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Black Ops 6 im Multiplayer gespielt: Call of Duty macht uns dümmer

Rennen, ballern, rutschen, springen, spawnen, sabbern - im Multiplayer von Call of Duty Black Ops 6 ist eins sehr wichtig: Hirn aus.
/ Oliver Nickel
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In Call of Duty Black Ops 6 haben Charaktere besonders tolle Sprüche auf Lager. (Bild: Activision/Screenshot: Golem.de)
In Call of Duty Black Ops 6 haben Charaktere besonders tolle Sprüche auf Lager. Bild: Activision/Screenshot: Golem.de

Draußen ist es sichtlich kalt. Aus großer Entfernung hören wir, wie sich zwei Scharfschützen ein Duell liefern. Das kommt uns gerade recht: In der Hocke stapfen wir durch den Schnee und das von Bomben zerrüttete Wohnhaus. Vor uns taucht der feindliche Soldat auf. Mit unserer russischen PPSH-Maschinenpistole machen wir kurzen Prozess mit ihm.

Waren das noch tolle Zeiten, in denen Call of Duty 1 und später das für uns noch einmal bessere Call of Duty 2 uns in die Rolle alliierter und deutscher Soldaten gesteckt haben. Mit Repetierern, semiautomatischen Gewehren und Schrotflinten mussten wir genau aufpassen, wo wir uns positionieren und wie wir das tödliche MG-Nest auf Carentan aushebeln. Was spielen diese deutschen Soldaten auch im Team?

Das war Anfang der 2000er-Jahre. Call of Duty war durch vergleichsweise rasantes, aber auch taktisches Gameplay ein echter Hit auf jeder LAN-Party. Die Serie war für ihre branchenweisenden Gameplay-Elemente bekannt. So wurde in Call of Duty 4 erstmals ein Levelsystem mit Rängen und Freischaltungen für Waffen und diverse Aufsätze für unsere Schießeisen populär gemacht. Das Spiel wurde schneller, das moderne Setting immer surrealer.

Call of Duty wächst mit der Zielgruppe - gar nicht

Über die Jahre hinweg änderte sich wohl auch die Zielgruppe: Immer schneller und bunter musste es werden. Matches wurden zu hektischen, maximal zehn Minuten andauernden Baller-Orgien. Team Deathmatch wurde zum Quasi-Go-To-Modus für besonders intellektuelle Spieleunterhaltung.

Waffen gab es mit bunten Skins in dunklen Kriegssettings - niemand braucht in einem Kriegsspiel halt Tarnung und Täuschung. Charaktere wurden zu Karikaturen toxischer Maskulinität und dem typischen Hurra-Patriotismus. Es ist Zeit, ein paar widerliche Russen zu killen, oder Saudis, oder Iraker. Hell Yeah!

COD on
COD on (08:01)

Mehr als 20 Jahre später sind wir bei Call of Duty: Black Ops 6 angelangt. Der klingt besonders cool, weil er das Wort Black und Ops im Namen trägt. Dabei ist es mittlerweile der einundzwanzigste (!) Titel der Serie - ja richtig: in fast jedem Jahr wurde ein neues Call of Duty herausgegeben. Jedes Jahr verkauft sich der neue Titel enorm gut - fast schon wie eine Droge für die Massen.

Kreative Kampagne

Wenn sich das Spiel so gut verkauft, muss es doch sicher auch echt spaßig sein, oder? Wir können sagen: Die Kampagne von Black Ops 6 ist größtenteils großartig inszeniert und gelungen. Hier flossen viele gute Ideen hinein, auch wenn das Core-Gameplay stellenweise etwas repetitiv ist.

Wir haben uns auch den Multiplayer-Modus von Black Ops 6 angeschaut. Schließlich bietet das Spiel mit dem neuen Omni-Movement-System eine in der Theorie interessante neue Mechanik. Sprinten zur Seite, rückwärts und in alle Richtungen? Gab es bisher in Call of Duty nicht. Weil das aber nicht cool genug ist, können wir im Flug auch noch durch die Luft springen.

Am Ende übertrifft Black Ops 6 unsere Erwartungen noch - im negativen Sinne. Erwartet haben wir hirnlose Action, hektisches Gameplay und eine toxische Community. Bekommen haben wir das und noch ein wenig mehr.

Nachladen ist für Weicheier

Gerade das schnelle Movement nimmt dem Gameplay die taktische Tiefe und Spannung, die wir in den ersten Call-of-Duty-Spielen noch so toll fanden. Hier wird nur gerannt und geballert. Dann sterben wir und das Spiel geht wieder von vorn los.

Nicht einmal das Nachladen von Waffen ist in Black Ops 6 relevant. Nach wenigen Stufenaufstiegen, die hier übrigens stets von lauten, nervigen und übertriebenen Knallsounds und bunten Kacheln mit - kein Witz - flammenden Rändern begleitet werden, schalten wir für Waffen größere Magazine oder eines von Dutzenden funktional gleichen Zieloptiken frei. Eine vorgefertigte Klasse wird sogar bereits mit einem Sturmgewehr mit 60-Schuss-Magazin ausgeliefert - für mehr kopfloses Geballer und weniger Nachladen.

Es ist dabei nicht so, als würden Zieloptiken wie Fernrohre und Rotpunktvisiere viel bringen. Die wenigen Spielkarten in Black Ops 6 sind meist schlauchig, eng und bieten kaum freie Fläche für Scharfschützen oder Flankierungsmanöver. Stattdessen ist es einfach am besten, ein Sturmgewehr oder SMG mit möglichst viel Munition ins Feld zu führen, auf dem Boden herumzuschlittern und mit Omni-Movement wie ein Kind auf zu viel Cola umherzuhüpfen.

"Hab dich, Fickfresse!"

Das i-Tüpfelchen kommt dann, wenn unser Charakter nach einem Kill erwachsene und besonders kreative Sprüche wie: "Hab dich, Fickfresse!" schreit, während wir durch den Sprachchat von genervten Briten oder Definitiv-nicht-Achtzehnjährigen angeschrien werden.

Mit den Killstreak-Gadgets, die einen guten Spieler mit unfairen Vorteilen noch besser werden lassen, konnten wir uns schon in Call of Duty 4 von 2007 nicht anfreunden. Da ist es klar, dass wir hier wieder eine Menge dumme Gadgets nutzen können. Und ja: Eine Atombombe ist dabei.

So weit, so Call of Duty. Allerdings ist selbst der Kern des Spiels für uns ein Paradebeispiel für Hirn-aus-Gameplay. Die Waffen sind das Aushängeschild für die Serie. Schon das Hauptmenü zoomt im Hintergrund an unseren Charakter und unsere Knarre heran. Es ist, als wolle uns das Spiel sagen: "Sieh her, wie scheiße deine Waffe aussieht. Kauf dir lieber einen Skin dafür!"

Generell fühlen sich vor allem SMGs und Sturmgewehre - klar die stärksten Waffenkategorien im Spiel - allesamt ziemlich gleich an. Wir drücken die linke Maustaste, bis das Magazin leer oder der Gegner tot ist. Einen merklichen Rückstoß gibt es bei kaum einer Waffe. Das auf dem Papier große Arsenal schrumpft so zu ein paar Meta-Knarren zusammen.

Außerdem: Was haben Rotpunktvisiere, tausende Waffen und Holovisiere in einem Spiel verloren, das eigentlich in den frühen Neunzigern spielen soll? Black Ops 6 könnte auch einfach in der Moderne angesiedelt sein. Das würde keinen Unterschied machen. Ach ja richtig: Es ist eben Call of Duty. Die Entwickler scheren sich nicht um Vielfalt und Abwechslung - außer vielleicht bei den Skins.

Ein paar Stärken hat das Spiel

Im Ernst: Es gibt auch einige gute Ansätze und Umsetzungen. Allen voran halten wir das Sounddesign und die Waffenmodelle für exzellent. Schüsse fühlen sich größtenteils wuchtig und zufriedenstellend an. Die Modelle und Animationen der Knarren sind wieder einmal kreativ und exzellent umgesetzt. Die sehr dick auftragende Musikkulisse und die unheimlich nervigen Menüsounds trüben diesen Eindruck ein wenig.

In Black Ops 6 gibt es eine ganze Reihe Spielmodi, die wir ausprobieren können. In High Value Target (HVT) müssen wir etwa unseren VIP beschützen und den gegnerischen VIP ausschalten. In Domination nehmen wir Punkte in Battlefield-Manier ein und in Infection müssen wir gegen spielergesteuerte Zombies überleben. Für zwei Freunde ist auch Gunfight interessant. In diesem rundenbasierten Zwei-gegen-Zwei-Matches müssen wir uns gegen andere Spieler beweisen. Das ist schön und gut.

Am Ende ist es Team Deathmatch

Am Ende läuft es allerdings meist auf Team Deathmatch oder eine ähnliche Spielweise heraus. Das heißt: rennen und ballern, spawnen, rennen und ballern. Dabei hat Activision im Jahr 2019 noch einmal gezeigt, dass Call of Duty nicht nur hohles Geballer auf Schlauchlevels sein muss. Modern Warfare (Achtung: nicht Call of Duty 4: Modern Warfare von 2007) war langsamer, taktischer und für uns deshalb viel spaßiger.

Seitdem sind durch Spielmodi wie Warzone und weitere Folgetitel wieder hektischer und vor allem austauschbar geworden. Black Ops 6 scheint der aktuelle Gipfel der Stupidität zu sein. Wir hatten zumindest das Gefühl, dass wir durch kontinuierliches Spielen im Multiplayer auch proportional an Intelligenz verloren haben. Warum wir dafür 80 Euro (PC und Xbox) ausgeben sollten, ist uns ein Rätsel.

Wir raten Interessenten dazu, das Spiel lieber im Xbox Game Pass für maximal 18 Euro monatlich zu spielen. Nach einem Monat ist der Spaß sowieso vorbei - pünktlich zum Release des nächsten Call of Duty, oder?

IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach).


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