BND-Affäre: USA gaben NSA-Selektorenliste angeblich frei

Im Streit um die Einsicht in die Liste mit unzulässigen NSA-Selektoren hat die Bundesregierung angeblich Parlament und Öffentlichkeit getäuscht. Anders als von der Regierung dargestellt hätten die USA sich nicht strikt dagegen gesperrt, einzelnen Mitgliedern des Bundestags Einsicht in die Liste zu gewähren, berichtete die Wochenzeitung Die Zeit. Das Weiße Haus habe zwar Bedenken geäußert, doch sei die letzte Entscheidung über eine Freigabe der Bundesregierung überlassen worden.
Seit Monaten weigert sich die Regierung, dem NSA-Untersuchungsausschuss die Liste mit den umstrittenen Spähzielen der NSA vorzulegen. Stattdessen einigte man sich mit den Fraktionen von SPD und Union, dass der frühere Bundesrichter Kurt Graulich sich die Listen während der Sommerpause anschaut. Graulich wird dabei von einigen BND-Mitarbeitern unterstützt, die ihm das System der NSA-Selektoren erklären sollen. Der frühere Richter am Bundesverwaltungsgericht soll herausfinden, ob die NSA mit Hilfe des BND beispielsweise europäische Unternehmen und Politiker oder sogar deutsche Ziele ausspähen wollte.
Kein Ende von Operationen
Dem Zeitungsbericht zufolge ist es nach Ansicht des Weißen Hauses auch eine "absolute Mär" , dass die US-Regierung mit einer Einschränkung der Geheimdienstkooperation gedroht habe, sollte die Liste öffentlich werden. Allerdings rechneten die USA damit, dass Details aus den Listen an die Öffentlichkeit gelangten. "Könnten wir davon ausgehen, dass alles, was geheim bleiben soll, auch geheim bleibt" , sagte ein Obama-Berater laut der Zeit, "dann hätten wir weniger Bedenken" . Die Erfahrung lehre, "dass bei euch am nächsten Tag alles in der Zeitung steht" .
Die Opposition reagierte mit Empörung auf den Bericht. "Sollte sich herausstellen, dass die Herausgabe der Selektoren-Liste von US-amerikanischer Seite explizit der Bundesregierung überlassen wurde, wäre dies ein weiterer handfester Skandal in einer ganzen Reihe von Ungeheuerlichkeiten, die sich die Bundesregierung in der Affäre bis heute erlaubt hat" , sagte der Grünen-Ausschussobmann im NSA-Ausschuss, Konstantin von Notz. Die Bundesregierung hätte Parlament und Öffentlichkeit bewusst belogen, um die eigene Verstrickung in den Skandal unter den Teppich zu kehren.
Die Ausschussobfrau der Linken, Martina Renner, zeigte sich "nicht wirklich" überrascht. Schon seit längerem habe sich der Eindruck aufgedrängt, "dass die für uns kaum überprüfbare Behauptung entsprechender Erklärungen vonseiten der US-amerikanischen Regierung oder auch aus Großbritannien sich sehr gut eignet, um unsere Arbeit zu behindern und auch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von den entscheidenden Punkten abzulenken" . Es sei nun zwingend erforderlich, dass insbesondere das Bundeskanzleramt dem Ausschuss den tatsächlichen Inhalt der hierzu mit der US-amerikanischen Regierung geführten Kommunikation zur Verfügung stelle, sagte Renner.
Nachtrag vom 13. August 2015, 18:40 Uhr
Kanzleramtsminister Peter Altmaier bestreitet, von der US-Regierung freie Hand für die Herausgabe einer Spähliste des amerikanischen Geheimdienstes NSA bekommen zu haben. "Hätte es tatsächlich eine Zustimmung zur Weitergabe aus den USA gegeben, hätten wir uns manche schwierige Debatte ersparen können" , sagte Altmaier dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel(öffnet im neuen Fenster) .
Es gebe "Spielregeln zwischen Geheimdiensten" , an die sich die Bundesregierung zu halten habe, sagte der CDU-Politiker. Deshalb sei eine Herausgabe der Liste an Parlamentarier nur mit Zustimmung der US-Seite möglich. Wenn allerdings "klar wäre, dass es um strafbare Handlungen ginge, wäre das möglicherweise anders" , sagte der Kanzleramtschef.
Die Zeit hatte allerdings nicht geschrieben, dass die Regierung vom Weißen Haus eine förmliche Freigabe der Liste erhalten habe. Es sei dem Kanzleramt jedoch die letzte Entscheidung überlassen worden, die Liste einigen Bundestagsgremien vorzulegen.



