Bling-CTO Leon Stephan: "Uns geht es darum, eine nachhaltige Option zu schaffen"

Das hier ist die 33. Ausgabe von Chefs von Devs, dem Golem.de-Newsletter für CTO, Technical Directors und IT-Profis. Alle zwei Wochen erscheint eine neue Ausgabe. Chefs von Devs kann hier kostenlos abonniert werden .
div class="n2g_form">Über Geld spricht man nicht, sagt man. Trotzdem tun wir genau das in dieser Ausgabe von Chefs von Devs - denn ich habe mit dem Mitgründer und CTO des Familien-Fintechs Bling gesprochen.
Bling will eine kindgerechte (und für Eltern transparente) Payment-App entwickeln. Dafür braucht das Start-up natürlich selbst erst einmal Kapital. Am Thema Geld gab es also gar kein Vorbeikommen - egal ob man nun darüber sprechen soll oder nicht.
Leon Stephan ist Mitgründer und CTO von Bling - schon die zweite Firma, die er nach dem Auftrags-App-Entwickler Neon gegründet hat. Was sein jüngstes Start-up macht, erklärt er im Interview besser selbst.
Geld, Geld, Geld ...
Dass ich mit dem überanstrengten Mantra des Nicht-über-Geld-Sprechens kokettiere, das den Deutschen nachgesagt wird, dürfte klar sein. Die Leserinnen und Leser dieses Newsletters wissen: Geld war hier immer wieder Thema.
Für Ausgabe #19 aus dem April dieses Jahres etwa sprach ich mit Andreas Liebe, dem Personalchef des Hamburger Spieleentwicklers Innogames ( unglücklicherweise kurz bevor sein Unternehmen einige Spieleentwickler entlassen hatte(öffnet im neuen Fenster) ). Thema? Wie lässt sich interne und externe Gehaltstransparenz umsetzen. Das versucht das Unternehmen nämlich seit letztem Jahr .
Und auch in Ausgabe #30 ging es ums Geld - nicht für die Festanstellung, sondern für die gute Sache. Githubs oberste Community-Mangerin Stormy Peters sprach hier im Newsletter nämlich darüber , dass auch Open-Source-Supporter für ihre Arbeit Geld verdienen. Die ist nämlich oft unentgeltlich, aber selten umsonst.
Fintechs wie Bling - also Tech-Unternehmen, die direkt mit dem Geld ihrer Kundschaft hantieren - stehen in den letzten Jahren unter ganz genauer Beobachtung der Bafin. Denn Onlinekonten von Banken wie N26 sind nicht nur für Kunden, sondern auch für Betrüger bequem zu benutzen .
Ganz zu schweigen vom Kryptogeld, das zwischen der Klage gegen FTX-Gründer Sam Bankman-Fried und utopischen Versprechungen wie dem biometrischen Grundeinkommen Worldcoin schon längst mehr Skepsis als Begeisterung hervorruft.
Dabei können auch klassische Banken ziemlich kundenunfreundlich unterwegs sein, wie die LBB erst kürzlich allen Haltern einer Amazon-Kreditkarte klarmachte . Die kündigte ziemlich kurzfristig das Ende des Zahlungsmittels an. Vertrauen schafft man so nicht.
Vielleicht ist das auch einer der Gründe, dass die Deutschen nicht nur nicht gern über Geld reden, sondern es am allerliebsten noch immer in der eigenen Hand behalten. Bargeld ist und bleibt ziemlich beliebt. Wobei selbst der gute alte Geldautomat schon längst nicht mehr aus der Wand gesprengt werden muss. Ein Raspberry Pi genügt schon, um an seinen Inhalt zu gelangen .
Interview mit Leon Stephan von Bling
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div class="n2g_form">Golem.de: Was steckt hinter Bling?
Leon Stephan: Mein Mitgründer Nils Feigenwinter hat für Banken gearbeitet und dabei gemerkt: "Ich habe in der Vergangenheit eigentlich nichts über den Umgang mit Geld gelernt. Welche Lösungen kann ich da in der Zukunft schaffen?" Daraus hat sich die Idee von Bling entwickelt, finanzielle Bildung in Form einer App anzubieten.
Bling ist im vergangenen Jahr als Taschengeld-Lösung für Kinder und Jugendliche gestartet. Wir geben Familien einen Werkzeugkasten an die Hand, mit dem sie das eigene Verhalten im Umgang mit Geld steuern können.
Es ist schon in der ersten Version unfassbar viel Entwicklungsaufwand, um so ein Banking-Produkt bis zum Release bauen zu können. Und gleichzeitig ist unser Ziel immer, kinderleichte Produkte bauen zu wollen. Das ist ein großer Team-Effort.
Golem.de: Wie groß ist dieses Team im Moment?
Stephan: Unser Team besteht aktuell aus 30 Personen, dazu kommen Freelancer, die uns unterstützen. Wir haben acht Entwickler, suchen jedoch immer nach zusätzlicher Unterstützung. Dazu kommen drei Designerinnen und ein Produktmanager. Das ist unser Produktteam. Aus meiner Erfahrung kann man mit so einem Team alles bauen, wenn man den Overhead möglichst gering hält.
Sobald man anfängt, drei, vier Teams zu haben, sind ganz andere Strukturen notwendig. Dann reicht ein Produktmanager auch nicht mehr aus, dann braucht man mehr Kommunikationsaufwand, dann geht Information verloren, man wird ineffizienter. In diese Phase werden wir zukünftig auch kommen - aber aktuell lässt sich das managen.
Insbesondere im Development-Bereich stellen wir weiter ein - wenn jemand das hier liest und einen Job sucht, meldet euch gerne. In Berlin findet man gute Entwickler, aber es ist trotzdem immer die Frage, ob das die passende Person für die Unternehmenskultur ist. Deswegen suchen wir teilweise schon mal ein bisschen länger. Jeder einzelne Mitarbeiter in diesem kleinen Team ist unfassbar wichtig.
Golem.de: Wie sehr bist du als CTO noch selbst in die Produktentwicklung involviert?
Stephan: Ich mache eigentlich alles, was mit dem Produkt zu tun hat. Aber natürlich gehört das Development-Team dazu, der Hiring-Prozess, auch die Zusammenarbeit mit unseren Partnern.
Große Teile des Backends und der Transaktionslogiken habe ich am Anfang selbst geschrieben. Aktuell bin ich nicht mehr so stark in der Entwicklung drin. Natürlich rückt man als CTO immer weiter aus der Entwicklung raus. Aber es gibt Momente, wo ich für spezifische Themen wieder reingehe, das macht mir dann unfassbar viel Spaß.
Dann setze ich mich auch schon mal das ganze Wochenende vor ein Problem - man ist ja komischerweise irgendwie dreimal so schnell, wenn man sehr motiviert ist, als bei Features, auf die man keine Lust hat.
Vor Bling war ich einige Jahre bei IBM, habe da in unterschiedlichen Projekten gearbeitet. Danach habe ich eine App-Agentur gegründet. Da hatte ich immer sieben, acht Projekte gleichzeitig. In einer Agentur kann man den Produktzyklus selten von A bis Z begleiten.
Golem.de: Wie kompliziert ist es, ein Fintech-Start-up in Deutschland zu gründen?
Stephan: Wir bewegen uns in einem sehr stark regulierten Umfeld. Wir haben ja aktuell keine eigene Banklizenz in Deutschland. Eine große Herausforderung zum Start war es daher, den richtigen Bankpartner zu finden, um das Projekt ins Laufen zu bekommen.
Golem.de: Wie sorgt ihr bei diesem heiklen Thema dafür, dass die Daten geschützt werden?
Stephan: Wir haben gerade erst eine Tüv-Zertifizierung erhalten. Dafür haben wir nicht nur die App, sondern auch alles im Unternehmen prüfen lassen. Das fängt schon mit der Frage an, wie Mitarbeiter überhaupt Zutritt zu dem Gebäude bekommen.
Aber auch: Wie sieht das Löschkonzept aus, mit welchen Anbietern arbeiten wir zusammen, welche Daten werden wann und wie mit denen ausgetauscht? Der Prozess war sehr, sehr umfangreich und hat uns viele Monate gekostet.
Golem.de: In den letzten Jahren gab es immer wieder negative Schlagzeilen über Neobanken. Ist das eine Hürde für euch, um das Vertrauen der Kunden zu gewinnen?
Stephan: Die meisten unserer Kundinnen und Kunden kommen nicht von klassischen Neobanken, also nicht von N26 oder Revolut, sondern von den traditionellen Banken. Wir sind für viele die erste Fintech-Erfahrung. Und auch für die Transparenz, die man über die Geldflüsse innerhalb einer Familie mit Bling schafft. Klassische Banken denken in einer Eins-zu-Eins-Beziehung, wir eher in Konten für ganze Familien.
Wenn man das erste Mal Taschengeld hört, unterschätzt man manchmal, dass man da auf einer kompletten Banking-Infrastruktur aufbaut. Deswegen war es für uns auch wichtig, gute Bankpartner auszuwählen. Die wichtigste Eigenschaft unseres Teams ist, bei neuen Projekten zu schauen, wo die Blocking Points bei diesen Partnern sind. Dann können wir versuchen, die so früh wie möglich zu beseitigen.
Im Finanzsektor ist es so, dass es auch zu Verzögerungen kommen kann, weil man sich an Regularien hält, bestimmte Freigaben benötigt und so weiter und so fort. Deswegen versuchen wir, das immer so früh wie möglich zu lösen, damit es uns dann nicht am Ende auf die Füße fällt.
Golem.de: Euer Produkt ist für Kinder gedacht. Wie bezieht ihr das in den Designprozess mit ein?
Stephan: Viele aus unserem Team können sich in Familien reinversetzen. Bei so einem unfassbar großen Thema machen wir immer wieder User Research. Wir setzen uns mit Nutzern zusammen, stellen denen unsere Ideen vor, sammeln erstes Feedback. Daraus entwickeln wir Mock-ups, daraus wird ein klickbarer Prototyp. Den spiegeln wir dann an die Nutzer wieder und so entwickelt sich das iterativ immer weiter.
Wir haben auch mit dem Education Board eine Art Gremium. Darin sitzt zum Beispiel ein Schulleiter, eine Finanzexpertin und weitere, mit denen wir neue Ideen und Initiativen durchsprechen. Das ist eigentlich wie so ein pädagogischer Rat, um noch mal einen Blick von außen zu bekommen.
Golem.de: Von außen kommen auch die Investoren, die Bling finanzieren. Denn noch seid ihr, wie die meisten Start-ups, noch nicht profitabel.
Stephan: Wir haben sehr gute Investoren gefunden, mit denen die Zusammenarbeit unfassbar viel Spaß macht. Alle anderen, die investiert haben - Verena Pausder, Lea-Sophie Cramer, André Schürrle - glauben an die Idee von Bling. Insbesondere in der ersten Finanzierungsrunde war es so, dass man konkret auf uns zugekommen ist.
Als wir mit der Entwicklung 2021 angefangen haben, war die ökonomische Situation noch eine andere. Wenn wir uns Start-ups wie Gorillas anschauen, waren das die klassischen Geldverbrennungsmaschinen - 60 Millionen Euro Burnrate im Monat ist eine Hausnummer.
Wenn man sich das Geschäftsmodell von Gorillas anschaut, fragt man sich, wie kann das profitabel werden? Aber das ist für die meisten VCs gar nicht entscheidend. Wenn man in Gorillas investiert, dann steigt man bei einem gewissen Punkt ein, hofft auf eine Wertentwicklung, um dann wieder auszusteigen.
Aber ich glaube, das ist bei uns anders. Wir sind ja offensichtlich nicht Gorillas. Bei Bling war uns von Anfang an klar, dass wir unsere Nutzer geldklug machen wollen. Was wären wir für ein Unternehmen, wenn wir nicht auch ein geldkluges Geschäftsmodell haben?
Golem.de: Wie seht ihr langfristig euren Weg zu einem profitablen Unternehmen, um das besser zu machen als andere Start-ups?
Stephan: Nils und ich kommen beide aus dem Bootstrap-Umfeld. Das Unternehmen, das ich vorher gegründet habe, war komplett selbst finanziert, ohne externes Kapital. Über das erste halbe Jahr, in dem wir Bling entwickelt haben, war auch kein VC oder ähnliches an Bord. Wir haben das gesamte Geschäftsmodell so entwickelt, dass es auf Profitabilität ausgelegt war.
Ende 2021 haben wir eine Pree-Seed-Runde abgeschlossen, danach sind Investoren auf uns zugekommen. Das bot sich zu dem Zeitpunkt an, denn ein Produkt, wie wir es entwickeln, bringt enorme Kosten mit sich - allein die Entwicklungskosten, die man einfach vorfinanzieren muss. Im Dezember 2022 konnten wir dann eine große Seed-Finanzierung einsammeln, um verstärkt in die weitere Produktentwicklung zu investieren.
Golem.de: Euer neuestes Produkt ermöglicht auch das Investieren. Wollt ihr das in Zukunft noch ausbauen?
Stephan: Das Ziel von Bling ist nicht, Trading anzubieten. Wir sind kein Neobroker, sondern versuchen wirklich, das Thema Geldanlage kinderleicht zu präsentieren und Familien aufzuklären. Unter 20 Prozent der Menschen in Deutschland investieren überhaupt am Kapitalmarkt. Wenn man das mit den USA vergleicht, dort sind es zwischen 50 und 60 Prozent.
Man muss den Kapitalmarkt ziemlich gut kennen, um smarter zu sein als der Markt. Uns geht es darum, eine simple und nachhaltige Option zu schaffen, um überhaupt an diesem Wertzuwachs teilhaben zu können.
Golem.de: Transparenz für Familienfinanzen ist euer Ziel. Wie sieht es denn mit der Transparenz innerhalb eurer eigenen Firma aus, etwa, was die Gehälter angeht?
Stephan: Wir haben Gehaltsbänder innerhalb des Unternehmens definiert, in denen sich bewegt wird. Bei Neueinstellungen schauen wir im ersten Kennenlerngespräch mit dem jeweiligen Entwickler: Was hast du gemacht, wonach bist du auf der Suche bei Bling?
Wir versuchen immer, eine Win-Win-Situation zu erzeugen. Wenn wir Mitarbeiter einstellen wollen, wollen wir ihnen so einen großen Mehrwert bieten können, dass er selbst daran wächst. Natürlich leiten sich bei uns die Gehaltseinstufung ehrlicherweise stark von der Case Study ab, die der Entwickler eingereicht hat. Wir versuchen dann, seine Kenntnisse einzuschätzen und ein konkretes Angebot dafür abzugeben.



