausländern, sondern auch zwischen EU-Bürgern und anderen Ausländern. Das war ein Resultat der sogenannten Selektorenaffäre, in deren Folge das Kanzleramt dem BND "technische und organisatorische Defizite" bescheinigt hatte. Allerdings hatte nicht nur der US-Militärgeheimdienst NSA unzulässige Selektoren wie E-Mail-Adressen, Telefonnummern oder IP-Adressen beigesteuert. Der BND hatte ebenfalls europäische Ziele und Medien ausspioniert.

Für außereuropäische Ziele sah das reformierte BND-Gesetz hingegen keine Einschränkungen vor. Solche Ausländer waren weiterhin "zum Abschuss freigegeben", wie es ein BND-Mitarbeiter im NSA-Untersuchungsausschuss formuliert hat. Details zur Überwachung sollte laut BND-Gesetz lediglich eine "Dienstvorschrift" regeln.

Das alles soll nun anders werden.

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Am DE-CIX ändert sich gar nichts 
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